Kapitel 37

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Mittlerweile ist eine weitere Woche vergangen. Eine weitere Woche, die ich hier war. Eine weitere Woche, in der ich nicht Zuhause war. Und um ehrlich zu sein, ich vermisste meinen Onkel und auch Vanessa. Generell meinen Alltag, das Arbeiten im Hotel und in der Bar. Außerdem, was ich nie gedacht hätte, vermisste ich die Uni. Ich hatte Psychologie gewählt, da es mich interessierte und mein Herz irgendwie daran hing.

Doch nun war das hier mein Leben. Fast die ganze Woche habe ich mit Izzy trainiert und meine Verteidigung und meinen Angriff geübt. Sie meinte auch, dass ich mich total verbessert hätte und man merken würde, dass das Training wirklich etwas brachte.

Mit Milan habe ich eher weniger trainiert, dafür mehr mit Leo. Er war gut und konnte mir auch viel beibringen. An sich war das Training mit ihm immer sehr entspannt und produktiv, doch er hatte nie so viel Zeit, da er Schule hatte.

Es war Montag, Leo war in der Schule und normalerweise wäre ich um diese Uhrzeit auch in der Uni. Naja, wenigstens konnte ich ausschlafen.

Madam Rosa war so lieb und hat mir Frühstück ins Zimmer gebracht. Und so lag ich da, mit einer Jogginghose und einem Top im Bett und schaute Fernsehen.

Allerdings kam nichts Spannendes. Es gab nur einen kleinen Unfall auf der Autobahn, bei dem aber niemand schwer verletzt wurde.

Nach einer weiteren Weile sinnlos rum liegen und in den Fernseher starren, beschloss ich aufzustehen und mich fertig zu machen. Nachdem ich die ganze letzte Woche eigentlich nur Sportklamotten trug, wurde es höchste Zeit für etwas besseres.

Als ich durch den Kleiderschrank stöberte, der begehbar war, fiel mir direkt eine schwarz weiß gestreifte Hose ins Auge. Kurz überlegte ich, ob diese nicht zu warm war, aber da sie locker war, müsste es gehen. Zudem griff ich noch nach einem einfachen schwarzen Oberteil.

Izzy war so lieb und hat den Kleiderschrank mit verschiedenen Sachen gefüllt. Von Oberteilen, Hosen, Röcken bis hin zu verschiedenen Accessoires, die zu allem passten.

Fertig angezogen und zurechtgemacht, betrachtete ich mich vorm Spiegel. Das Outfit passte total zu mir, genauso wie meine langen Haare, die mir locker über die Schulter hingen.

Zufrieden ging ich nun die Treppe runter, vielleicht würde ich ja Milan sehen, denn ich wollte mal mit ihm sprechen. Schließlich war ich gefühlt seit Ewigkeiten hier eingesperrt und wollte endlich mal wieder raus. Vielleicht mal shoppen oder in ein Café.

Doch als ich unten niemanden fand, wurde ich skeptisch. Wo waren denn alle? Mein Gefühl wurde allerdings schnell wieder beruhigt, als Madam Rosa aus der Küche kam.

"Hallo, Schätzchen. Wie ich sehe, sehen Sie heute bezaubernd aus. Gibt es irgendeinen Anlass?", fragte mich die ältere Frau mit einem Lächeln im Gesicht.

"Eigentlich nicht wirklich, aber mir war mal danach. Madam Rosa, wissen Sie, wo alle sind?", stellte ich ihr direkt meine Frage.

Sie schien für einen kurzen Moment zu überlegen. "Mr. Sánchez und die anderen haben schon sehr früh am Morgen das Haus verlassen, wo genau sie aber hin wollten, weiß ich leider nicht.", erwiderte sie.

"Okay, schon gut, dankeschön.", antwortete ich ihr und wollte wieder hoch gehen. Doch sie hielt mich auf: "Mimmi, Schätzchen, hast du denn einen bestimmten Wunsch zum Essen oder etwas, was ich dir mitbringen kann vom Einkaufen? Ich wollte jetzt los.", wollte sie von mir wissen.

Kurz musste ich überlegen, da ich normalerweise nicht so oft einkaufen ging. Ich aß ja größtenteils immer im Hotel. "Wenn Sie schon fragen, vielleicht Schokolade, ich glaube, wir haben keine mehr.", meinte ich.

"Sorte, Marke und Preis sind egal oder haben Sie da auch einen besonderen Wunsch?", fragte mich wieder die ältere Dame und ich wunderte mich echt, dass sie Preis sagte. Ich nahm immer die billigste und gut war.

"Das ist egal.", entgegnete ich und musste lächeln. "Okay, dann bis später.", verabschiedete sie sich und verließ mit noch ein paar Männern das Haus.

Also war ich nun wirklich alleine. Milan und die anderen waren weg, Leo in der Schule und Madam Rosa war nun einkaufen.

Kurz gesagt hatte ich mich eigentlich umsonst fertig gemacht und konnte wieder in mein Bett fallen.

Doch als ich wieder hoch gehen wollte, wurde ich erneut von meinem Vorhaben unterbrochen. Diesmal war es das Telefon, was mich aufhielt. Schnell ging ich ins Wohnzimmer und betrachtete das Telefon, auf dem eine Nummer stand, die nicht eingespeichert war.

Sollte ich dran gehen? Was, wenn es wichtig war? Doch was, wenn es nicht für meine Ohren bestimmt war?

Da mich nun aber mehr Menschen als gedacht als Milans Freundin kannten, nahm ich mir das Recht und nahm den Hörer ab.

"Hallo?", war allerdings das einzige, was ich herausbrachte. "Hallo, Mrs. Humphrey hier, die Lehrerin von Leo. Ich wollte mit Mr. Sánchez reden. Bin ich hier richtig?", wollte sie wissen.

"Ja, Sie sind richtig. Ich bin seine Frau Mrs. Sánchez. Kann ich Ihnen weiter helfen?", versuchte ich so höflich wie möglich zu klingen. Die Frau schien kurz zu stutzen. "Ehm, ja, ich denke schon. Mr. Sánchez geht nämlich nicht an sein Handy und er meinte ich soll immer anrufen, wenn irgendwas mit Leo sei.", erklärte sie mir.

"Okay, was ist denn mit Leo?", wollte ich wissen. "Naja, ich weiß nicht, ob Sie und ihr Mann schon mal darüber gesprochen haben, aber Leo hatte wieder eine Auseinandersetzung mit einem anderen Schüler.", versuchte sie mir ihren Grund des Anrufs zu erklären.

"Und Auseinandersetzung heißt?", fragte ich sie vielleicht etwas genervt, aber der Frau musste man ja wirklich alles aus der Nase ziehen. "Leo hatte eine Schlägerei und daher würde ich Sie bitten, in die Schule zu kommen, sodass Sie ihn danach nach Hause fahren können.", kam sie dann doch schneller als gedacht auf den Punkt.

Unsicher was ich tun sollte, stimmte ich dann doch zu. Normalerweise kümmerte sich ja Milan um Leo, doch wenn Milan nicht an sein Handy ging, musste ich das wohl übernehmen. Ich würde ihn ja selbst anrufen oder es auch bei Diego versuchen, doch ich habe weder vom einen noch vom anderen die Nummer. Das sollte ich Milan wohl auch mal sagen, für einen Notfall wäre es gut, ihn erreichen zu können.

Also hieß es für mich nun, in die Schule zu fahren. Mrs. Humphrey war noch so lieb und hat mir die genaue Adresse der Schule genannt. Zum Glück hat sie in der Hinsicht keinen Verdacht geschöpft.

Von Milans Männern war weit und breit keiner mehr zu sehen, deswegen schnappte ich mir einen Autoschlüssel und betrat die Garage. Ich staunte nicht schlecht, als ich die ganzen teuren Autos sah. Er hatte ja mal mehr als nur genug Auswahl.

Schließlich entschied ich mich für einen Lamborghini. Der war schwarz, gar nicht klischeehaft für die Mafia. Schmunzelnd setzte ich mich ins Auto und musste erstmal staunen. Ich wusste vorher schon, dass mich jeder auf der Straße anschauen würde. Doch das war mir in dem Moment egal, wann sonst würde man so eine Chance bekommen?

Vielmehr machte ich mir Sorgen wegen Milan. Wie würde er reagieren, wenn er erfuhr, dass ich mir eins seiner Autos geliehen habe?

Egal. Ich fuhr also durch die gefüllten Straßen Los Angeles, die montags um die Mittagszeit sowieso voller waren als sonst. Vor der High School auf einem Parkplatz machte ich Halt. Ich war froh, vor der Fahrt mir noch eine Sonnenbrille eingepackt zu haben. Schließlich sollte ich ja als Milans Frau durchgehen und nicht als jemand, der theoretisch noch selbst zur Schule gehen könnte.

Ich zog die Sonnenbrille auf und nahm mir noch meine Handtasche aus dem Auto. Die Blicke der Schüler konnte ich regelrecht auf mir spüren, doch ich ignorierte diese gekonnt.

In dem Gebäude angekommen suchte ich nach dem Klassenraum 14B, der nach Mrs. Humphreys Anweisung im Ost-Flügel lag. Durch die ganzen Schilderungen in der High School konnte ich den Raum zum Glück auch relativ schnell finden.

Vor dem Raum angekommen, klopfte ich an die Tür und wurde mit einem "Herein" von Mrs. Humphrey reingelassen.

Ich blickte mich in dem Klassenraum ein wenig um und sah direkt Leo, der genervt am Fenster lehnte. Na super, der hatte ja gute Laune.

Doch die Dame, die mich freundlich anlächelte, sagte zu mir: "Setzen Sie sich doch bitte." Sie deutete auf den freien Stuhl, der vor dem Lehrerpult stand. "Ich nehme mal an, Sie sind Mrs. Sánchez?", fragte mich die Lehrerin.

Und sofort drehte sich Leo zu uns. Er sah mich misstrauisch an und ich hoffte inständig, dass er mich nicht verraten würde.

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