Kapitel 18

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Eventuell TW da es sich kurz um mögliche Selbstmordgedanken handelt!

Mimmis Sicht

In der Uni war es wirklich sterbenslangweilig. Man konnte den Vorlesungen zwar gut zuhören, aber trotzdem verging die Zeit einfach nicht. Das war eigentlich immer so.

Wobei ich sagen konnte, dass ich froh war, Psychologie zu studieren. Man lernte viel über andere Menschen und konnte teilweise auch ihr Verhalten deuten. Das konnte sehr hilfreich sein, gerade wenn man die Person vor sich fast gar nicht kannte.

Das half mir tatsächlich auch im Hotel oder in der Bar. Je nachdem wie die Personen vor mir tickten, konnte ich mein Verhalten und meine Art anpassen. So kam es weniger zu Problemen.

Ich war gedankenversunken und geistig gar nicht im Raum, doch die Stimme meines Dozenten holte mich wieder ins Hier und Jetzt zurück: "Miss Evans, wären Sie bitte so nett und würden mir die Frage beantworten?"

Leise schluckte ich, denn ich hatte wirklich gar nicht zu gehört. "Entschuldigen Sie Professor, aber könnten Sie möglicherweise die Frage noch einmal wiederholen?", versuchte ich, nett und gleichzeitig höflich zu fragen.

Zu meinem Glück war er heute mal nicht schlecht gelaunt und wiederholte daher seine Frage. "Ich habe gefragt, wie Sie den Hauptcharakter einschätzen würden, den wir letzte Vorlesung kurz kennengelernt haben. Den aus unserem Buch, erinnern Sie sich?"

"Ach so, ja klar, ich erinnere mich. Ich denke mal, dass sie eine sehr leicht verletzbare Person ist. Bei ihren Freunden tut sie stark, doch in ihr herrscht das reinste Chaos. Die Freude ihrerseits ist wahrscheinlich eine Fassade, hinter der sie sich versteckt. Wie wir erfahren haben, hat sie auch sehr viel durchgemacht. Jedoch redet sie nicht darüber. Dies könnte ein Schutzfaktor sein, der eigentlich automatisch eintritt. Sie möchte keinem zur Last fallen oder beunruhigen. Ihre Trauer und Gebrochenheit kann sie allerdings gut verstecken. Ich denke mal, würde sie einem von uns auf der Straße begegnen, könnte keiner sagen, dass dieses Mädchen eine so tragische Geschichte durchlebt hat. Ihre Freunde bemerken es schließlich auch nicht."

"Sehr schön, Miss Evans. Wie denken Sie, geht es weiter mit ihr?", fragte mich wieder mein Dozent.

"Eine schwierige Frage. Theoretisch könnte alles passieren. Vielleicht bemerken ihre Freunde irgendwann ihre Trauer und können ihr helfen. Vielleicht aber bemerkt es keiner und sie geht daran kaputt. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Autorin sich in dem Buch für ein tragisches Ende entschieden hat. Vielleicht endet die Geschichte damit, dass sie sich von einer Brücke in den Tod stürzt, weil sie es nicht mehr aushält. Oder aber sie packt ihre Sachen und verlässt die Stadt oder gar das Land. Wie gesagt, man kann nichts ausschließen, da viele Menschen immer für eine Überraschung gut sind."

Mein Dozent staunte nicht schlecht, da er damit wahrscheinlich nicht gerechnet hatte. Zudem wirkte ich ja vorher ziemlich abwesend. Ein leichtes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. "Es freut mich sehr, dass Sie doch so dabei sind, obwohl das anfangs nicht so wirkte, Miss Evans."

Ich erwiderte sein Lächeln und er widmete sich wieder dem gesamten Kurs zu: "Das wars dann auch für heute mit den Vorlesungen. Ich wünsche Ihnen noch einen erholsamen Tag."

Alle packten ihr Zeug zusammen und auch ich verstaute meine Sachen in meiner Tasche. Mit schnellen Schritten machte ich mich zur nächsten Bushaltestelle. Wir hatten bereits 13:10 Uhr und ich musste um 14:30 Uhr wieder am Empfang im Hotel sein. Heute morgen hatte mir nämlich mein Onkel gesagt, dass ein Mitarbeiter krank wäre und deswegen übernahm ich diese Schicht.

Normalerweise musste ich mittags bzw. nachmittags nicht arbeiten, wenn ich vorher in der Uni war, aber ich wollte auch irgendwie nicht nein sagen. Zudem hatte ich immer noch das Gefühl, als würde ich meinem Onkel etwas schulden. Er war immer für mich da und unterstützte mich überall, wo er nur konnte.

Während der Busfahrt hörte ich Musik und erst da fiel mir auf, dass ich heute noch gar nicht an die Jungs gedacht habe. Gut, bis auf heute morgen, als ich sie gesehen habe. Aber sie haben ja noch geschlafen. Was sie wohl gerade machten? Hatte alles mit dem Frühstück geklappt oder hatten sie es erst gar nicht versucht? Waren sie überhaupt noch da oder haben sie das Hotel verlassen, nachdem was gestern passiert ist?

Fragen über Fragen. Aber ich würde es ja dann sehen. Nur was wünschte ich mir, dass sie noch da waren oder dass sie wieder weg waren und ich meine Ruhe hatte?

Während ich darüber nachdachte und die Musik mich entspannen ließ, bemerkte ich dann doch, dass es anfing zu regnen. Eigentlich komisch, da wir Sommer hatten und es da eigentlich nie regnete. Das gab wahrscheinlich noch ein Gewitter... Na super.

Ein komisches Gefühl machte sich in mir breit. An sich hatte ich nichts gegen Regen, aber Gewitter waren dann doch ein wenig zu viel. Zumal es im Sommer ja eigentlich nicht gewittern sollte.

Konzentriert auf die Musik, die ich hörte, bemerkte ich gar nicht, dass der Bus an meiner Haltestelle vorbei fuhr. Na super, auch das noch. Naja, dann eben die nächste Haltestelle. Das war kein Grund, sich direkt die Laune verderben zu lassen.

Die nächste Haltestelle bekam ich zum Glück mit und stieg aus. Die warme aber auch nasse Mittagsluft kam mir entgegen und ich atmete einmal tief durch.

Der Regen war zum Glück noch nicht so stark, sodass es relativ angenehm war nach Hause zu laufen. Auch wenn der Weg jetzt länger war, machte es mir nichts aus. Solange ich rechtzeitig am Empfang sitzen würde, war alles gut.

Im Hotel angekommen, ging ich geradewegs zu einem der Mitarbeiterräume. Dort hatte ich mein eigenes Fach mit Arbeitsklamotten.

Die Dienstkleidung war zum Glück nicht so freizügig wie in der Bar. Unsere Arbeitsklamotten bestanden aus einer schwarzen Jeans und einem weinroten Poloshirt. Auf diesem war auch in schwarz unser Hotellogo aufgestickt.

Die Kleidung variierte allerdings, je nachdem wo man arbeitete. Da ich am Empfang war und somit Kundenkontakt hatte, musste ich natürlich anständig aussehen.

Da ich noch Zeit hatte, bevor meine Schicht begann, wollte ich schnell in die Küche gehen und mir noch was zum Essen holen. Doch soweit kam ich gar nicht, denn als ich den Mitarbeiterraum verlassen wollte, kam mir Vanessa entgegen.

"Oh mein Gott, Mimmi. Dich habe ich gesucht!", sagte sie freudig zu mir. "Okay, deine überhebliche Freude macht mir Angst. Was ist los?", fragte ich leicht lachend.

"Wieso hast du mir denn nicht erzählt, dass du einen Freund hast?", stellte sie leicht beleidigt und schmollend ihre Frage. "Ich hab einen was?", fragte ich sie deutlich überfordert.

Sie lachte nur: "Komm schon, Milan hat alles erzählt, du kannst dich nicht mehr rausreden."

Was tat er? Wieso zum Teufel sagte er, dass er mein Freund wäre? Was dachte er sich dabei?

Doch um groß darüber nachzudenken, war keine Zeit. Schneller als gedacht reagierte ich: "Tut mir ja leid, dass ich nichts erzählt habe, aber er wollte es erstmal geheim halten."

"Komisch, ich dachte, du wolltest es nicht an die große Glocke hängen? Also das hat er so gesagt.", erwiderte sie mir.

"Ach so, äh ja, wir wollten es beide erstmal nicht sagen, aber scheint so, als hätte er seine Meinung geändert... Weißt du, wo er gerade ist?", fragte ich sie, um das Gespräch möglichst schnell zu beenden.

Sie schien kurz zu überlegen. "Keine Ahnung, ruf ihn doch an.", meinte sie. "Gute Idee.", antwortete ich ihr und verschwand dann aus dem Raum.

Beim Rausgehen bemerkte ich, dass ich ja gar nicht die Nummer von Milan oder den anderen zwei hatte. Shit. Was sollte ich bitte Vanessa sagen?

So gut es ging, versuchte ich ein Telefonat vorzutäuschen und verschwand aus der Sichtweite von Vanessa, da sie auch den Raum verlassen hatte.

Da mir nichts anderes einfiel, versuchte ich mein Glück erstmal in meinem Zimmer. Eine andere Idee hatte ich erstmal nicht, also betrat ich mit schnellen Schritten den Aufzug. Milan konnte was erleben. Erst sauer auf mich sein wegen was auch immer und dann sagen, dass ich seine Freundin wäre. Wahrscheinlich.

Oben angekommen, öffnete ich die Tür zu meiner Suite. Doch anstatt Milan oder Diego und Marco vorzufinden, sah ich nur einen aufgeräumten Wohnbereich. Ihre Taschen waren weg und es sah alles so aus wie immer.

Wieso war hier alles ordentlich und vor allem wieso waren sie weg?

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