Onish 3-14 Zurück an Bord

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Zurück an Bord

Delanis Handelsschiff erreicht Haonjit am späten Vormittag. Akim, der wie meistens während der zweiten Nachthälfte die Wache hatte, steigt mit einem herzhaften Gähnen aus dem Niedergang. Voraus kann er am östlichen Ufer den langen Hafenkai und dahinter die Stadt erkennen. Er hört Rihàn in der Kombüse rumoren. Über das Schiff zieht der verführerische Duft von Kaffee, was Akims Laune erheblich verbessert. Er erinnert sich immer noch an das beklemmende Angstgefühl, das ihn während der vergangenen Nachtwachen regelmäßig heimsuchte und ihn sogar tagsüber aus beängstigenden Träumen hochschrecken ließ. Er vermutet, dass Rihàn ähnliche Empfindungen hat. Allerdings ist seine Schwester zu stolz, so etwas zuzugeben. Sie wirkt aber noch verschlossener als in den vergangenen Monden und er verzichtet lieber darauf, sie anzusprechen.
Sein Vater nickt Akim gutgelaunt zu. Bald bringt Rihàn drei dampfende Becher Kaffee aus der Kombüse. Während sie ihn im Schatten des Grossegels genießen, stellt er die Frage, die sie alle beschäftigt, seit er vor einem Viertel Mond den Stein mit der seltsamen Botschaft an Deck fand.
«Glaubst du, dass Onish tatsächlich in Haonjit auf uns wartet?»
Delani wirft einen Blick in die Segel, korrigiert leicht den Kurs und mustert dann konzentriert den näherrückenden Flusshafen. Er antwortet, ohne Akim anzuschauen.
«Ich traue es Onish zu. Er ist immerhin ein Magier. Der Brief hörte sich an wie ein Hilferuf. Ich bin überzeugt, dass wir mehr erfahren, sobald wir in Haojit anlegen.»
«Wenn diese Botschaft nicht nur ein schlechter Scherz war.»
Akim schüttelt den Kopf über Rihàns Einwand. Ein schlechter Scherz war das bestimmt nicht. Seit er den Stein mit Onishs Botschaft fand, verspürt er diese unerklärliche Unruhe. Was immer der Grund für die Bitte des Schattenwandlers ist, ihn und Kej in Haonjit zu treffen, muss dringend sein. Während der Nachtstunden fühlt Akim sich heimlich beobachtet, als versuchte der unbekannte Überbringer der Botschaft sicherzustellen, dass sie tatsächlich so rasch wie möglich nach Haonjit segeln. Zum Glück ist es bald Zeit zum Anlegen. Er ist das Warten und Grübeln satt.

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Geniri lehnt sich auf ihrem bequemen Sofa zurück und trinkt genüsslich den letzten Schluck ihres stark gesüßten Rahlai-Tees. Dann streckt sie die leere Tasse Tejlish entgegen. Der Diener nimmt das feine Porzellangefäß kommentarlos entgegen und verlässt den Raum, um eine weitere Kanne des kostbaren Tees zu brauen. Das ist Geniris Lieblingsgetränk und sie genießt es, dass sie nun so oft davon trinken kann, wie sie wünscht.
Tejlish setzt auf dem noch heißen Herd neues Wasser auf und zerreibt vorsichtig eine genau abgemessene Menge der getrockneten Blüten in die Teekanne. Rahlai, die Taublüte, ist eine äußerst seltene Pflanze aus den Bergen von Nirah. Sie soll heilende Wirkung haben und Menschen mit schwachem Herz helfen. Das ist nicht der Grund, weshalb die junge Feuermagierin diesen Tee so liebt. Sie mag einfach den Geschmack und behauptet, der Tee helfe ihr zu entspannen und klarer zu denken. Tejlish weiß nicht, ob Rahlai tatsächlich eine solche Wirkung hat. Aber er kann verstehen, warum Geniri im Moment Unterstützung beim klaren Denken benötigt. Hajtash übergab ihr nach Legnishs unbeabsichtigtem Tod das Amt der Feuermeisterin von Penira. Das war vor beinahe anderthalb Monden. Zu Beginn war Geniri unsicher. Tejlish musste ihr bei fast allen Amtshandlungen zur Seite stehen. Inzwischen hat sie sich in die ihr übertragene Aufgabe eingearbeitet. Sie vollzieht das Morgenritual routiniert und mit viel Überzeugungskraft. Tejlish zählt täglich mehr Kultanhänger, die den Weg in den abgeschiedenen Park in der Oberstadt finden. Allerdings muss Geniri immer wieder Hajtashs Abwesenheit erklären und vor allem den inneren Kreis der Feuermagier davon überzeugen, dass der Shalen bald siegreich nach Penira zurückkehren werde. Tejlish, der als einziger mehr über das Ziel der Reise des Feuermeisters weiß, bewundert Geniri widerwillig für ihre Überzeugungskraft und ihren Einfallsreichtum. Bisher konnte sie ihre Position als Stellvertreterin des Shalen nicht nur halten, sondern schrittweise stärken.
Tejlish gießt sorgfältig das kochende Wasser über die Blüten und lässt den Tee ziehen, während er eine Schale mit Gebäck vorbereitet. Hajtashs Instruktionen waren genau und er befolgt sie aufs Wort. Das bedeutet, dass er Geniri Tag und Nacht zu Diensten steht, als wäre sie der Shalen selbst. Die junge Feuermagierin weiß das und stützt sich sowohl auf seine jahrelange Erfahrung als Hajtashs persönlicher Diener wie auch auf seine Dienstleistungen. Sie ahnt nichts von Tejlishs anderen, geheimen Anweisungen. Während er durch ein feinmaschiges Sieb Tee in die kostbare Porzellantasse gießt und ihn großzügig mit Honig süßt, lächelt der alte Diener bitter. Obwohl es zunächst aussah, als würde die von Hajtash befürchtete Situation nicht eintreffen, ist er inzwischen nicht mehr sicher. Seit einigen Tagen verspürt er eine zunehmende Anspannung unter den leitenden Mitgliedern des Kultes. Bis jetzt hat Geniri alles im Griff. Ihr Auftreten wird aber von Tag zu Tag selbstsicherer und herrischer. Das wird die anderen magisch begabten Mitglieder früher oder später verärgern. Tejlish nimmt sich vor, auf alles vorbereitet zu sein und die kommenden Geschehnisse genau zu verfolgen. Sein Gesicht zeigt keine Regung, als er der mächtigsten Feuermagierin in Penira den Tee serviert.

Onish | Wattys 2015 GewinnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt