Kapitel 11

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Milans Sicht 

Mimmi sah mich noch kurz an und setzte sich dann aber auf die Couch. Sie wirkte ein bisschen nervös. Vielleicht hielt sie uns wirklich für Einbrecher. Ich setzte mich zu ihr auf die Couch, doch sie rückte noch ein Stückchen weg. Autsch. Dass sie das tat, versetzte mir einen leichten Stich ins Herz. Ich wollte nie, dass sie Angst vor mir oder auch Diego und Marco hatte. 

Aber als sie ins Zimmer kam, war ich noch so verschlafen und hatte sie daher zuerst nicht erkannt und deshalb die Waffe auch nicht runter genommen. Hätte ich sie direkt erkannt, hätte ich niemals die Waffe gezückt. Aber es gab zu viele, die meinen Tod wollten. Letztendlich hätte ich doch nur denken müssen. Sie meinte doch, dass sie die einzige wäre, die noch eine Schlüsselkarte besaß. Keiner außer ihr hätte rein kommen können. 

Diego merkte, dass es mich verletzte, dass Mimmi weg rückte und legte mir eine Hand auf die Schulter. Dies ermutigte mich und ich fragte Mimmi: "Also, was genau willst du wissen?" Ich hoffte inständig, dass sie danach weniger Angst hatte und sie uns vertraute. Konnte aber natürlich auch nach hinten losgehen.

"Alles. Ich möchte alles wissen. Angefangen mit wer ihr seid und noch wichtiger wieso ihr das mit meiner Herzkrankheit wisst. Keiner, bis auf meinen Onkel, weiß das, da ich nicht anders behandelt werden möchte.", sagte sie nun. 

Ich hörte anhand ihrer Stimme, dass es sie fertig machte, dass andere davon wussten. Sie hatte ihre Gründe, dass sie es keinem sagte. Ich hatte es nicht akzeptiert und wollte alles über sie wissen. Ich könnte mich selbst dafür ohrfeigen. 

Da ich aber mit offenen Karten spielen wollte, weil ich ihr irgendwie vertraute, antwortete ich ihr: "Ich bin ehrlich zu dir und rede nicht lange um den heißen Brei. Wir sind bei der Mafia, daher auch die Waffen. Ich dachte nicht, dass du das an der Tür bist. Ich habe genug Feinde, die meinen Tod sehen wollen, daher auch mein voreiliges Handeln. Das Mafia Geschäft ist gerade in den größeren Städten sehr verbreitet, so auch in LA." 

Ich machte eine kurze Pause, um ihr Zeit zu geben, das Ganze erstmal zu verarbeiten. Doch Diego mischte sich ein: "Übrigens ist der werte Herr hier neben dir auf der Couch der Mafia Boss." Sie sah mich mit großen Augen an. "Stimmt... stimmt das?", fragte sie leicht verängstigt. Ich nickte.

Nun stand sie auf und fuhr sich mit der Hand durch ihre langen Haare. Sie war sichtlich nervös und wusste nicht mit der Situation umzugehen. 

"Wollt ihr mich umbringen?", fragte sie ernst und sah besonders mich an. 

"Hätte ich dich umbringen wollen, hätte ich das schon im Aufzug getan. Also nein, im Gegenteil, ich würde dich sogar beschützen, wenn es hart auf hart kommt.", versuchte ich ihr klarzumachen, da es wirklich ernst gemeint war. Sie war besonders und ich würde niemals zulassen, dass ihr was passierte. Den Typen aus der Bar knöpfe ich mir auch noch vor. 

Sie nickte auf meine Antwort hin nur und blickte aus dem Fenster in die Nacht hinaus. Ohne den Blick vom Fenster abzuwenden, sprach sie weiter: "Ihr gehört also alle zur Mafia und habt Waffen bei euch und jede Menge Feinde. Erklärt aber noch nicht, dass ihr von meiner verdammten Herzkrankheit wisst." Beim letzten Satz drehte sie sich wieder zu uns und sah uns an. 

Ich atmete einmal tief durch, blieb aber weiterhin bei der Wahrheit. "Jeder besitzt eine staatliche Akte, da steht alles über einen drin." Sie nickte wieder. "Wieso kommt ihr an solche Akten dran, ihr seht nicht so aus, als hättet ihr freien Zugriff jederzeit darauf.", fragte sie und sah uns abwartend an. 

"Marco ist ein Genie, was das Thema Hacken angeht. Er kann sich in so gut wie alle Systeme hacken, ohne dass jemand es jemals erfährt.", erklärte ich ihr. "Die staatlichen Systeme sind leichter zu hacken als sonst irgendwas.", sagte nun Marco. 

