Kapitel 41

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Milans Sicht

"Was soll das heißen, sie ist weg?", fragte ich Diego aufgebracht, der soeben in mein Büro kam. "Ja weg halt, sie ist gestern Abend irgendwann gegangen.", entgegnete er. "Wie kann sie denn bitte einfach so aus dem Haus spazieren, hier stehen überall meine Männer.", fluchte ich.

"Was guckst du denn so blöd?", fragte ich ihn sauer und sah ihn abwartend an. Er kratzte sich am Hinterkopf. "Naja, Mimmi hat mit einem deiner Männer geredet und ist danach erst gegangen.", faselte er so vor sich hin. Wütend stand ich von meinem Schreibtischstuhl auf, sodass dieser etwas nach hinten rollte. "Mit wem genau?", fragte ich leicht bedrohlich.

"Milan, nein, das kannst du vergessen. Ich werde hier sicher keinen Namen sagen.", meinte er. "Oh doch, damit ich ihn abknallen kann.", erwiderte ich wütend. "Hörst du dir denn selbst zu? Du knallst hier keinen deiner Männer ab und weißt du auch wieso? Wir haben schon viele Männer verloren, weil die meisten bei unserem letzten Versuch Mario zu schnappen drauf gegangen sind. Also nein, du bekommst keinen Namen.", legte er ehrlicherweise die Karten auf den Tisch.

Ich setzte mich wieder auf meinen Stuhl und schnappte mir das Glas Bourbon, das auf meinem Schreibtisch stand. Mich regte auf, dass Diego Recht hatte. Ja, wir waren unterbesetzt. Aber trotzdem wussten alle meine Männer, dass Mimmi das Haus nicht verlassen durfte. Und trotzdem hat sie es geschafft, sogar zwei Mal. Dieses Mädchen machte mich echt fertig.

Diego setzte sich gegenüber von mir hin und sah mich ernst an: "Was sollen wir nun tun?" Er klang ein wenig verzweifelt. Verständlich, er meinte, dass Mimmi wie eine kleine Schwester für ihn geworden sei. Es hätte so einfach sein können, wenn wir beide nicht so einen Dickkopf gehabt hätten.

"Besprechung in 10 Minuten. Alice dürfte zwar gerade in einem Telefonat sein, aber das soll sie beenden. Sag ihr das so von mir, bitte.", gab ich die Anweisung und Diego verließ sofort mein Büro.

Ich machte mich direkt auf in unseren Besprechungsraum, damit wir keine Minute verschwenden würden. Denn nicht mal 10 Minuten später waren Diego, Izzy und Alice bei mir.

"Wieso ist keiner deiner Männer da?", fragte mich Izzy, nachdem sie bemerkt hatte, dass es wohl nur wir vier waren. "Irgendeiner von ihnen hat Mimmi einfach so rausspazieren lassen, deswegen möchte ich keinen sehen.", entgegnete ich.

"Du weißt aber, dass wir eine Dienstliste haben, wo die Namen drauf stehen?", mischte sich Alice ein. Izzy und Diego sahen geschockt zu ihr rüber und auch Alice bemerkte, dass sie das eher nicht hätte sagen sollen.

"Ja, ich weiß. Aber ein weiser Mann hat mir gesagt, dass ich nicht noch einen meiner Männer umbringen soll, also möchte ich keine Namen wissen.", antwortete ich. Direkt hörte man das erleichterte Aufatmen von allen drei und Diego konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

"Also...", meinte ich und schaltete das Hologramm, was die Stadt zeigte, an. "Da das kleine Miststück gestern Abend nach ihrem eigenen Willen gehandelt hat, ist sie jetzt weg.", fing ich an und erhielt für diese Aussage schon mal einen leichten Schlag von Izzy auf den Oberarm. "Wir reden hier immer noch von Mimmi, also pass gefälligst auf deine Wortwahl auf.", meckerte sie mich an.

"Und was schlägst du vor, sollten wir nun tun?", wollte Diego wissen. "Wir dürfen die Sache mit Mario nicht vergessen.", ergänzte er noch. "Ja, ich weiß.", erwiderte ich etwas leiser und nachdenklicher. "Dass Mario erneut gedroht hat, war nur um Panik zu verbreiten. Wie wir hier sehen, ist er irgendwo in der Ecke. Also weit genug entfernt.", meinte ich und deutete auf den roten Punkt auf dem Hologramm, der anzeigte, wo sich Mario momentan befand.

"Hast du Mimmi von seiner Drohung erzählt?", fragte mich Izzy. Ich zuckte mit den Schultern: "Hätte erstens eh nichts gebracht und zweitens warst du ja dabei, als sie nach Hause kam. Da hatte ich dann auch keinen Nerv mehr mit ihr zu reden."

"Unsere kleine Miss Sonnenschein dachte auch, sie sei schlau und hat die Uhr wieder ausgeschaltet. Blöd aber, dass wir ihren genauen Standort immer noch haben. Nur halt Nachrichten und Anrufe gehen nicht durch.", erklärte ich.

"Wo ist sie denn gerade?", fragte mich Izzy und ich zeigte wieder auf das Hologramm. "Rot ist Mario, grün sind wir und Mimmi ist der blaue Punkt. Sie ist also gerade Zuhause.", sagte ich.

