Onish 1-6 Feuermagie

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Feuermagie

Pentim betritt das Zimmer, in dem der innere Rat tagt, mit gesenktem Kopf. Er fand in der letzten Nacht keinen Schlaf und weiß, dass ihm das vermutlich auch in nächster Zeit nicht gelingen wird. Der Sonnenkönig sieht sich zu einer Entscheidung gezwungen von der er weiß, dass er sie früher oder später bereuen wird.
Der innere Rat besteht nur aus drei Personen, die Pentims bedingungsloses Vertrauen genießen. Der alte Katim, ein brillanter Politiker, stand schon seinem Großvater Kerim zur Seite. Sein hagerer Kopf mit den tiefliegenden Augen ist kahl, seit Pentim sich erinnern kann. Inzwischen geht der alte Diplomat gebeugt und bewegt sich nur langsam, aber sein Verstand ist immer noch messerscharf und seine wässrigen blauen Augen scheinen einen Menschen bis ins Innerste zu durchdringen. Katim sitzt auf seinem gewohnten Platz auf der Fensterseite des Beratungstischs. Sein Gesicht wirkt entspannt, aber Pentim weiß, dass seine Augen jede Bewegung im Raum wahrnehmen, jede Veränderung registrieren und dass sein Gehirn jedes gesprochene Wort aufnimmt und verarbeitet.
Neben Katim steht der füllige, etwas jüngere Duwish, auf die Rückenlehne eines kunstvoll geschnitzten Stuhls gelehnt. Sein kurzgeschnittenes weißes Haar und der sorgfältig getrimmte Bart verleihen ihm ein respekteinflössendes Aussehen. Duwish kommt aus dem Norden von Kelèn und war ein Freund und Vertrauter von Pentims Vater. Der König schätzt ihn wegen seiner offenen, manchmal fast groben Art. Duwish nimmt nie ein Blatt vor den Mund und äußert seine Meinung immer unverblümt. Er ist ein ausgezeichneter Redner und Organisator, obwohl er das ungern zu erkennen gibt und sich lieber im Hintergrund hält. Aber er schrieb die meisten der bedeutenden Reden Pentims und inszenierte unter anderem das legendäre Hochzeitsfest des Königspaars.
Der dritte Berater Pentims ist ein persönlicher Freund aus seinen Jugendtagen und sein oberster Heerführer und Stratege. Der junge Prinz und der schmächtige Liha, der Sohn eines Gardisten seines Vaters, pflegten als Kinder zusammen im Palast Schabernack zu treiben, noch bevor sie gemeinsam die Waffenausbildung absolvierten. Liha entwickelte sich seit damals zu einem Meister der Strategie und Kriegskunst. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen stand er seinem Freund und König Pentim bei den kurzfristig anberaumten Friedensverhandlungen von Linar als konstruktiver Ratgeber zur Seite. Das brachte ihm nicht nur hohes Ansehen in den Augen der in Penira zurückgebliebenen Politiker ein, sondern auch einen Platz im inneren Rat des Königs. Liha ist schlank und etwas kleiner als Pentim, was diesen früher manchmal dazu verleitete, sich überlegen zu fühlen. Heute weiß der König aus Erfahrung, dass er diesem geborenen Krieger in keiner Disziplin gewachsen ist. Für einen Kelen aus Penira hat Liha verhältnismäßig dunkles braunes Haar. Er wurde deswegen sogar schon für einen Tanna gehalten. Früher, in den Tagen ihrer Ausbildung, reagierte Liha empfindlich und energisch auf solche Vermutungen oder Hänseleien. Seit er bei den Verhandlungen in Linar den jungen Anführer der Tannarí persönlich kennenlernte, änderte sich Lihas Einstellung zum Volk der Dämmerung entschieden.
Dies sind die Männer, denen der König heute morgen seine schwer errungene Entscheidung erläutern muss. Er schluckt leer, bevor er seinen Platz am Tisch einnimmt. Duwish und Liha bleiben respektvoll stehen, bis sich der König gesetzt hat. Einzig Katim kann sich wegen seines hohen Alters herausnehmen, sitzen zu bleiben, während der Sonnenkönig steht. Pentim räuspert sich mit gesenktem Blick. Liha betrachtet ihn besorgt. Er ahnt vielleicht, dass der König gleich etwas sagen wird, das ihm nicht gefallen wird.
«Katim, Duwish, Liha. Meine Berater, meine Freunde. Ich muss eine Entscheidung fällen, welche mir schwer fällt. Ich hoffe, ihr könnt mich dabei unterstützen.»
Der König starrt schweigend seine ineinander verkrampften Hände an, bevor er hörbar seufzt und mit gesenkter Stimme fortfährt.
«Es gibt einen Magier, der glaubwürdig behauptet, er könne meinen Sohn retten.»
Katims Gesicht zeigt keine Regung. Liha wartet gespannt auf die Fortsetzung. Duwish runzelt fragend die Stirn und bringt es wie üblich schonungslos auf den Punkt.
«Das ist eigentlich eine gute Nachricht. Wo liegt der Hacken?»
Pentim seufzt ein zweites Mal und reibt sich den ungewohnt zerzausten Bart.
«Der Hacken ist die Bedingung, die der Magier an seine Hilfe knüpft. Er behauptet, Mirim sei nur durch Feuermagie zu helfen. Er verlangt von mir, öffentlich das Verbot des Feuerkults aufzuheben.»

Onish | Wattys 2015 GewinnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt