Was bedeutet Leben ? /Lando Norris FF/

70. Schutzengel.

"Ist die Familie von Mr. Norris schon eingetroffen?" Fragend schaute die Ärztin zu Zak. "Nein, sie müssten in einer Stunde ungefähr landen." Informierte Zak die Ärztin, die leicht nickte. "Okay, die anderen Fahrer sollten den Raum verlassen." Bestimmt schaute sie in die Runde und die anderen schüttelten mit ihrem Kopf. "Hier wird keiner den Raum verlassen, wir saßen hier nicht aus Spaß, weil wir unbedingt aus Neugier wissen wollten, was passiert ist. Wir saßen hier, weil Lando für uns Familie ist. Also nein, hier wird keiner diesen Raum verlassen!" Gab Daniel bestimmt von sich und die Ärztin seufzte. "Sie haben hier gerade die Entscheidungen zu treffen, da die Familie nicht vor Ort ist." Fragend schaute sie zu Zak der leicht seufzte. "Sie können hier bleiben, er hat recht. Ich würde sie ohnehin nicht hier herausbekommen." Die Ärztin nickte leicht. "Sie sollten sich setzen." Sofort setzte ich mich wieder neben Charles und schaute dann abwartend wieder zu der Ärztin. Wieso kann sie nicht einfach sagen, was los ist? Wieso musste sie uns so foltern? Es ist doch nicht so schwer auszusprechen. Entweder er lebt oder er lebt nicht.  Sie blätterte etwas durch die Papiere und schaute dann wieder zu uns hoch. "Mr. Norris liegt jetzt in der Aufwachstation. Er hat hart gekämpft, es sah stellenweise wirklich nicht gut um ihn aus. Wir konnten die innere Blutung stoppen, der Grund war eine gebrochene Rippe. Größere sorgen macht uns seine Rückenmarksverletzung, so wie es im aktuellen Stand aussieht ist er Querschnittgelähmt. Leider ist gerade alles sehr geschwollen, dass man dies nicht wirklich sehen kann. 100 % kann man es natürlich erst sagen, wenn er wach ist. Dies kann in paar Stunden passieren oder in 2 Tagen. Wir müssen dem Körper Zeit geben, sich zu regenerieren. Auch können wir mögliche Hirnschäden erst dann ausschließen, wenn er wach ist. Es tut mir leid, dass ich keine besseren Nachrichten für sie habe, das wichtigste ist erst mal, dass er lebt. Darauf sollten sie sich fokussieren. Haben sie irgendwelche fragen, oder soll ich sie erst mal allein lassen?" Ich war absolut nicht in der Lage zu Antworten. Die Worte von der Ärztin schallten wie ein Echo durch meinen Kopf. "Wir melden uns, wenn seine Eltern eingetroffen sind." Hörte ich Zak sprechen, seine Stimme zitterte und war nur ganz schwach gewesen. "Es tut mir sehr leid." Und somit verschwand die Ärztin aus dem Raum. Ist das eigentlich gerade ihr Ernst gewesen? Sie kommt hier einfach so rein und schmettert diese schreckliche Nachricht raus? Als wäre sie eine Verkäuferin und übermittelt uns, dass die Äpfel leider ausverkauft sind. Querschnittgelähmt? Ich kann es nicht glauben! Und nun kam das, worauf ich die ganze Zeit schon gewartet habe. Die Überforderung kickte und ich merkte schon, wie ich mich gleich übergeben muss. Ich war aber wie in Trance und konnte mich keinen cm bewegen. Charles schien dies zu merken und griff sofort nach dem Mülleimer, der etwas entfernter neben ihm stand. Kaum stellte er ihn vor mir ab, saß ich kotzend im Wartebereich und alle konnten mir dabei zusehen. Sanft streichelte mir Charles über meinen Rücken und hielt mir mit einer Hand meine Haare zurück. "Lass alles raus." Flüsterte er mir sanft zu. "Wir sollten sie ins Hotel bringen." Hörte ich Totos Stimme und sofort schüttelte ich mit meinem Kopf. "Ich bleibe." Ich schaute vom Mülleimer hoch und sah in Totos Gesicht. Er stand vor mir und man sah ihm deutlich an, wie nahe ihm das alles ging. "Paula sei vernünftig, du musst dich ausruhen. Du kannst hier gerade nichts tun. Die Nachricht wird kaum tragbar für seine Familie sein, du musst ihnen Zeit geben." Versuchte er mir weiter einzureden, dass ich gehen muss, doch ich schüttelte meinen Kopf erneut. "Ich werde nicht gehen! Lando ist meine Familie und Familie wird nicht in Stich gelassen!" Ernst schaute ich Toto an, der nur seufzte und sich wieder setzte. Er wusste, dass es sinnlos war, sich jetzt mit mir anzulegen. "Querschnittgelähmt." Sprach Daniel niedergeschlagen von sich und war somit der Erste, der es laut aussprach. "Sag es nicht." Flüsterte ich und schaute unter Tränen zu Daniel. "Sag es einfach nicht! Es steht nicht zu 100 % fest. Wir dürfen nicht aufgeben. Lando ist ein Kämpfer, er schafft das." Am Ende brach meine Stimme und ich brach in Tränen aus. Charles reagierte sofort und zog mich in eine Umarmung. "Paula wir wissen alle das Lando ein Kämpfer ist, aber wir müssen das alles realistisch sehen." Kaum hatte er es ausgesprochen, drückte ich mich von Charles weg und schaute ihn fassungslos an. "Das kann nicht dein Ernst sein!" Charles seufzte und sah hilflos zu Toto rüber.

"Spatz, er hat recht. Wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen. Wir hoffen alle, dass sich die Ärztin irrt, aber aktuell müssen wir damit rechnen, dass er nicht mehr laufen kann." Man sah in Totos Augen, wie sehr es ihm schmerzte, dies auszusprechen. Es fühlte sich gerade alles so unwirklich an, als kommt Lando gleich um die Ecke gelaufen und schreit verarscht! Dies wird aber leider nicht der Fall. "Ihr solltet ins Hotel fahren, wir rufen euch an, wenn wir mehr wissen. Ich denke, es wird etwas viel sein, wenn seine Eltern kommen." Zak sah zu den anderen, die genauso wie ich noch geschockt auf ihren Stühlen saßen. "Ich bleibe bei Paula." Gab Mick sofort von sich und schaute mich mit Tränen in den Augen an. "Okay, aber die anderen sollten gehen." Ernst schaute Zak durch die Runde und die anderen wussten, dass sie dagegen groß nichts mehr sagen konnten. "Ruf mich bitte sofort, an wen du etwas benötigst." Ernst sah mich Charles an und ich nickte leicht. Zu mehr war ich gerade nicht mehr Stande gewesen. Ich bekam nicht mal richtig mit, dass die anderen den Raum verließen und sich bei mir verabschiedeten. Ich merkte nur wie Charles aufstand und Mick seinen Platz neben mir einnahm. Eine Schwester kam noch rein und wechselte die Tüte von dem Mülleimer.

"Lass es ruhig raus, wenn du weinen musst. Ich bin für dich da." Mit leeren Augen schaute ich zu Mick, der mich versucht, sanft anzulächeln, aber absolut scheiterte. "Ich fühle mich einfach so leer. Wie kann in nur 8 Stunden, das Leben sich um 90 Grad drehen? Lando war immer gut gewesen, immer ehrlich. Wie kann ihm so etwas passieren?" Flüsterte ich leise vor mich hin. "Ich versuche einen Grund zu finden, womit das Leben mir zeigt, dass er es verdient hat, aber ich finde keinen. Wieso rennt da draußen jemand mit einem gesunden Rückenmark herum, der eine Frau vergewaltigt hat, wieso ist es ihm nicht passiert? Oder jemand, der zum Mörder wurde, die haben es verdient, aber doch nicht Lando!" Ich sah zu Mick und er saß einfach nur sprachlos da. "Das Leben ist manchmal unfair." Kam es plötzlich von Zak. Als ich mich zu ihm drehte, wischte er sich gerade die Tränen weg. "Ich muss den anderen Bescheid geben." Es tat mir so leid, dass sich Zak so zusammenreißen musste, aber auch das gehörte einfach zu seinem Job. Wie Mick es kurz nach dem Unfall gesagt hat. Kein Teamchef will jemals solch eine Nachricht übermitteln und da fiel mir wieder Max ein. "Ich muss Max anrufen." Ich griff nach meinem Handy, doch Mick legte sanft seine Hand darauf. "Lass es erst mal sacken und dann können wir ihn zusammen anrufen." Doch ich schüttelte sofort meinen Kopf. "Nein, Lando würde wollen, dass ich ihn sofort anrufe. Er ist sein bester Freund!" Fest entschlossen zog ich Mick seine Hände weg und wählte die Nummer von Max. Dadurch dass er sofort ran ging, denke ich mal, dass er genau wie wir kein Auge zubekommen hat.

"Hey." Flüsterte ich leise und ich hörte am anderen Ende der Leitung ein Schluchzen. "Ich denke mal, die Ärztin war da. Bitte sag mir einfach, was los ist." Es tat so weh, Max seine Stimmt zu hören. Ich atmete noch mal tief ein und aus und fing dann an zu sprechen. "Er hatte eine gebrochene Rippe, deswegen die inneren Blutungen. Die konnte gestoppt werden." Ich musste eine kurze Pause machen, weil es mir so schwer fuhr, darüber zu sprechen. "Es besteht leider die Chance, dass wenn er wach wird, er Querschnittgelähmt ist. Die Ärzte können dies nicht zu 100 % sagen. Wir müssen abwarten, bis er wach ist, sie können auch erst dann sagen, ob er einen Hirnschaden davon getragen hat oder nicht." Und somit war es ausgesprochen gewesen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie Max gerade am anderen Ende der Leitung sitzt. "Das...ich...Querschnittgelähmt?" Stotterte Max vor sich hin. "Wir müssen weiterhin die Daumen drücken, damit dies nicht der Fall ist." Flüsterte ich und war abermals über meine Gefasstheit erstaunt. Wie kann ein Mensch an einem Abend so viele Stimmungsschwankungen haben? In einem Moment weine ich wie ein Baby und im anderen konnte ich stark genug für die anderen sein. Letzteres fiel mir zwar auch schwer, aber war mir deutlich lieber gewesen. "Wissen seine Eltern schon Bescheid?" Gab Max schluchzend von sich. "Nein, noch nicht, sie müssten aber jeden Moment hier sein. Sie wissen es noch nicht." Gab ich von mir und in mir stieg die Angst vor diesem Moment, wo sie diesen Raum betreten. Ich wusste nicht, wie ich darauf reagiere. "Tue mir ein Gefallen und sei bitte für sie da." Ich atmete noch mal tief ein und nickte. "Natürlich, ich melde mich morgen wieder bei dir. Heute wird nicht mehr viel passieren. Versuche zu schlafen, Max, auch wenn es schwerfällt. Wenn doch noch was passieren sollte, melde ich mich natürlich." Max verabschiedete sich und Toto kniete sich zu mir. "Du solltest auch etwas schlafen, du kannst Max nicht solch einen Tipp geben und selbst nicht auf dich achten." Ich seufzte und schaute Toto vielsagend an. "Ich werde erst schlafen gehen, wenn ich weiß, dass Lando aus dem gröbsten raus ist!" Gab ich ernst von mir, auch wenn dies vielleicht bedeutet, dass ich erst in 2 Tagen schlafen kann. 

"Was ist, wenn er mich vergessen hat? Wenn sein Gedächtnis weg ist? Er die letzten Monate einfach nicht mehr weiß?" Mit Tränen in den Augen schaute ich zu Mick. "Es kommt bei so vielen Filme vor, die zeigen, wie schnell das ist." Eins weiß ich, wenn Lando sich nicht mehr an mich erinnern kann, bricht für mich eine Welt zusammen. "Dein Leben ist aber kein Film, es wird alles gut gehen. Lando könnte dich niemals vergessen." Ernst sah mich Mick an, aber so richtig glauben konnte ich ihm das nicht. Die letzten Stunden haben mir gezeigt, dass ich auf alles gefasst sein sollte.