Kapitel 40

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Milan, Diego und Izzy kamen aus dem Wohnzimmer und sahen Leo und mich mit einem ernsten Blick an. "Wo zur Hölle wart ihr?", kam es von Milan und er musste sich beherrschen, nicht gleich auszurasten.

"Spazieren.", entgegnete ich ihm unsicher, doch meine Antwort klang eher als Frage. "Ah sehr interessant, dann hast du dir also nicht mein Auto ausgeborgt, um zu Leo in die Schule zu fahren, da die Lehrerin schon wieder etwas zu meckern hatte?", schnauzte er mich an.

"Die Lehrerin hatte was zu meckern?", fragte ich ganz unschuldig nach und zog mir meine Schuhe dabei aus.

"Mimmi, verdammt.", meinte er mit so einem Zorn in seiner Stimme, dass ich zusammen zuckte. Zudem schlug er mit der flachen Hand auf den Türrahmen, dass sogar alle anderen erschraken. "Denkst du ernsthaft, dass ich so blöd bin?", sagte er.

Shit. Fangfrage oder erwartete er eine Antwort? "Alle meine Autos haben einen GPS Peilsender. Also lüg mir verdammt nochmal nicht ins Gesicht.", erklärte er mir immer noch im selben Tonfall wie davor.

"Und woher willst du wissen, dass ich mit seiner Lehrerin ein Gespräch hatte?", fragte ich ihn geradewegs heraus. Von Diego, der hinter Milan stand, kam nur ein Kopfschütteln, dass ich es lassen sollte. "Hm, lass mich kurz überlegen. Vielleicht weil mich seine Lehrerin immer anrufen soll, wenn es etwas gibt.", meckerte er mich wieder an.

"Dann geh das nächste Mal doch gleich dran und lass nicht auf dich warten. Dann hätte ich es nämlich nicht übernehmen müssen, weil keiner da war.", meckerte ich zurück. "Milan, das ist meine Schuld, ich hätte nicht schon wieder eine Schlägerei anfangen sollen.", mischte sich nun auch Leo ein, um mich zu verteidigen.

"Nein, Leo! Der werte Herr hier müsste einfach nur mal an sein verficktes Handy gehen, wenn man ihn braucht.", sagte ich zu Leo, sah dabei aber Milan an. "Oh, tut mir leid, dass ich nicht rund um die Uhr erreichbar bin, aber ich habe auch anderes zu tun, als die ganze Zeit auf dich aufzupassen!", schrie Milan mich an.

"Gott, ich war doch nur kurz in der Schule, du tust ja gerade so, als hätte ich sonst was getan. Außerdem brauchst du mich nicht die ganze Zeit beschützen. Du siehst doch selbst, dass mir nichts passiert ist. Und Marco hat doch selbst gesagt, dass Mario am anderen Ende der Stadt ist! Also wo verdammt nochmal liegt dein scheiß Problem?!", schrie ich auch wieder zurück.

"Mein Problem bist gerade du!", schrie er mich an.

Wow. Cool. Da hat man einem kleinen Jungen geholfen, dass er keinen Schulverweis bekommt, was eigentlich Milans Aufgabe gewesen wäre, und wurde dann so angemeckert.

"Fick dich doch, Milan.", meinte ich und beendete die Konversation. "Mimmi, du bleibst verdammt nochmal hier, wenn ich mit dir rede.", schrie er mir noch hinterher, doch ich ließ mich nicht beirren. Mit schnellen Schritten lief ich die Treppe weiter nach oben und dann in mein Zimmer.

Das konnte doch wohl nicht sein Ernst sein? Vor allem wegen was war er denn jetzt genau sauer? Wegen seinem Auto? Dem Gespräch mit Mrs. Humphrey? Wegen der Schlägerei? Dass er immer auf mich aufpassen musste? Jeder sagte, Frauen seien unverständlich, dann haben die aber sicher noch nicht Milan kennengelernt.

Wütend und traurig zugleich saß ich an der Tür, die ich abgeschlossen hatte. Meinen Kopf legte ich auf meine angewinkelten Knie. Ich musste einfach mal in Ruhe über alles nachdenken. "Mama, Papa, ich vermisse euch.", flüsterte ich zu mir selbst. Sie hätten mir bestimmt gesagt, was ich machen sollte.

Doch ich wollte einfach nicht runterkommen, die Wut gewann an Oberhand. Ich war sauer, sehr sogar. Aber in diesem Zustand konnte ich einfach nicht klar denken. Ich musste hier raus. Nein, ich musste hier weg. Komplett.

Mit diesem Gedanken legte ich mich in mein Bett und versuchte zu schlafen. Es war zwar noch hell und erst früher Nachmittag, doch ein Mittagsschläfchen schadete ja keinem.

Das Klingeln meines Handys weckte mich wieder und ich hielt für einen kurzen Moment die Luft an, als ich sah, wer mich da anrief. "Hallo, mein lieblings Onkel.", sagte ich und versuchte nicht zu verschlafen zu klingen. "Na sieh mal einer an, wer von den Toten zurückgekehrt ist. Mimmi, schön dich mal wieder zu hören.", entgegnete mir mein Onkel.

"Gleichfalls, ich habe dich echt vermisst.", antwortete ich ihm wahrheitsgemäß. "Ich wollte euch aber gar nicht lange aufhalten, ich bin mir sicher, ihr habt besseres zu tun. Aber sag mal, wann bist du wieder da? Dein Fehlen macht sich im Hotel echt bemerkbar und außerdem kaut mir Vanessa die ganze Zeit das Ohr ab.", meinte er und ich musste lachen. Das war typisch für Vanessa.

"Heute Abend, heute Abend bin ich wieder da.", beantwortete ich ihm seine Frage. "Heute Abend schon?", fragte er ungläubig. "Ja, heute Abend.", versicherte ich ihm. "Dann quatschen wir heute Abend, Mimmi.", meinte er und in seiner Stimme lag Freude. "Ja... heute Abend...", mit diesen Worten legten wir auf.

Okay Mimmi, jetzt gab es kein Zurück mehr. Jetzt musste ich das durchziehen. Ich hatte es nun meinem Onkel versprochen und ihn dann nochmal anlügen, wollte ich nicht. Also hieß es wohl: abwarten und den passenden Moment erwischen. Schließlich würde Milan mich nicht einfach gehen lassen. Wobei, nach dem Streit wäre ich mir gar nicht mal mehr so sicher. Aber darauf ankommen lassen würde ich es nicht. Zudem musste ich auf Milans Männer aufpassen, die ja auf dem ganzen Grundstück verteilt standen.

Also stand ich vom Bett auf und war im Begriff mir alles, was ich brauchte, zusammen zu suchen. Doch mein Blick fiel auf die Kommode, die sich neben der Tür befand. Es war ein kleines Päckchen und ein handgeschriebener Zettel. Ich las zuerst den Zettel.

Hey, ich weiß, dass du gerade sauer bist, aber schau mal in die Schachtel rein :) -Izzy

Komisch, was sie wohl meinte? Doch ich schwor mir eins, egal was drin war, es würde meine Meinung nicht ändern - ich würde zu meinem Onkel gehen.

Ich legte die kurze Nachricht von Izzy beiseite und wandte mich dem Päckchen zu. Vorsichtig öffnete ich es und betrachtete den Inhalt. Es war eine Smart Watch. Wieso sollte mir Izzy sowas geben? Ohne groß nachzudenken zog ich mir die Uhr an und drückte neben auf den An-Knopf.

Nach einigem Rumtippen fiel mir dann auch auf, was der Zweck dahinter war. In den Kontakten waren alle Nummern drin. Die von Milan, Diego, Izzy und auch Marco, plus viele mehr. Zudem hatte Izzy noch einen Zettel dazu getan.

Gut, du hast die Schachtel geöffnet. Kurze Erklärung, auf der Uhr sind alle wichtigen Nummern, das heißt, du kannst uns nun alle erreichen. Ja, auch Milan. Die Uhr funktioniert wie ein Handy, du kannst telefonieren, texten und auch wichtige Dokumente aufrufen. In irgendwelchen Meetings oder auch Verfolgungen sind die ganz hilfreich. Zudem ist ein Hologramm von LA drin, wie du es bei einer Besprechung schon gesehen haben musst. Marco war auch so gut und konnte den ungefähren Standort von Mario einbauen. Das ist aber eine Frage der Zeit bis es nicht mehr geht. Bei Fragen melde dich einfach bei mir, kannst ja anrufen :) -Izzy

Okay, also so ein High-Tech Ding war das. Wenn das wirklich so gut war, konnte man damit auch meinen Standort verfolgen. Also lieber wieder ausschalten. Keine Ahnung, ob das dadurch was bringen würde, aber lieber versuchen anstatt gar nichts machen.

Aber eigentlich hatte ich ja etwas anderes vor: das Zeug zusammensuchen, was ich brauchte. Meine Klamotten wechselte ich von schick zu bequem. Naja gut, bequem war vielleicht das falsche Wort, praktisch traf es mehr. Ich nahm mir eine schwarze Jeans, ein weißes Top und eine schwarze dünne Jacke aus dem Schrank, falls es frischer werden sollte.

Als es dann endlich dunkel war und ich die Flure gecheckt hatte, verließ ich mit leisen Schritten mein Zimmer. In Milans Büro brannte Licht, was mich darauf schließen ließ, dass er dort beschäftigt war.

Unten war auch keiner zu sehen, nur in der Küche hörte man, dass Madam Rosa aufräumte. Ich zog mir die Sportschuhe an, die mir Izzy gegeben hatte, da diese auch bequem waren und öffnete die Tür. "Kommen Sie aber nicht zu spät wieder nach Hause, Mr. Sánchez.", rief Madam Rosa aus der Küche und ich habe mich beinahe zu Tode erschreckt. Sie dachte, ich sei Milan?

Als ich vor dem Tor stand, wurde ich von einem Mann, der zu Milan gehörte, abgehalten. "Und Sie sind?", sprach der Mann, der einem Schrank glich, mit tiefer, aber ruhiger Stimme. "Mimmi, Mimmi Evans. Ich müsste durch.", sprach ich so mit Entschlossenheit, dass der Mann keine Widerrede gab. Das Tor öffnete sich.

Kurz darauf blickte ich nochmal auf das Anwesen zurück, ehe ich mich wieder umdrehte und in der Dunkelheit verschwand.

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