Zu spät?

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Der Ritt kam dem Sindar-Prinzen ewig lang vor. Denn die Sorge um Tiara wuchs von Minute zu Minute. Was würde sein Vater nur machen, wenn er die Elbin in die Finger bekam? Sie erneut verbannen? Sie foltern? Oder noch schlimmer... Sie töten?

Legolas bekam es mit der Angst zu tun. Allein die Vorstellung, sein Vater würde diese wunderschöne, kluge Elbin töten... Es war zu schrecklich.

Er musste sich eingestehen, dass er im Nachhinein doch mehr für Tiara Empfand, wie er am Anfang gedacht hatte. Er wusste auch nicht, was es genau war, was ihn zu Tiara hinzog. Er wusste nur, dass dieses magische, das in Tiara lebte, so kostbar war, dass es um jeden Preis beschützt werden musste.
So wie man manches mit dem Schwert beschützen müsste, so musste man anderes mit Liebe beschützen.
Tiaras Seele war so kostbar und rein. Zerbrechlich und doch so stark. So etwas musste einfach beschützt werden. In diesem Fall vor seinem Vater.

Legolas trieb Baros bis an seine Grenzen. Der Hengst schnaufte und schwitze. Aber sein Tempo verlangsamte sich nicht. Er spürte, dass sein Reiter in großer Sorge war. Das war eine der Eigenschaften der Elbenpferde, die Legolas besonders schätzte. Sie konnten die Gefühle ihrer Reiter so gut deuten, als könnten sie mit ihnen reden.

Als der Prinz durch das kurze Stück Moor ritt, glaubte er im Augenwinkel die Silhouette eines anderen Pferdes zu sehen. Kurz überlegte er, an zu halten und nach zu sehen, um wen es sich handelte. Womöglich war es Tiara. Aber nein,... Sie hatte ja kein Pferd mehr. Ihre Stute war beim Anblick des weißen Drachen getürmt.

Endlich, nach einem scheinbar endlosen Ritt, erreichte Legolas das Haus von Oroma. Doch ein Blick genügte, und schon ahnte Legolas etwas Grauenvolles.
Die Tür der Hütte stand weit offen und niemand war zu sehen. Keine Oroma. Keine Tiara. Kein Bilbo.

Der Prinz sprang von seinem Schimmel, ließ ihn achtlos stehen, stürzte auf das Haus zu und sprang in zwei Schritten die Treppen bis zur Tür hinauf.

"Tiara!"

Nichts.
Alles blieb ruhig.
Keiner war hier.
Weder Tiara, noch Bilbo oder Oroma.

Legolas' Atem stockte.
Sein Herzschlag beschleunigte sich dramatisch...

"Tiara" rief er erneut, doch wieder antwortete niemand.

Er war zu spät. Er hatte versagt. Wäre er doch nur etwas schneller gewesen. Jetzt war es zu spät. Sein Vater musste vor ihm hier gewesen sein. Er hatte Tiara. Keine Frage.

Verzweifelt und voller Wut trat der Prinz so fest gegen eine Holzkiste, das diese umfiel. Doch als er sah, dass neben vielen Büchern auch noch ein Hobbit aus der um gefallenen Kiste purzelte, stutzte er.

"Bilbo?" überrascht betrachtete der Prinz den Halbling, der sich erschrocken aufraffte.
"Legolas!" stieß Bilbo seufzend hervor, "Gott sei Dank bist du hier"
"Bilbo, was ist passiert? Wo ist Tiara? Und Oroma?" fragte er sofort, obwohl er sich die Antwort schon denken konnte.
"Thranduil hat sie. Er und dieser Taram. Sie haben Tiara mit einem Pfeil angeschossen. Er hat sie im Arm getroffen. Und dann... Dann ist sie bewusstlos geworden. Sie haben sie mitgenommen. Ich wollte ihnen folgen, aber sie sind zu schnell wieder verschwunden" erzählte Bilbo panisch.
"Er hat sie angeschossen? Wie lang ist es her? In welche Richtung haben sie Tiara und Oroma gebracht?" drängte Legolas, dem die Angst fast die Kehle zu schnürte.
Es war nicht die Angst vor seinem Vater. Sondern die Angst davor, was sein Vater mit Tiara anstellen würde.
Er hatte diese wundervolle Elbin schon einmal verloren. Damals, vor 50 Jahren. Er wollte sie kein zweites mal verlieren.

"Nach Norden, glaube ich. Auf jeden Fall Richtung Elbenpalast. Es ist noch nicht lange her. Eine viertel Stunde vielleicht. Oroma war nicht da, als sie kamen. Sie ist irgend so ein Moos suchen gegangen" antwortete Bilbo, welchen die Panik einfach nicht verlassen wollte.
Legolas war sofort klar, was zu tun war.

"Komm mit" sagte er und winkte Bilbo zu sich, als er die kleine Hütte wieder verließ.
"Wo willst du hin?" fragte Bilbo, während er dem Prinzen nach rannte. "Zurück zum Palast. Ich werde nicht zulassen, das mein Vater Tiara tötet" kam die Antwort des Elben zurück.

Bilbos Gedanken überschlugen sich. Tiara hatte doch irgendetwas über den Tod gesagt? Wie war das nochmal gewesen? Wenn sie in ihrem Elbenkörper getötet werden würde, dann würde sie sich in einen Drachen zurück verwandeln und alles vergessen. Eine schlimme Vorstellung wie Bilbo fand.
Er dachte kurz darüber nach, ob er es Legolas sagen sollte. Aber er ließ es schließlich doch bleiben. Immerhin hatte Tiara ihm noch nichts von ihrer Drachenseele erzählt.
Aber wie lange sie das noch geheimhalten konnte....?

Legolas hob Bilbo auf Baros Rücken. Dem Halbling wurde wieder schlecht, als er an den Höllenritt der letzten Nacht dachte. Es war das selbe Pferd, die selbe Strecke und das gleiche Gefühl. Der einzige Unterschied war, dass es nun nicht mehr Tauriel war, die hinter ihm saß, sondern Legolas.

Der Waldelb stieg hinter Bilbo auf sein Pferd und ließ dieses dann sofort los preschen. Der Hobbit klammerte sich krampfhaft am Sattel fest, um ja nicht noch einmal hinunter zu fallen.

Irgendwie etwas unnötig, dachte Bilbo genervt, ich wurde erst gestern hier her gebracht und nun reite ich schon wieder zum Palast zurück.

Aber alleine im leeren Haus warten, wollte er auch nicht.

Während der Schimmel durch den Düsterwald stürmte, berichtete Legolas über alles, was im Palast vorgefallen war. Der Hobbit war mehr als erstaunt darüber und versprach Legolas, dass er alles dafür tun würde, damit Tiara und Tauriel wieder frei kamen.

Nur, wie er das anstellen sollte, wusste er noch nicht....

Drachenherz in Mittelerde Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt