Wo ist Tauriel?

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Nachdem Thranduil die Ratsversammlung, wie manche sagten, überstürzt verlasen hatte und auch nach mehreren Minuten nicht zurück gekehrt war, hatte Legolas sich auf die Suche nach seinem Vater gemacht. Im Korridor hatte er ihn nicht angetroffen. Genauso wenig wie Taram. Auch in seinem Arbeitszimmer war der König nicht. Etwas irritiert ging der Prinz zurück in den Versammlungsraum und durchquerte dabei den Thronsaal, wo er seinen Vater allerdings auch nicht antraf.

Nachdem der Kronprinz mit den Beratern des Königs eine weitere halbe Stunde gewartet hatte, erschien Thranduil endlich wieder.

"Mein König, wo seit ihr gewesen?" fragte einer der Berater sofort, doch der angesprochene winkte ab.
"Das tut nichts zur Sache. Wo waren wir stehen geblieben?" fragte Thranduil kühl und ließ sich auf dem großen Stuhl am Kopfende des Tisches nieder.

Nachdem das Ende der Versammlung eingetroffen war, zog sich Thranduil sehr schnell zurück. Auch die königlichen Berater verließen den Raum. Genau wie Legolas. Dieser machte sich sofort auf den Weg Richtung Stallungen, um nachzuschauen, ob sein Hengst wieder in seiner Box stand.
Dies war auch der Fall. Der Schimmel stand dort wo er hin gehörte. Aber er wirkte sehr nervös und schnaubte verärgert. Beruhigend legte der Prinz ihm die Hände sanft über die Augen, damit sich das Tier etwas beruhigte.

"Was hast du, mellon nin?" murmelte Legolas leise.
Baros schnaubte erneut.

Irgendetwas hatte sein Pferd. Das Problem war nur, dass Legolas zwar manchmal die Gefühle Baros' verstand, jedoch nicht seine Gedanken lesen konnte.

Irgendwann entschied er sich dafür, Tauriel aufzusuchen. Er wollte wissen, wie der Ritt verlaufen war und ob es Bilbo und Tiara gut ging.

Doch als der Prinz an Tauriels Gemächern ankam, und feststellte, das die rothaarige Kriegerin nicht da war, stuzte er. Normalerweise müsste sie hier sein. Denn Wachdienst hatte sie erst wieder bei Sonnenaufgang. Das wusste er. Aber wenn sie nicht hier war, wo war sie dann? Gedankenverloren ging er den Gang entlang Richtung Thronsaal, als ihm Taram entgegen kam. Diese Chance nutzte der Prinz.

"Taram" rief er dem Elben nach, der gerade in einen Seitengang abbiegen wollte. Taram drehte sich um, kam aber nicht auf Legolas zu.

"Mein Prinz" er verbeugte sich knapp, "was kann ich für euch tun?"
"Eine Menge" meinte Legolas nur und blieb vor ihm stehen. Taram sah ihn nur ausdruckslos an.
"Du könntest mir zum Beispiel sagen, was du vorhin von meinem Vater wolltest" fuhr der Prinz fort, als Taram noch immer nichts sagte.
"So leid es mir tut, mein Prinz. Euer Vater wollte nicht, das ich mit jemand anderem darüber Rede" antwortete der Düsterwaldelb ausdruckslos.
"Das galt höchstwahrscheinlich Soldaten und Bauern. Aber ich bin der Stellvertreter des Königs. Also, ich höre"
Legolas wurde ungeduldig. Es konnte doch nicht sein, das Soldaten Geheimnisse vor ihm, dem Prinzen, hatten.

"Euer Vater sagte ausschließlich, dass auch ihr nichts davon wissen sollt" entgegnete Taram nun mit angespannter Stimme. Seine Augen hatten ein seltsames Funkeln, das Legolas gar nicht gefiel.
"Das kann ich mir kaum vorstellen" sagte der Prinz mit hochgezogenen Augenbrauen und musterte Taram genau.
"Fragt den König, wenn ihr mir nicht glaubt" erwiderte der Soldat mit schrägem Lächeln und wollte weiter gehen. Doch Legolas hielt ihn zurück.

"Eins noch, Taram. Hast du eine Ahnung, wo Tauriel ist?" rief Legolas dem Elb hinterher.
Taram blieb stehen und drehte sich erneut um.
"Das letzte mal sah ich sie bei der Verfolgung der Zwerge"

Mit diesen Worten verschwand er im dunklen Gang und ließ einen, enttäuschten und auch etwas genervten Legolas zurück. Tarams Verhalten hatte sich seit einigen Wochen komplett geändert. Nur wusste der Prinz nicht woran es liegen konnte.

Als Legolas im Thronsaal ankam, fand er dort nur Dalion den Diener vor, welcher Tauriel geholfen hatte, Bilbo fort zubringen. Er war ein aufgeweckten junger Elb und Legolas mochte ihn sehr.