Ich fuhr weiter fort: "In der Akte stand alles über deine Herkunft drin, das mit deinen Eltern, das mit deiner Krankheit und auch das mit deinen psychischen Dingen." Beim Letzten wurde sie hellhörig. "Ihr habt meine Dokumente vom Besuch beim Psychologen gelesen?", fragte sie ungläubig. 

"Ja.", sagte ich ihr wahrheitsgemäß. Vor ihrer nun kommenden Reaktion hatte ich echt Angst. Wir waren quasi unerlaubt in ihren Kopf eingedrungen. Sie sah uns an, sagte aber nichts. Ich wusste nicht, ob sie nicht wusste, was sie sagen sollte oder ob sie einfach nichts dazu sagen wollte. Sie drehte sich wieder von uns weg in Richtung Fenster.

Sie sagte immer noch nichts. "Mimmi?", fragte ich daher. Weiterhin nichts, sie machte keine Anstalten irgendetwas zu sagen. "Mimmi, sag doch was...", sprach ich ruhig. Sie drehte sich wieder zu uns und ich sah nun den Grund, wieso sie vorher nicht reagierte. Sie weinte... Einzelne Tränen flossen ihre Wangen runter, doch sie sagte immer noch nichts. 

Ich konnte das nicht länger mit ansehen und stand auf. Geradewegs ging ich auf sie zu und zog sie in eine Umarmung. Ich legte meine Arme um sie und ihr Kopf lag nun auf meiner Brust. Immer noch rollten einzelne Tränen ihre Wange herunter. Behutsam strich ich ihr mit meiner Hand über ihren Rücken. Sie schloss ihre Augen und so verweilten wir diesen Moment. 

Als sie sich wieder von mir löste, sah sie mir in die Augen. Mit meinem Daumen strich ich ihr sanft die letzten Tränen aus dem Gesicht weg. Und gab ihr dann noch einen leichten Kuss auf die Stirn. 

Ich verschränkte ihre Hand mit meiner und lief wieder auf die Couch zu, auf der wir uns dann wieder hinsetzen. Marco und Diego verfolgten still schweigend das Geschehen. "Was genau steht in den Dokumenten vom Psychologen?", fragte sie ruhig.

"Er hat von euren Sitzungen geschrieben, wie deine Eltern gestorben sind und wie du davon erfahren hast und auch dass sich deine Freunde von dir abgewendet haben.", gab ich ihr den ersten Teil wieder. "Das waren nie meine Freunde.", sagte Mimmi leise. 

"Zudem stand auch drinnen, dass dein Onkel dich zum Psychologen brachte und du das erstmals gar nicht wolltest. Hinzu kommt noch, dass dein Psychologe geschrieben hat, dass du unter Vertrauensproblemen leidest. Das war es eigentlich schon.", beendete ich die Kurzfassung des Dokuments. 

Sie schwieg weiterhin. "Mimmi, wusstest du von dem Schreiben des Psychologen?", fragte Diego. Sie sah ihn an: "Nein. Ich meine, er erwähnte mal, dass es sowas bei jedem Patienten schreiben muss, aber ich wusste nie, was drinsteht." 

"Sollte sie es sich selbst mal durchlesen?", fragte mich Marco. Ich sah Mimmi an und wartete auf eine Reaktion ihrerseits. Sie nickte und Marco holte den Laptop raus. 

Als der Laptop hochgefahren war und Marco sich wieder in das System gehackt hatte, drehte er den Laptop zu Mimmi. Sie las das Schreiben von ihrem Psychologen über sie gründlich durch, veränderte aber keine Miene. Wahrscheinlich lag das daran, dass es für sie nichts Neues war.

"Kann ich auch die ganze Akte von mir lesen?", stelle sie Marco ihre Frage. Er bejahte dies und tippte ein wenig auf der Tastatur rum. Mimmi las nun ihre ganze Akte aufmerksam durch. Diego, Marco und ich warteten währenddessen auf eine Reaktion von ihr. 

Zu unser aller Überraschung ging sie aber darauf gar nicht wirklich ein. Dass alles in dieser Akte über ihr Leben steht, schien sie gar nicht wirklich zu interessieren, hatte ich den Eindruck. 

Stattdessen fragte sie: "Kann man von allen Menschen die Akte lesen?" Marco sah sie fragend an. Offensichtlich wussten wir alle nicht, worauf sie hinaus wollte. "Ja, natürlich.", antwortete Marco. "Von wem willst du sie sehen?", fuhr er fort. 

"Grace und Vincent Evans", sagte Mimmi knapp.

Marco tippte die Namen ein und wartete einen Moment. Ich konnte aber erkennen, dass er schon mal anfing zu lesen. Seine Augen weiteten sich. Er schluckte und sah uns ernst an, begann dann aber zu sprechen:

"Mimmi, deine Eltern sind nicht bei einem Autounfall gestorben." 

Life with secrets and liesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt