Das Auswahlverfahren

60 2 0
                                    

Bis zum Termin waren es nur noch wenige Wochen und alles war soweit zu unserer  Zufriedenheit organisiert. Meine Aufregung stieg von Tag zu Tag und daher kam es mir gelegen, dass Angel wirklich ein Casting organisierte, um mir meine Leute selbst auszusuchen. Das würde mich ein wenig ablenken, dachte ich und stattete meinem Verlobten noch einen Besuch ab, bevor ich mir das Debakel ansehen würde. Ich lief mit meinen Absätzen mitten durch das Studio und brachte ihm einen Kaffee. „Cut!" Rief Angel und pausierte den Dreh. „Hast du mal auf die Uhr gesehen?" Fragte er mich entsetzt. „Du solltest doch schon längst da sein!" Ich verdrehte die Augen und stellte ihm bockig seine Tasse auf den Tisch. „Bitteschön der Herr!" Sagte ich schnippisch und wollte gerade kehrt machen, da griff er nach meiner Hand. Er stand auf und zog mich zu sich, um mein Gesicht zu streicheln. „Dankeschön." Sagte er nun viel sanfter. Was ging nur in ihm vor? Kurz zuvor, schien er verärgert zu sein und nun kommt er mir plötzlich so. „Von deinen Launen bekomme ich ein Schleudertrauma!" Brummte ich. „Dito!" Antwortete er leise und gab mir einen Kuss. Ich beruhigte mich und beschloss kein weiteres Drama mehr zu machen. „Tut mir leid Süße ich bin nur ein wenig gestresst, das ist alles." Entschuldigte er sich. „Ist schon ok, mir geht es auch so, daher wollte ich noch kurz zu dir..." Sagte ich verlegen. Er umarmte mich und gab mir dann einen Klaps auf den Po. „Bitte friss sie nicht gleich alle." Witzelte er. „Sehr lustig! Wir machen einen Deal! Wenn du hier fertig bist, kommst du runter und hilfst mir! Mal sehen, wie lange du ruhig bleiben kannst!" Forderte ich ihn heraus und legte ein freches Grinsen auf. „Abgemacht, aber jetzt geh schon!" Sagte er und gab mir einen letzten Kuss. Selbstbewusst stöckelte ich eine Etage tiefer und betrat das Studio, welches für das Bewerberauswahlverfahren vorbereitet wurde. In dem Raum befand sich eine Bühne und ein Schreibtisch, auf dem ein Stapel aller Teilnehmerdaten bereit lag. Ich setzte mich auf einen Stuhl und setzte mir ein Headset auf, um mit dem Personal hinter den Kulissen sprechen zu können. „Schick mir den ersten rein, Darling!" Sagte zuckersüß und nahm mir das erste Datenblatt und einen Stift zur Hand. Ich hoffte sehr, dass ich wenigstens ein paar neue Tänzer und Tänzerinnen zusammen bekommen würde und wackelte mit meinem Stift, zwischen meinen Fingern umher. Eine weibliche Dämonin kam auf die Bühne und wollte sich vorstellen. „Ich kann lesen! Fang schon an!" Sagte ich genervt. Ihr Lächeln verschwand schlagartig, bevor sie anfing zu heulen und von der Bühne verschwand. Ich zerriss das Blatt vor mir und warf es in den Papierkorb. „Hatte keinen Biss! Der Nächste!" Sagte ich rau und atmete tief durch. Der nächste sah wenigstens schon ein wenig stabiler aus. Ganz klar! Ein ehemaliger Balletttänzer, aber eingerostet. Ich brauchte ihm nicht lange zuzusehen, um festzustellen, dass er lange nichts getan hatte! Ich ging auf die Bühne und unterbrach ihn, indem ich ihm gegen sein hinteres Bein trat. „Mehr Spannung! Wie lange hast du nicht trainiert?" Er sah mich nervös an und schluckte. „Dachte ich mir. Wenn du wirklich eine Chance haben willst, kannst du dir derart schlampiges nicht erlauben und jetzt runter von der Bühne! Ich melde mich." Sagte ich und streng und ging zu meinem Sitzplatz zurück. Ich sortierte die Teilnehmer nach 3 Kategorien. Die erste war der Papierkorb, der sich immer weiter füllte und die anderen beiden bestanden aus Talenten und möglichen Zweitbesetzungen. Die nächste Teilnehmerin sah schon wesentlich vielversprechender aus. Sie besaß eine aufrechte Körperhaltung und schien ein wenig Feuer zu haben, was sie bei dieser Art von Job auch brauchte. Sie tanzte mit großen Federfächern und schien talentiert zu sein. Die Bewegungen waren fließend und ästhetisch. Endlich jemand, den ich gebrauchen