"Mein Prinz" Dalion verbeugte sich, "was kann ich für euch tun?"
"Du kannst mir eine Frage beantworten" antwortete Legolas mit gedämpfter Stimme. Dalion nickte.
"Du hast Tauriel geholfen aus dem Palast hinaus zu kommen, nicht wahr?"
Wider nickte Dalion.
"Hast du sie zurückkehren sehen?" fragte Legolas weiter.
Dalion schüttelte den Kopf. "Nein, tut mir leid. Ich habe sie seit dem nicht gesehen. Warum fragt ihr?"
"Weil mein Pferd zwar wider im Stall ist, ich aber Tauriel nirgendwo finden kann" antwortete der Prinz leise.
"Verstehe. Wenn ich sie sehe, werde ich euch bescheit sagen" versprach der junge Diener.
"Danke" meinte Legolas nur noch, ehe Dalion den großen Saal verließ.

Draußen begann der Himmel langsam einen lilanen Farbton einzunehmen. Und kurz darauf erreichten die ersten Sonnenstrahlen die Baumwipfel. Nun würde Tauriels Schicht am Haupttor beginnen. Doch wie Legolas befürchtet hatte, staden dort zwei andere Wachen.
Auf die Frage, ob die wussten, wo die Kriegerin war, zuckten sie nur die Schultern.

Es verging der ganze Morgen, ohne das der Prinz seine Suche aufgab. Und immer noch war keine Spur von Tauriel aufgetaucht. Auch Dalion, der Legolas inzwischen drei mal über den Weg gelaufen war, verneinte jedes mal, wenn Legolas ihn nach der Elbenkriegerin fragte.

Irgendwann entschied sich Legolas dafür, zu seinem Vater zu gehen und ihn nach der Elbin zu fragen. Und auch die Störung des Rates interessierte den Prinzen sehr. Sicher, Thranduil würde es noch verdächtiger finden, wenn er jetzt nach Tauriel Fragen würde. Aber er machte sich einfach zu große Sorgen. Sie musste doch wieder zurück gekehrt sein. Immerhin war Baros ja auch da...

"Ich muss zu meinem Vater" sagte Legolas knapp, als er vor dessen Arbeitszimmer stand. Die Wachen nickten sich nur zu, klopften und öffneten die Tür, nachdem von innen ein genervtes "ja bitte" zu hören war. Der Prinz trat ein.

"Vater"
Legolas nickte dem König kurz zu als dieser von seiner Arbeit auf sah.
"Legolas" erwiderte dieser etwas Überrascht, "wie komme ich den zu der Ehre?" meinte er gespielt interessiert.
"Ich komme aus Zwei Gründen" begann der Prinz, "Erstens. Die Unterbrechung der Ratsversammlung. Wo warst du? Was hat Taram dir gezeigt?" fragte Legolas und versuchte nicht neugierig zu klingen. Es gelang ihm auch sehr gut. Seine Stimme hörte sich fast so an, wie die Thranduils. Kalt und eisig.

Thranduil hob die Augenbraue, lies sich allerdings nichts anmerken.
"Interessante Frage. Wie lautet die zweite?" erwiderte er.
"Hast du eine Ahnung, wo sich Tauriel zur Zeit aufhält?" fragte der Prinz knapp.

Nun begann Thranduil leicht zu lächeln.
"Zwei sehr gute Fragen, mein Sohn. Was hat Taram dazu veranlasst die Ratsversammlung zu stören? Und wo befindet sich Tauriel?" wiederholte der König die beiden Fragen und sah seinen Sohn mit geheimnisvollem Funkeln im den Augen an.

"Wirst du mir diese Fragen beantworten oder nicht?" fragte Legolas etwas genervt.
"Nur Geduld, Sohn. Ich werde dir beides beantworten. Aber nicht mit Worten" entgegnete der König kühl und stand auf. Legolas musterte ihn kritisch von der Seite.
"Wo willst du hin?" fragte er seinen Vater.
"Dorthin, wo du deine Antworten findest" meinte der König nur und öffnete die Türen.

Legolas folgte seinem Vater immer weiter und tiefer in den Palast hinein. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Aber ihm war es recht. Hauptsache er bekam endlich seine Antworten.

als Thranduil bei den tiefsten Kerkern stehen blieb, stuzte Legolas leicht.
"Was wollen wir hier?" fragte er verwirrt.
"Das wirst du gleich sehen" antwortete Thranduil mit eisiger Stimme, nahm eine Fackel aus ihre Halterung und drückte sie Legolas in die Hand. Dann ging er auf die letzte Zelle zu und deutete in sie hinein.
Immer noch etwas irritiert warf Legolas seinem Vater einen Blick zu und näherte sich dann der Zelle. Bevor der Schein der Fackeln in das Verlies hinein leuchten konnte, rief Thranduil noch: "Du wolltest doch wissen, wo ich war und wo sie ist"

Das Licht des Feuers fiel in die kleine Zelle hinein und beleuchtete die rothaarige Elbin, welche an der hinteren Wand saß. Für einen Moment glaubte Legolas zu träumen. Doch als sie auf blickte und den Prinzen aus traurigen, grünen Augen ansah, wusste er, dass dies unmöglich ein Traum sein konnte.
Legolas war so durcheinander, dass er nur ein Wort heraus bekam:

"Tauriel"

Drachenherz in Mittelerde Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt