Das Geheimnis der Elbin

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Der Himmel über dem Gebirge hatte sich lila verfärbt und kündigte die kommende Nacht an. Auch der Wind hatte leicht zugenommen und blies durch die Ritzen und Felsspalten des Gebirgzugs. Für diese Jahreszeit war es erstaunlich ruhig im Gebirge. Nicht einmal Vögel zeigten sich.

Nein. Das einzige, was zuhören war, war das knistern eines Feuers, das in einer kleinen Höhle vor sich hin loderte. Neben dem kleinen Feuer saß eine schlanke Gestalt. Die Beine hatte sie dicht an den Körper gezogen und die Arme um die Knie geschlungen. Mit einem beinahe hypnotisierten Blick starrte sie in die Flamen vor sich. Die spitzen Ohren, die aus dem dunkelbraunen, fast schwarzen Haar hervorlugten, ließen erkennen, dass es sich bei der Gestalt um eine Elbin handelte. Einzelne, verwirrte Haarsträhnen hingen ihr ins Gesicht, auf dem die Schatten des Feuers tanzten.

Sie trug Reisekleidung elbischer Art, die schon etwas an Glanz verloren hatte. Einen dunkelgrünen Umhang mit Kapuze, eine schwarze Hose, ein braunes Oberteil und braune Stiefel.

Der Name der Elbin war recht gewöhnlich. Auch, wenn sie selbst es nicht war.

Tiara.

Doch während Tiara am Feuer saß und ihren Gedanken nachging, kamen die Feinde immer näher....

Nicht weit von der Höhle entfernt durchquerte eine Orkmeute das Gebirge Richtung Osten. Die grässlichen Kreaturen waren auf Wargen unterwegs, deren Brüllen und Fauchen ausreichte, um die Elbin aus den Gedanken zu reißen.

Ohne zu zögern sprang sie auf, lief zum Höhleneingang und lauschte angestrengt in die Ferne, während ihre Augen nach der Quelle der Geräusche suchten. Es dauerte auch nicht lange und schon ertönte weiteres Gebrüll.

Doch anstatt Angst zu zeigen, lächelte die Elbin geheimnisvoll. Mit ihren grünen Augen suchte sie in der Ferne nach dem Feind. Und wirklich. Bald schon konnte sie Umrisse von Wargen und deren Reiten erkennen.

Ihr Blick wanderte zu ihren Füßen. Sie stand am Rande einer tiefen Schlucht. Viele Meter breit, hunderte Meter tief. Dort hinüber zu kommen war eine Sache der Unmöglichkeit.

Es sei denn, man trug ein Geheimnis mit sich. Ein sehr großes Geheimnis.

Tiara schloss ihre Augen. Ihre Gedanken vermischten sich zu einem Strudel aus Emotionen...
Ihr Blut raste durch ihren Körper...
Sie fühlte die Hitze in sich aufsteigen...

Und dann... lies sie sich in die Schlucht fallen.

Ihr Körper fiel Meter für Meter in die Tiefe. Doch die Elbin hielt ihre Augen weiterhin geschlossen. Ein heller Strudel entstand um sie herum und verschluckte sie vollständig.

Die Orks, die von keinem geringeren als Azog dem Schänder angeführt wurden, waren mittlerweile sehr nahe gekommen. Doch plötzlich brachte Azog seinen Warg zum stehen und gab den Orks ein Zeichen, ebenfalls anzuhalten. Er rümpfte die Nase und knurrte etwas auf einer fremden Sprache. Dann fiel sein Blick auf das Feuer, das in der kleinen Höhle brannte. Mit einem einzigen Zeichen machte er einigen seiner Wargreiter klar, dass sie die Höhle durchsuchen sollten.

Die Orks rissen ihre Warge herum und lotzten sie zur Klippe, auf deren anderer Seite sich die Höhle befand. Fünf Warge rannten auf die Klippe zu, die sie überspringen wollten.

Doch dann geschah das Unmögliche.

Noch bevor der erste Warg zum Sprung ansetzten konnte, schoß ein riesiges helles Tier aus der Schlucht hervor, flog einige Meter hinauf in Richtung Himmel und lies sich dann wieder fallen. Mit einem lautem dumpfen Geräusch landete das gigantische Tier am Rand der Klippe. Direkt vor den Orks.

Azog sah geschockt auf das Wesen, das man nun deutlich erkennen konnte.

Es war ein Drache.

Ein weißer Drache, der vom Kopf bis zum Schweif mindesten 10 Meter lang war. Grüne, grelle Augen starrten feindselig auf die Orks hinab. Der lange Schweif des Drachens pendelte langsam hin und her. Kleine graue Stacheln ragten aus seinem Rücken hervor und reichten bis ans Ende des Schweifes. Ein tiefes Knurren kam aus dem großen Maul des Tieres, in dem messerscharfe Zähne saßen.

Drachenherz in Mittelerde Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt