Als Tiara am nächsten Morgen aus der Höhle trat, blendeten sie die ersten Sonnenstrahlen des Tages. Sie kniff die Augen zusammen und lies ihren Blick über die Berge schweifen. Als ihr Blick im Osten hängen blieb, wurde ihr schwer ums Herz. In dieser Richtung lag der Düsterwald. Ihre ehemalige Heimat. So gern würde sie den großen Wald wieder sehen, auf den Lichtungen die Sonne genießen oder ihr altes Dorf besuchen. Aber es war ihr nicht gestattet. Zu groß war die Angst vor dem König.
Tiara warf diesen trüben Gedanken beiseite und atmete die frische Luft ein. Eine Drossel landete auf einem Felsen nahe des Höhleneingangs und zwitscherte munter. Tiara drehte sich um und lächelte. Langsam näherte sie sich dem kleinen Tier.
"Na, kleiner Freund, wohin soll ich gehen? Wieder nach Lorien? Oder doch nach Bree?" fragte sie leise. Die Drossel sah sie nur kurz an. Dann flog sie plötzlich davon. Tiara sah ihr hinterher. Aber als sie sah, wohin sie flog, stockte ihr der Atem. Von den Bergen aus konnte sie sehr weit sehen. So konnte sie auch, weit am Horizont, den Düsterwald erkennen. Und dahinter einen einsamen entlegenen Berg. Der Erbor.
Tiara kannte die Geschichte um den Berg seit ihrer Jugend. Und sie wusste auch, was es hieß, das ein Vogel Richtung Erebor flog. Der rechtmäßige König war unterwegs um seine Heimat von Smaug zurück zu erobern. Smaug, dieser Name.... Für Tiara war Smaug nichts weiter als ein Tyrann. Er hatte die Zwerge, gegen die die junge Elbin persönlich nichts hatte, ihrer Heimat beraubt. Aber er war auch einer von Tiaras Volk. Das konnte zwar jeder anders sehen, doch da Tiara auch die Gestalt eines Drachen annehmen konnte, gehörte sie zu ihnen. Zu den Großen Drachen aus Mittelerde.
"Der König unter dem Berg" murmelte sie leise und sah in die ferne.
Tiara beschloss, nun, da sie schon mal in der Nähe war, ihren alten Bekannten und Freund Beorn aufzusuchen. Dort würde sie, wenn sie Glück hatte, ein paar Tage bleiben können.Zur gleichen Zeit brachen die dreizehn Zwerge, angeführt von Thorin Eichenschild, von Beorns Haus auf. Auch der Zauberer Gandalf war dabei. Und Bilbo Beutlin, der Hobbit. Beorn war froh, die Zwerge aus seinem Haus zu haben. Nun hatte er endlich wieder Ruhe. Doch da hatte er leider falsch gedacht. Denn keine drei Stunden später kam erneut ein Besucher. Beorn, der gerade am Holzhacken war, richtete sich auf, als er eine bekannte Stimme hinter sich hörte.
"Wie kommt es, das du immer mit Holz arbeitest, wenn ich komme?" fragte Tiara und ging mit langsamen Schritten auf den Hautwechsler zu.
Beorn sah die junge Elbin einen Moment wütend an. Dann lachte er aber laut auf.
"Das" sagte er laut,"ist mein Lebenswerk. Und das, meine liebe, gebe ich nicht so schnell her"
Tiara grinste.
"Das weiß ich doch, mein alter Freund. Für dich ist das Holz wie ein Lebewesen. Und für mich, sind die Bäume Lebewesen" antwortete sie.
Beorn stellte seine Axt neben eine Bank.
"Es ist schön, dich mal wieder hier zu sehen, Tiara. Obwohl ich sagen muss, das du ziemlich nahe an der Grenze bist" brummte Beorn.
"Ich weiß. Es war auch eigentlich nicht meine Absicht, meiner.... früheren Heimat so nahe zu kommen. Aber... Irgendetwas zog mich hier her" entgegnete Tiara in Gedanken versunken.
"So so" grummelte Beorn, "dann komm doch erst mal rein. Du musst hungrig sein".
Mit diesen Worten ging er zur Tür seines Hauses und bot Tiara mit einer Handbewegung an, einzutreten.
Tiara lächelte und folgte der Einladung.Beorn machte schnell etwas Ziegenmilch auf ein Feuer heiß und goss sie dann in einen Krug. Diesen bot er dann der Elbin, zusammen mit Brot und Honig an. Tiara, die fast am verhungern gewesen war, nahm es dankend an. Während sie aß, fühlte sie, wie ihre Kräfte stärker wurden.
"Weißt du, eigentlich hatte ich ja gehofft, nun mal eine Weile Ruhe vor Besuchern zu haben" sagte Beorn.
"Was meinst du?" fragte Tiara und nahm einen großen schluck Ziegenmilch.
"Erst vor ein paar Stunden sind Zwerge, die hier übernachtet haben, weitergezogen!" brummte der Hautwechsler. Tiara verschluckte sich beinahe an der Milch.
"Was? Zwerge? Wo sind sie hin?" fragte die Elbin sofort.
"Ja, Zwerge. Sie waren unterwegs zum Erebor. Bei ihnen war auch Gandalf der graue und ein Halbling" antwortet Beorn.
Tiara starrte auf die restliche Milch im Holzkrug. Die Drossel, die sie am Morgen in den Bergen gesehen hatte, hatte die richtige Botschaft verkündet. Die Zwerge würden ihr verlorenes Königreich von Smaug zurück erobern.
"War zufällig auch Thorin Eichenschild unter den Zwergen?" fragte Tiara.
"Ja, er hat seine Gefährten, zusammen mit Gandalf heute früh weiter geführt. Sie werden den Düsterwald durchwandern" antwortete Beorn.
"Sie werden was?" rief Tiara entsetzt.
"Ich habe sie gewarnt, das die Elben dort anders sind. Und das sie Zwerge nicht gerade mögen. Ich meine, ich kenne keinen aus deinem Volk, der Zwerge mag. Ausser dir natürlich" sagte Beorn.
Tiara stöhnte genervt auf. "
Warum hast du sie in den Düsterwald gehen lassen? Wenn Thranduil sie dort findet, sind sie Tod!" sagte sie mit erhobener Stimme.
"Das kann dir doch egal sein. Sei sich mal ehrlich. Die Menschen in der Seestadt sind besser dran, wenn es so beibt, wie es ist" meinte Beorn.
"Du kannst Zwerge vielleicht nicht ausstehen. Aber ich verdanke einem Zwerg mein leben. Hast du das etwa vergessen? Ich lasse nicht zu, das sie durch den Düsterwald ziehen. Wenn Thranduils sie dort sieht, sind sie Tod" sagte die junge Elbin laut.
"Ja und wenn er dich dort sieht, bist du Tod" brummte Beorn.
"Das Risiko gehe ich ein" sagte Tiara und ihre Augen blitzen auf.
"Tiara. Du bist verbannt worden. Wenn du zurück gehst, wirst du sterben. Das ist dir doch klar, oder?" fragte Beorn.
"Ja, das ist mir klar" entgegnete Tiara genervt.
"Und warum willst du dann gehen?" fragte Beorn.
Tiara sah in die Flammen des Feuers, das in einem Kamien brannte und sagte nur: "Wie gesagt, ein Zwerg rettete mir einst das Leben. Nun ist es an der Zeit, das Leben der Zwerge zu retten"
"Und dein eigenes Leben ist der Preis dafür?" brummte Beorn.
"Wenn es sein muss,....Ich werde sie aufhalten. Sie sollen einen anderen Weg zum Erebor nehmen" sagte Tiara und stand auf. "Danke für das essen, mein Freund"
"Du willst wirklich jetzt im den Düsterwald gehen?" fragte Beorn.
"Ja" sagte die Elbin nur und verließ Beorns Haus. Draußen sah sie sich um und suchte die richtige Richtung. Aber noch bevor sie die richtige gefunden hatte, kam Beorn hinter ihr her gelaufen.
"Du wirst sie nicht einholen. Sie haben Pferde von mir" brummte er.
Tiara stöhnte erneut genervt auf.
"Aber zu deinem Glück, habe ich noch eins" sagte Beorn und pfiff ein mal auf den Fingern. Ein leises gewieher schallte über die Lichtung. Und kaum einen Augenblick später trabte ein grauschimmel zu den beiden Freunden heran. Vor Tiara lies das Pferd den Kopf hängen. Vorsichtig strich die Elbin dem schimmel über die Nüstern. Tiara konnte zwar reiten, hatte aber noch nie ein Pferd besessen.
"Ihr Name ist Ramira" sagte Beorn und klopfte der Stute auf den Hals.
"Sie ist wunderschön" flüsterte Tiara und Stich sanft über den Hals des Tieres.
"Es ist gut, das du sie magst. Denn jetzt gehört sie dir" grummelte Beorn.
"Wiebitte?" verwirrt sah die Elbin Beorn an.
"Ich schenke sie dir. Sie ist schnell, stark und ihr Mutter kommt aus elbischer Zucht" erklärte der Hautwechsler. Tiara drehte sich zu ihm herum und konnte nicht anders.
"Danke" sagte sie leise und umarmte ihn kurz.
"Schon gut. Aber pass gut auf sie auf. Ach und wenn du die Zwerge findest.... Kannst du ihnen etwas von mir ausrichten?" fragte Beorn.
Tiara stieg mit Leichtigkeit auf Ramiras Rücken. Sie blieb ganz still stehen.
"Naürlich" meinte sie.
"Sage ihnen, wer auch immer meinen Vorat für den Winter aufgegessen hat, wird dafür aufkommen müssen" knurrte er.
Die Elbin verkniff sich ein kichern und nickte stattdessen.
"Ich wede es ihnen sagen" versprach sie. Dann tätschelte sie ihrer neuen Stute den Hals und galoppierte los. In Richtung Düsterwald.
DU LIEST GERADE
Drachenherz in Mittelerde
Fanfiction"Wo warst du in den letzten 50 Jahren?" "Auf der Flucht!" "Auf der Flucht vor wem?" "Vor deinem Vater!" Tiara kehrt nach 50 Jahren wieder in ihre ehemalige Heimat zurück, aus der sie einst verbannt wurde. Dem Düsterwald. Die Waldelbin ahnt noch n...