Kapitel 10

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Mimmis Sicht 

Da ich mich erstmal zuhause wieder umziehen wollte, bevor ich mir Gedanken mache, wo ich schlafen konnte, betrat ich nun den Aufzug. Ich hatte keine Probleme, da ich ja diesen Männern meine Ersatzschlüsselkarte da gelassen und meine eigene hatte. Ich hoffte ja inständig, dass meine Möbel und alles noch da waren. 

Oben angekommen, öffnete ich die Tür und trat in meine Suite ein. Ich machte das Licht an und ging erstmal in die Küche, bedacht aber leise zu sein und niemanden zu wecken. Ich hatte Herzprobleme und musste daher jeden Tag Tabletten zu mir nehmen. Das Wasserglas stand schon auf der einen Arbeitsfläche der Küche und ich war im Begriff, meine Tablette zu nehmen. 

"Hände hoch oder ich erschieße dich hier und jetzt.", drang eine Stimme in meinen Kopf. Warte was? Das war doch die Stimme von Milan. Ich war so geschockt, dass das die Stimme von Milan war, dass ich gar nicht mehr daran dachte, mich umzudrehen. Ich war wie in einer Starre. 

"Hände hoch und umdrehen.", sprach Milan nun deutlicher und strenger. Mit erhobenen Händen drehte ich mich langsam zu Milan um, der vor der Couch stand und die Waffe auf mich richtete. Perplex sah ich ihn an. Wieso zum Teufel hatte er eine Waffe? War er ein Verbrecher? Shit, ich wusste es, traue niemals Fremden. 

Als Milan nun sah, dass ich es war, die einfach nur nach Hause kam, nahm er seine Waffe runter und versteckte sie hinter seinem Rücken. "Oh hey, du bist ja wieder da.", sagte er unschuldig und mit einem gefälschten Lächeln. War das sein Ernst? Er hatte eben noch eine Waffe auf mich gehalten. "Hey? Ernsthaft? Du zielst mit einer Pistole auf mich und sagst hey?", gab ich etwas geschockt und leicht pissig von mir.   

Aufgrund unseres kleinen Vorfalls ging nun auch meine Schlafzimmertür auf und ein verschlafener Marco und etwas wacherer Diego kamen heraus. "Was ist denn hier los?", fragte Diego, sah dann aber die Waffe hinter Milans Rücken und verstummte. "Bist du eigentlich von allen guten Geistern verlassen? Wieso hältst du eine Waffe hinter deinem Rücken?" Diego machte eine kurze Pause, sprach dann aber weiter: "Sag mir nicht, es ist das, wonach es aussieht?"

"Ach, wonach sieht es denn aus? Dass dein Kumpel eine Waffe auf mich hält und dann so tut, als wäre nichts passiert? Weil Überraschung, das ist gerade der Fall.", sagte ich ein wenig aufgebracht. Die zwei hinterfragten nicht mal, wieso er überhaupt eine Waffe hatte. 

Diego seufzte. Ich atmete einmal tief aus und widmete mich dann aber dem Wasserglas. Ich nahm meine Tablette ein und trank einen Schluck Wasser dazu. "Was ist das für eine Tablette?", sprach Milan in einem ruhigen, aber ernsten Ton. "Kopfschmerzen.", sagte ich knapp und verschränkte meine Arme vor der Brust. Als ob ich denen sagte, dass ich unter Herzproblemen litt... 

Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Milan hatte mit einer Waffe auf mich gezielt und seine Freunde fanden das völlig normal. Wo war ich nur wieder rein geraten? Wäre ich doch bloß an ihnen vorbei gelaufen und hätte mich nicht an den Empfang gesetzt und ihnen geholfen. 

"Lüg mich nicht an.", kam es bestimmend von Milan auf meine Aussage mit der Kopfschmerztablette. Ich verdrehte die Augen: "Ich lüge nicht, ich habe Kopfschmerzen, da der Tag sehr anstrengend war." Das war nicht mal ganz gelogen. Er nickte verstehend, ehe er weiter sprach: "Das heißt du nimmst die Tabletten nicht ein, weil du unter Herzproblemen leidest?" Diego schaute ihn mahnend an. "Milan, lass den Scheiß.", fügte er noch hinzu. 

Shit, shit, shit. Wie hatte er das denn bitte erfahren? Vor allem wieso wussten das hier alle im Raum? Ich sah ihn nur geschockt an. "Ich habe doch gesagt, du sollst mich nicht anlügen.", sprach Milan ernst und nahm die Waffe wieder hinter seinem Rücken vor. Ich schluckte. Ich war erledigt. Das wars, ich hätte nicht nach Hause kommen sollen. Wäre ich doch bloß in der Bar geblieben oder wäre wenigstens zu Vanessa gegangen. Die Gedanken schossen durch meinen Kopf und ich sah alle drei nur geschockt und ängstlich an. 

Milan allerdings war tiefenentspannt und legte die Waffe wieder in eine seiner Taschen. Ich atmete hörbar erleichtert aus. Er sah zu mir: "Denkst du ernsthaft, ich würde dich erschießen?" Ich schluckte. "Gegenfrage, woher wisst ihr von meiner Herzkrankheit? Keiner weiß davon.", sprach ihn nun ehrlich. 

Marco und Diego sahen beide zu Milan und warteten ebenfalls auf eine Antwort seinerseits. Entweder sie wussten auch nicht, woher er das wusste oder sie wussten es ganz genau und warteten, ob er mir eine ehrliche oder gelogene Antwort geben würde. 

"Um dir wenigstens deine Angst zu nehmen, nein, ich würde nicht auf dich schießen.", sprach er und Erleichterung machte sich in mir breit. Er fuhr fort: "Und um dir deine Frage zu beantworten, in deiner staatlichen Akte steht alles über dich drin." 

Marco, Diego und ich schauten Milan geschockt an. "Aber...", weiter sprach ich nicht. Nicht weil ich so geschockt war, nein, ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich wusste nicht, was mich sprachloser machte, die Tatsache, dass sie irgendeine Akte von mir gelesen hatten oder dass sie Zugriff darauf hatten. 

Ich stand nun also da, in der Küche, keine Ahnung was ich machen sollte und sah die drei an. Dass alle oberkörperfrei waren und nicht viel trugen, fiel mir jetzt erst auf. Beschämt sah ich nun weg. Ich musste erstmal klare Gedanken fassen und ging auf mein Schlafzimmer zu. Diego und Marco, die vor der Tür standen, gingen zur Seite und ich ging ins Zimmer. Kurzerhand nahm ich mir eine dünne Jacke und zog mir diese über. Es war nicht kalt draußen, aber ich wollte nicht so freizügig in der Nacht rumlaufen. 

Als ich wieder aus dem Schlafzimmer trat, verstummte das Gespräch der drei. "Wo willst du hin?", fragte mich Milan. "Weg von euch, ihr seid doch krank, bedroht mich mit einer Waffe und wisst Dinge über mich, die keiner wissen sollte.", sprach ich und wollte gehen. Doch Milan kam mir zuvor und schnappte sich mein Handgelenk. "Lass mich verdammt nochmal los.", sprach ich fast schon flehend.  

Doch Milan dachte nicht daran, stattdessen sah er mich durchdringend an. "Was ist das?", fragte er und schaute auf meine Wange. Auch das noch. Das hatte ich total vergessen, meine Wange war entweder noch rot oder mittlerweile angeschwollen. 

"Es gab eine Schlägerei in der Bar und ich habe eingegriffen. Ich habe ihn zuerst geschlagen und habe es damit wahrscheinlich auch verdient.", antwortete ich ihm etwas leiser und lachte leise auf, um es zu verharmlosen. Er ließ mein Handgelenk los und holte etwas zum Kühlen aus dem Gefrierschrank. Er kam wieder zu mir und gab mir das Kühlpack: "Hier, Liebes." 

Ich nahm es dankend an und er sprach weiter: "Wenn ich den finde, der dir das angetan hat, ist er tot." Ich riss erschrocken meine Augen auf. "Was? Nein. Hier wird keiner umgebracht, es reicht schon, dass du mit einer Waffe auf mich gezielt hast. Der Typ hat Hausverbot bekommen, also ist das Thema erledigt."

"Viel wichtiger ist doch, wer ihr bitte seid. Ihr habt Waffen bei euch und wisst Sachen über mich, die keiner weiß.", sagte ich fast schon verzweifelt und stellte mich einen guten Meter weiter weg von ihnen. "Wer seid ihr und was wollt ihr von mir?", fragte ich nochmal nach, weil keiner Anstalten machte, mich aufzuklären. 

Stille. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so fehl am Platz gefühlt. Keiner sagte etwas. Die drei schauten sich nur immer mal wieder an. Keiner von ihnen wollte mir erzählen, was nun Sache war. Woher sie das mit meiner Krankheit wussten, wieso sie Waffen bei sich hatten und wer sie überhaupt waren. Ich nickte. "Gut, dann sind wir hier auch fertig.", holte ich die drei wieder in die Realität zurück. 

Ich nahm also die Schlüsselkarte und wollte aus der Tür rausgehen. Doch Milan griff wieder nach meinem Handgelenk. Ich sah ihm in die Augen und fragte mich wirklich, was in ihm vorging. 

"Also gut, setz dich und wir werden dir deine Fragen beantworten.", sprach Milan und sah mich dabei intensiv an. 

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