konnte, dachte ich. „Warum möchtest du das hier machen?" Fragte ich sie am Ende ihrer Darbietung. „Aus Spaß natürlich!" Antwortete sie grinsend. „Training beginnt nächste Woche Montag um 8 in der Früh!" Sagte ich und winkte sie von der Bühne. Anschließend folgte wieder eine Katastrophe nach der anderen. Der letzte Teilnehmer ließ mich explodieren und meine Aura flammte auf. Er war so ungeschickt, als hätte er 2 linke Füße. „Was zur Hölle soll das werden? Du stiehlst mir meine Zeit!" brüllte ich ungehalten und der Typ machte sich schnellstens vom Acker. „Ich brauch eine Pause!" gab ich durch das Headset durch. Ich ließ mich in den Stuhl sinken und fasste mir an den Kopf. Ich hatte bisher 2 die eventuell mit viel Training etwas werden könnten und eine die ich ganz sicher im Team haben wollte. Hinter mir ging die Tür auf und Angel kam auf mich zu. „Kannst du mich noch gebrauchen?" Fragte er etwas zurückhaltend und sah schockiert zu dem Papierkorb. „Bitte!" Jammerte ich. Er setzte sich zu mir und sah mich liebevoll an. „Ich find es super, das du so ehrgeizig bist, aber eventuell wäre es gut, wenn du deine Erwartungen zurück schraubst..." Sagte er ruhig. „Aber..." „Kein aber! Pass auf Schatz! Mit Training ist viel möglich... nicht jeder ist so perfektionistisch veranlagt wie du! Gib ihnen eine Chance!" Unterbrach er mich liebevoll und nahm meine Hände in seine. „Na gut... dann halte ich mich vorerst zurück." Schmollte ich. Angel besorgte sich ebenfalls ein Headset und bat den nächsten Kandidaten auf die Bühne. Schmaler, schmächtiger Körperbau und X - Beine. Das konnte nur ein Fiasko werden, dachte ich und schaute auf den Schreibtisch. „Wieso denkst du, dass du geeignet bist?" Fragte Angel seriös. Der Typ laberte irgendwas von seinen Freunden und dass er es mal probieren wollte. Ich flammte wieder auf und sah finster vom Schreibtisch auf, bevor ich aufstand und drohend auf ihn zu ging, sodass er erschrocken zurück wich. „Hast du eine Ahnung wer vor dir sitzt du Wicht?!" Fragte ich wütend. „Verschwinde!" schrie ich und blickte dann zu Angel. „Genau das meinte ich! Was zum Fick soll das!?" Schrie ich und hatte keine Lust mehr auf diesen ganzen Zirkus. „Scarlett! Jetzt reicht es!" Sagte er laut und ernst. Meine Aura verschwand und mein Gesicht lockerte sich augenblicklich. Ich wollte ihn nicht wütend machen. Er kam auf mich zu und funkelte mir böse in die Augen. „Du und deine mangelnde Selbstbeherrschung!" Sagte er aufgebracht. „Darüber reden wir später noch!" Fügte er vorwurfsvoll hinzu. „Ich glaube ich kann das hier nicht..." Begann ich meinen Satz. „Ich bin einfach nicht geeignet, um anderen etwas beizubringen. Tut mir leid..." Sagte ich traurig und senkte meinen Blick. „So ein Blödsinn! Ich wüsste niemanden der kompetenter ist als du..." Sagte er verzweifelt. Wir schwiegen einen Moment, bevor Angel sich wieder fing und mir etwas vorschlug. „Wir brauchen eine andere Vorgehensweise..." Sagte er nachdenklich. „Was hältst du davon, wenn wir immer 10 Teilnehmer auf einmal in den Trainingsraum mitnehmen und uns dort ihre Fähigkeiten ansehen. Wir machen vor und sie machen nach. Wer nicht hinterher kommt fliegt raus!" Sagte er und gab seinen Angestellten eine Kurze Info. „Wie viele sind noch da?" Fragte er dann durch das Headset. „Alles klar! Es sollen sich immer 10 bereit halten!" Der Vorschlag war nicht nur vernünftig sondern auch sehr effizient und zeitsparend. „Ich versuche mich zu benehmen!" Versprach ich. „Jaja! Zieh dich gefälligst um!" Schimpfte er. Ich nahm die Beine in die Hand und flitzte in sein Büro, um ihn nicht noch weiter zu verärgern. Dort nahm ich mir einen Glitzerfummel von der Stange und zog mich schnell um. Ich sah sehr exotisch aus, da an dem Oberteil viele Kettchen hinunter hingen, ähnlich wie bei einer Bauchtänzerin. Ich band mir einen hohen Zopf und lief schnurstracks in den Trainingsraum, wo Angel bereits auf mich wartete. Ich sagte keinen Ton und stellte mich an die Stange neben ihm und wärmte mich auf. Besser ich würde nun wirklich den Mund halten, wenn ich keinen weiteren Ärger wollte, dachte ich mir. Der erste Trupp wurde hinein geschickt. Sie suchten sich jeder eine freie Stange und richteten ihre Aufmerksamkeit auf Angel, der sie begrüßte. Allerdings nun viel direkter und schroffer als zuvor. Er erklärte ihnen den Ablauf und teilte Nummern aus, die sie sich aufkleben sollten, damit er einen besseren Überblick hatte. „Ihr habt nur eine Aufgabe! Meine Partnerin und ich zeigen euch die einzelnen Übungen und ihr versucht diese nachzumachen. Schafft ihr das nicht, seid ihr raus!" Erklärte er ehe er Musik anschaltete. Ich fixierte Angel mit meinem Blick, um all seine Bewegungen zu imitieren. Der erste Track war „Nails, Hair, Hips, Heels" und bescherte mir wieder bessere Laune. Die Übungen waren allerdings so simpel, dass es mir schwer fiel, nicht einfach etwas eigenes zu starten. „Nummer 3! Raus!" Rief Angel und machte einfach weiter. Ehe das Lied zu Ende war, folgten noch 3 weitere. „Nun steigern wir uns! Wer nicht mehr kann sollte jetzt aufhören!" Sagte er streng. Die Figuren und Bewegungen wurden  komplexer und die meisten Teilnehmer verkackten gnadenlos. Dennoch gab es eine Teilnehmerin, die mir ins Auge fiel. Ich verließ meinen Posten und lief langsam auf sie zu. „Hallo Nummer 6. Wie ist dein Name?" Fragte ich interessiert. „Maya..." Sagte sie eingeschüchtert. „Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Zumindest nicht solange mein Liebster in der Nähe ist." Zwinkerte ich ihr neckisch zu. Ich korrigierte ihre Körperhaltung und ging wieder zurück. Angel hatte mich beobachtet und sah mich fragend an. „Nummer 6 kann bleiben." Sagte ich und machte weiter. Kurze Zeit Später klatschte Angel in die Hände und schmiss alle raus, bis auf Nummer 6. Sie bedankte und verabschiedete sich, bevor sie wie ein scheues Reh verschwand. Das selbe Spiel wiederholten wir noch 5 weitere male und in jeder Truppe war immer eine Kandidatin dabei, die mir zusagte. Insgesamt kam ich dann wenigstens auf 9 neue Darsteller, die in der kommenden Woche zum Training erscheinen würden. Angel unterhielt sich mit einigen Angestellten, als ich mich davon schlich. Ich wusste, dass das Thema noch nicht beendet war und wollte mich schnell wieder anziehen. Ich schnappte mir mein Kleid und verschwand hinter einem Raumteiler, ehe ich mich anschließend auf seinen Bürostuhl saß und dort auf ihn wartete. Nach einigen Minuten betrat er sein Büro und atmete einmal auf, bevor er auf mich zu trat. Ich wagte es nicht hochzuschauen, da ich wusste, dass ich Misst gebaut hatte. Wie gern würde ich mich entschuldigen, aber was ist schon eine Entschuldigung ohne Taten? Ich müsste einen Weg finden, bei solchen Situationen einen kühlen Kopf zu bewaren. Ich war in Gedanken versunken, als er sich zu mir auf den Boden kniete. „Du weißt, dass ich dich liebe, oder?" Fragte er ernst und hauchte einen Kuss auf meine Hand, an der sich der Ring befand. Ich war irritiert und wusste nicht worauf er hinaus wollte. „Anthony ich... Ich liebe dich und ich weiß auch das du mich liebst. Es tut mir leid, wenn ich dich immer wieder in Verlegenheit bringe..." Antwortete ich. „Du brauchst dich nicht entschuldigen! Wir hatten beide viel Stress heute und ich würde sagen, wir vergessen den ganzen Tumult und lassen den Abend zu zweit ausklingen. Was hältst du davon?" Fragte er mich und lächelte sanft. Sowie ich seine Worte hörte, entspannte ich mich und sah ihm endlich in die Augen. „Du bist so gut zu mir..." Sagte ich und gab ihm einen kleinen Kuss. „Könnten wir vorher noch irgendetwas essen?" Fragte ich ruhig. „Alles was du willst Babydoll!" Antwortete er charmant und hielt die Autoschlüssel demonstrativ nach oben. „Wollen wir?" Fragte er erwartungsvoll. Ich hüpfte vom Stuhl und schnappte mir seine Hand, ehe wir zum Wagen gingen.

Im Netz der GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt