Kapitel 57

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Immer noch fassungslos sah ich Marios Tattoo an. Man konnte es nicht abstreiten - es war ein und dasselbe Symbol. "Aber wie ist das möglich?", fragte ich, während meine Augen ein wenig feucht wurden. Schließlich dachte ich, dass eigentlich alle aus meiner Familie tot seien, bis auf meinen Onkel.

"Das verändert natürlich die ganze Situation.", nuschelte Mario zu sich selbst und atmete tief durch. "Es ist möglich. Nur deutlich schlimmer, als du dir vorstellen kannst.", meinte er und lief aus dem Raum.

Kurz überlegte ich, einfach stehen zu bleiben, entschied mich dann aber doch dazu, mit ihm zu gehen. Schnellen Schrittes folgte ich ihm durch den steinigen Kellergang. Wir gingen mal rechts und auch mal links. Ich hatte den Eindruck, als wäre dieser Keller ein riesiges Labyrinth, aus dem man es niemals raus schaffen würde.

Doch Mario kannte ja den Weg, er ging vor und schaute immer mal wieder, ob ich noch da war. Komischerweise wirkte er aber nun angespannter und nicht mehr so locker wie vorher. Sollte ich nicht diejenige sein, die sich komisch verhält? Schließlich wurde ich entführt und habe mal eben so erfahren, dass der Feind meines Freundes mit mir verwandt war.

Stimmt, was war Mario eigentlich jetzt für mich? Cousin? Bruder? Oder doch wer anderes? Eigentlich hätte ich ihn das ja jetzt schon fragen wollen, allerdings sagte mir mein Bauchgefühl, dass das gerade kein guter Zeitpunkt war.

Als wir die Treppe, die hoch ins Haus führte, erreichten, lief Mario zielstrebig in den ersten Stock, wo das Wohnzimmer lag. "Bleib da und lauf bitte nicht weg.", befahl er mir, ehe er wieder verschwand. Na gut, blieb mir ja eh nichts anderes übrig.

Das Wohnzimmer war im Vergleich zu Milans Wohnzimmer recht klein. Wenn man in das Zimmer kam, befand sich an der rechten Wand ein Fernseher. Alles hier war in Grau- und Schwarztönen gehalten, was einen schicken, aber auch traurigen Eindruck machte. Ich setzte mich auf die hintere Couch und wartete bis Mario wieder kam. Währenddessen betrachtete ich den Glastisch vor mir, der die eine Couch von der anderen trennte. Dieser war mit leichten Goldverzierungen geschmückt, was total edel wirkte.

Ich schreckte ein wenig zusammen, als ein fremder Mann den Raum betrat. Er musterte mich. "Solltest du nicht gefesselt in einem Kellerzimmer liegen?", meinte er. "Solltest du dich nicht lieber aus Angelegenheiten, die dich nichts angehen, raushalten?", entgegnete ich trocken. Doch keinen Moment später bereute ich meine Aussage.

"Hör mal zu, du freches Ding. Wenn es nach mir gehen würde, wärst du ja schon längst unter der Erde oder wenigstens unter mir.", fing er an, doch er wurde unterbrochen. "Es geht aber nicht nach dir, also lass sie gefälligst in Ruhe oder willst du, dass das Ganze unschön für dich endet?", entgegnete Mario ruhig, aber bedrohlich, und legte mein Kleid und Tasche auf die Couch.

Der Typ sagte allerdings nichts mehr, sondern verschwand genauso schnell, wie er hergekommen war. "Mach dir keine Sorgen wegen ihm, er sagt viel, setzt aber nie irgendwas in die Tat um. Und wenn doch, wird er das ganz schnell bereuen.", sagte Mario, während er gegenüber von mir auf der Couch Platz nahm. "Gut zu wissen, danke.", gab ich etwas kleinlaut von mir.

Viel mehr interessierte mich allerdings die Schatulle, die Mario auf den Glastisch gestellt hatte. "Was ist das?", fragte ich ihn und sah ihn erwartungsvoll an. "Diese Schatulle hat mir mein Onkel vor vielen Jahren gegeben. Er meinte, ich könne und solle diese erst öffnen, wenn ich den Schlüssel dazu gefunden habe. Ich dachte immer, er hätte den Schlüssel irgendwo versteckt und ich müsste ihn suchen, doch ich glaube, dies ist auf etwas anderes bezogen.", erklärte er.

"Darf ich?", fragte ich und deutete auf die Schatulle. Er nickte. Ich nahm sie vom Tisch und betrachtete sie genauer. Die Schatulle war ganz aus Holz und oben war mein Familienwappen eingebrannt. Mit einem misstrauischen Blick begutachtete ich das Schloss, welches allerdings nicht üblich aussah.

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