"Ich könnte ein paar Männer hin schicken, die sie abholen. Es sei denn du würdest es lieber selbst machen.", meinte Alice und sah mich fragend an. "Nein. Ich lasse ihr erstmal ihre Ruhe, solange Mario ihr nicht zu nahe kommt, ist alles okay. Trotzdem möchte ich, dass ein paar meiner Männer ihr auf Schritt und Tritt folgen. Dann können wir wenigstens im Notfall eingreifen. Ansonsten soll sie denken, dass sie das erreicht hat, was auch immer sie bezwecken wollte mit ihrem Verschwinden.", entgegnete ich.

Alice schrieb alles fein säuberlich mit und auch bei Diego und Izzy merkte man, dass ihnen die Situation wichtig war. "Und der Geburtstag deiner Tante am Wochenende?", warf Izzy in den Raum. Bei den Worten verspannte ich mich unwillkürlich. Daran hatte ich ja noch gar nicht gedacht. Schließlich hatte ich meiner Tante versprochen, dass ich mit Mimmi kommen würde. Wenn ich dann ohne sie da wäre, würden nur Fragen aufkommen.

"Dafür überlege ich mir noch etwas. Eigentlich führt kein Weg dran vorbei - Mimmi muss mit nach Sizilien kommen.", sagte ich und ging in Gedanken schon mal alle Möglichkeiten durch. Eigentlich müsste ich mit ihr nochmal reden und das in einem normalen Tonfall. Aber dafür war ich mir momentan noch zu stolz. Schließlich ließ ich mir nicht einfach so ins Gesicht lügen. Also bitte, wer war ich denn?

"Wird sie freiwillig mitkommen?", fragte Diego. Er schien besorgt zu sein. "Je nach dem.", entgegnete ich und erntete dafür einen misstrauischen Blick seinerseits. Aber es stimmte, je nachdem wie Mimmi sich verhielt, würde sie freiwillig mitkommen oder aber ich müsste sie zwingen. Dürfte dann zwar alles andere als schön werden, aber sie sollte wenigstens noch über den Geburtstag meiner Tante meine Freundin spielen.

"Also gut, ich fasse noch einmal zusammen.", fing ich an. "Wir lassen Mimmi erst einmal da, wo sie ist. Sie soll denken, dass sie das erreicht hat, was sie wollte. Wir werden sie vorerst nicht wieder mitnehmen, aber ein paar meiner Männer werden auf sie aufpassen. Sobald Mario aber in der Nähe ist, tritt der Notfallplan ein, den wir schon vor längerem besprochen haben. Um den Geburtstag meiner Tante kümmere ich mich, macht euch da keine Gedanken darüber. Verstanden?", fasste ich unser Gespräch zusammen.

Alle drei bestätigten mir mein weiteres Vorgehen und ich entließ sie aus der Besprechung. Als ich danach in die Küche ging, sah ich Leo, der an der Kücheninsel saß und einen Apfel aß.

Als er mich bemerkte, fing er sofort an, sich zu entschuldigen: "Milan, es tut mir leid, dass sie weg ist, das ist doch nur meine Schuld." In seiner Stimme lag Reue und er wirkte aufgebracht. Wow, in all den Jahren habe ich ihn noch nie so erlebt.

Ich setzte mich zu ihm. "Dass sie gegangen ist, ist nicht deine Schuld. Klar, es war eine wirklich scheiß Aktion von euch, aber im Grunde genommen hat sie dir ja nur geholfen. Du kannst nichts dafür, dass Mimmi und ich uns gestritten haben.", versuchte ich ihm zu erklären.

"Aber woher wusstest du davon? Also ich meine das Gespräch mit meiner Lehrerin.", fragte er. "Naja, wir waren ja bei den Russo Brüdern wegen den Geschäften, deswegen bin ich auch nicht dran gegangen, als sie angerufen hat. Ich habe es nicht mitbekommen. Aber nachdem ihr offensichtlich gegangen seid, hat Mrs. Humphrey nochmal angerufen und da bin ich dann dran gegangen. Daher wusste ich, dass Mimmi bei ihr war.", antwortete ich ihm. Er nickte.

"Mach dir keine Sorgen, Mimmi wird wiederkommen.", versuchte ich ihn zu beruhigen und verließ die Küche wieder.

Im Wohnzimmer saß Diego und sah mich erwartungsvoll an. "Hast du Leo oder dich selbst mit deinem letzten Satz beruhigt?", fragte er geradewegs heraus. "Diego, mein Freund, du gehörst leider zu denen, die nicht wissen, wann sie ihre Klappe zu halten haben. Aber mach dir nichts draus, da kenne ich so einige. Du bist nicht allein.", sagte ich mit einer so ruhigen und entspannten Stimme, dass ich selbst verwundert war.

"Sie ist weg. Ich habe es verkackt. Das sollte ich mir langsam eingestehen.", meinte ich etwas leiser.

"Du hast dich in sie verliebt, nicht wahr?", stellte Diego fest.

"Du weißt doch, Mafiabosse wie ich verlieben sich nicht.", sagte ich und verließ wieder das Wohnzimmer.

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