Die Anprobe

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Die Tage vergingen wie im Fluge und nachdem ich meine Stressoren beseitigte, gelang es mir wieder besser, mein Temperament zu zügeln. Viele wichtige Entscheidungen, rund um die Trauung, wurden getroffen und nun stand noch ein wichtiger Termin an, der mich innerlich vor Aufregung hyperventilieren ließ. Ich musste mich endlich für ein Brautkleid entscheiden und hatte dafür einen Termin in einer Boutique ausgemacht. Die Mädels und ich würden einen lustigen Nachmittag mit viel Sekt haben, aber ich fürchtete mich davor, nicht das Richtige zu finden. Schließlich wartete ich ewig auf den Antrag und nun wollte ich auch das perfekte Kleid! Ich saß wartend bei Husk an der Bar und kalter Schweiß machte sich auf meiner Stirn breit. „Du wirst schon etwas finden Kleine! Mach dir nicht so einen Stress. Angel reißt dir das Kleid am Abend sowie vom Körper und dann ist es futsch." Sagte er neckisch und konnte sich das lachen nicht verkneifen. „Husky!" Sagte ich entsetzt und hielt mir gestikulierend einen Finger vor die Lippen. „Was denn? Ist doch so." Sagte er trocken und trank einen Schluck aus seiner Flasche. Typisch Kerle, die verstanden so etwas einfach nicht. Nach einer Weile, erschienen die anderen, um mich abzuholen. „Na endlich! Ich hab schon so lange gewartet!" Rief ich leicht theatralisch. „Ähm... also genau genommen sind wir sogar ein paar Minuten früher da, als ausgemacht..." Sagte Vaggie irritiert und checkte nochmal die Uhrzeit. Cherry lachte und sah mir an, dass ich innerlich vor Aufregung platzte. „Mach dir keine Sorgen! Zur Not sprengen wir halt den Laden!" Sagte sie belustigt und ließ eine Bombe in ihrer Hand hoch und runter hüpfen. „Cherry! Denk an deine Vorsätze!" Ermahnte sie Charlie. „Ein bisschen Spaß wird wohl noch erlaubt sein!" Antwortete sie und verdrehte die Augen. Nifty unterbrach das Ganze und hüpfte mit weit aufgerissenen Augen auf der Stelle. „KÖNNEN WIR JETZT ENDLICH LOS?!" Rief sie aufgeregt. „Du hast Recht Nifty! Lasst uns losdüsen!" Sagte Vaggie und riss die Arme nach oben. Wir fuhren mit Charlies Limosine zum Brautmodengeschäft und köpften unterwegs bereits die erste Flasche Sekt. Wir lachten, machten Späße und ich bekam richtig gute Laune. Als wir ankamen, wurden wir freundlichst in Empfang genommen und bekamen direkt noch ein Glas Prosecco in die Hand gedrückt. Wir wurden in eine weich gepolsterte Sitzecke geführt, wo sich alle ein gemütliches Plätzchen suchten, bis auf ich, da meine exakten Maße, von einer Schneiderin, ermittelt und sorgfältig dokumentiert wurden. Ich stand ein wenig hilflos auf einem kleinen, runden Podest in der Mitte des Saals und versuchte still zu halten. Cherry und Nifty amüsierte mein unbeholfenes Auftreten und kriegten sich fast nicht mehr ein. Kaum hatte die Dämonin alles akkurat ausgemessen, zog sie mich hinter einen Vorhang. „Was für Vorstellungen haben Sie und gibt es irgendwelche besonderen Wünsche? Fragte sie mich seriös. Ich musste kurz darüber nachdenken und sagte ihr, dass ich mich noch nicht eindeutig für einen Style entschieden hatte. Ich wollte nur, dass es weiß ist, so weiß, wie die Apfelblüten am Abend des Antrags. Kaum ausgesprochen, rannte sie los und besorge mir das erste Kleid. Es war sehr üppig und besaß eine lange Schleppe. „Darunter muss man einen Reifrock tragen." Erklärte sie mir und half mir in das Kleid. Ich erkannte mich gar nicht im Spiegel. Es war viel zu schwer und der Umfang von dem Kleid störte mich, aber ich gab mir einen Ruck und präsentierte das erste Kleid. Ich trat mit verzogener Miene heraus und wusste auch nicht, wie ich in darin laufen sollte. „Eure Hoheit!" Prustete Cherry los. „Verneigt euch!" Spaßte ich und musste unwillkürlich mitlachen, weil ich das Kleid genau so doof fand. „Also ich finde das Kleid eigentlich ganz schön, aber es passt einfach nicht zu dir." Wandte Charlie ein und verdrehte ihren Kopf in Schieflage. „Wie gut, dass wir einer Meinung sind!" Sagte ich erleichtert und drehte mich herum, um wieder hinter dem Vorhang zu verschwinden. Ich hörte es immer noch kichern, als ich mich mit Mühe in die Umkleide zwang. Sowie  ich die Verkäuferin erblickte, gab ich ihr zu verstehen, dass ich nichts mit einem Reifrock tragen wollte. Ich wollte mich etwas freier fühlen. Sie nickte, brachte das Prinzessinnenkleid zurück und kam mit etwas schlichterem zurück. Ich konnte mir nicht viel darunter vorstellen und auch als ich es anprobierte, war es nicht wirklich besser. Es war eine A – Linie und fiel fließend an mir herunter. Auserdem besaß es einen tiefen V – Ausschnitt und eine kleine Schleppe, aber im Prinzip sah ich aus, wie Beutolomäus höchstpersönlich. Ich trug zwar gerne Kleider mit Ausschnitt, aber es sah so lahm und nichtssagenden aus, dass ich mich nicht einmal ansehen wollte. Wenigstens konnte ich mich vorwärts bewegen und zeigte es den anderen. „Dieses Kleid ist Langweilig!" Murrte Nifty. Ich blickte einmal in die Runde und stellte fest, dass nicht nur Nifty diese Meinung vertrat. „Mir gefällt es auch nicht." Antwortete ich ihr und ging wieder zurück. So allmählich bekam ich Vorstellungen von dem, was tragen wollte. „Ich hätte lieber einen tiefen Rückenausschnitt und es sollte Figurbetonter sein." Teilte ich der Dame mit, die mir sofort etwas Neues brachte. Dieses Kleid sah schon eher nach mir aus und sowie ich es anprobierte und mich darin betrachtete, fühlte ich mich sehr wohl. Es war sehr eng geschnitten und fiel nicht, wie ein Sack an mir runter. Es reichte mir knapp über die Knie und an den oberen Trägern waren Organzabänder befestigt, die am Rücken hinunter fielen. Der obere Teil des Kleides, war mit vielen Perlen bestickt und setzte meinen Körper in Szene. Ich trat selbstsicher hinter dem Vorhang hervor und ging ein paar Meter mit dem Kleid auf und ab. Ich drehte mich und fragte die anderen, wie sie es fanden. „Dieses Kleid ist einfach nur wow!" Sagte Vaggie und nickte mir zu. „Das muss auf jedenfalls in die engere Auswahl." Stimmte Cherry zu. Charlie und Nifty waren der selben Meinung. Wir tranken noch ein Glas Sekt, bevor ich das nächste Kleid anprobierte. Die nächsten beiden Kleider waren allerdings so grausam, dass wir uns alle vor lachen nicht beruhigen konnten, was eventuell auch am Alkohol lag. „Haben Sie noch irgendetwas, was mehr in die Richtung von diesem Kleid geht?" Fragte ich liebreizend nach und zeigte dabei auf das Kleid, welches mir schon so gut gefiel. Sie überlegte kurz und lief dann erneut los. Dieses mal wartete ich einige Minuten, bis sie zurückkam. Ich konnte meinen Augen nicht trauen, als ich sah, was die Verkäuferin mir vor die Nase hielt. Ich stieg in das Kleid hinein und ließ es von der Verkäuferin schließen. „WOW!" Entglitt es mir ungläubig und musterte mich im Spiegel. Es war genau so eng geschnitten, wie das andere und passte sich perfekt meinem Körper an. Alle meine körperlichen Vorzüge wurden betont und optimal unterstrichen. Statt der Perlen, befanden sich viele aufgestickte Ornamente auf dem Kleid und es besaß keine Träger. Der tiefe Rückenausschnitt und das weit ausgestellte untere Ende des Kleides waren ein richtiger Blickfang. Es war ein Meerjungfrauen - Schnitt und ich wusste, dass es dieses und kein anderes Kleid werden würde. „Sie sehen einmalig schön aus!" Sagte die Verkäuferin höflich und fragte, ob sie meine Haare öffnen durfte. Ich hatte nichts dagegen und sah wie gebannt in den Spiegel. „Möchten sie einen Schleier dazu tragen?" Fragte sie und hielt mir zwei Modelle entgegen. Ich entschied mich für das längere Modell und ließ ihn mir in die Haare stecken. Ich trat aus der Umkleidekabine heraus und präsentierte Kleid Nummer 6. Sie unterbrachen ihre Unterhaltung und sahen mich mit großen Augen an. Cherry verschlug es die Sprache und Charlie hatte Tränen in den Augen. „Was meint ihr?" Fragte ich erwartungsvoll. „Du siehst einfach umwerfend aus!" Sagte Vaggie staunend. „Du musst es einfach nehmen! Es ist wie für dich gemacht!" Sagte Cherry euphorisch und starrte mich an. „Ich werde es nehmen!" Sagte ich und verlor ein paar Freudentränen. Charlie stand von ihrem Platz auf, um mich zu umarmen. „Das schreit nach mehr Sekt!" Rief Cherry und organisierte Nachschub. Wir stießen ein weiteres Mal an und feierten die Auswahl des Brautkleides. „Wie möchten sie zahlen?" Fragte die Verkäuferin. Ich kramte in meiner Tasche herum und gab ihr die goldene Kreditkarte, die Angel mir überlassen hatte. „Vielen Dank! Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag junges Fräulein." Sagte sie höflich zum Abschied und nickte mir einmal zu. Wir verließen das Geschäft und langsam machte sich der Prosecco bemerkbar. Wir waren alle samt so albern und wussten teilweise gar nicht warum wir lachten. „Charlie? Vaggie? Würdet ihr das Kleid und den Schleier bei euch verstecken? Ich will nicht das Angel es ausversehen findet!" Sagte ich zu Beginn ernst und fing dann wieder an zu lachen! „Wir werden gut darauf aufpassen! Nicht wahr Vaggie?" Antwortete sie mir und schaute Vaggie fragend an. „Darauf kannst du dich verlassen!" Sagte sie und zwinkerte mir zu. Wir tranken noch eine Flasche und kamen sturzbetrunken im Hotel wieder an. Wir stürmten kichernd und jubelnd in das Hotel, wo wir bereits erwartet wurden. Angel trat auf mich zu und beäugte mich aufmerksam. „Ich dachte ihr wolltet Kleider anprobieren?" Fragte er verwirrt. Ich sah ihn nur an und gackerte, wie ein albernes Huhn. „Wenn du wüsstest!" Sagte ich und schwankte. „Okay Baby, du hast genug gefeiert für heute." Sagte er streng und hob mich über seine Schulter. „Hey!" rief ich entsetzt. „Ich werde entführt!" Rief ich den anderen entgegen. Nach kurzer stille prustete ich wieder los. Angel brachte mich in unser Zimmer und setzte mich sanft ab. „Ich kann dich auch wirklich nie alleine lassen!" Sagte er und fuhr sich durch die Haare. „Ach Baby, Schatzi, mein Bärchen! Sei doch nicht soooo!" Sagte ich albern. Er umfasste mein Kinn und brachte mich dazu, ihm in die Augen zu sehen. „Trink einfach nicht so viel, wenn ich nicht bei dir bin..." sagte er bestimmt und gab mir einen Kuss. „Spaßbremse!" Schmollte ich und wollte aufstehen. Ich stolpere ihm ungeschickt in die Arme. „Mein Retter in der Not!" Sagte ich übertrieben und konnte sehen wie er die Augen verdrehte „Zieh mich aus!" Sagte ich dann herausfordernd. „Ich zieh dich gerne aus, aber ich werde dich heute nicht anrühren!" Sagte er augenzwinkernd. „Spaaaaßbremse!" Ärgerte ich ihn. Er ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen und schien sogar amüsiert über meinen Zustand. „Ich bleib bei dir, bis du schläfst, mein Partygirl!" Sagte er und legte seine Hand auf meinen Bauch. Ich wurde immer ruhiger und driftete ab, bis ich schließlich von dem wunderschönen Kleid träumte.

Im Netz der GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt