XLVIII.

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1977

Sie betrat den Gemeinschaftsraum; keine Menschenseele. Schliefen die denn alle schon? Oder war es verboten sich hier um Mitternacht auf zu halten? Giselle tippte auf das letztere. Egal, ein bisschen lesen würde ihr schon keiner so übel nehmen. Also, machte sie sich es auf dem Sofa bequem, legte die Füße hoch und zauberte das Buch, das sie von ihrem Urgroßvater geschenkt bekommen hatte, zu sich aus ihrer Tasche.

Sie fing an zu lesen. Aber schon bald bemerkte sie, dass sie nicht ganz bei der Sache war. Ihre Gedanken waren nämlich bei einer ganz anderen Sache, einer Sache Namens Sirius Black.
Wieso hatte sie ihre Gefühle nicht mehr unter Kontrolle, so wie sonst? Es war ja nicht das erste mal, dass sie von einem Jungen irgendwohin ein geladen wurde. Viel mehr war das eine alltägliche Sache. Die Zeitreisen hatten sich eigentlich immer sehr gut als Rendezvous-Möglichkeit heraus gestellt, denn so gab es niemanden, der sie hätte auf oder abhalten können. Und auch niemanden der es ihr verboten hätte. Sie hatte immer ihre Freiheit gehabt, sich mit dem zu zu verabreden wann sie wollte.(Zeit war ja keine Einschränkung). Allerdings musste sie auch zugeben, dass Männer im laufe der Zeit eine nicht so sehr positive Entwicklung hatten in Dingen Manieren und Gentlemanness.
Am höflichsten stellten sich die Jungs in den fünfziger Jahren an, sie hatten Respekt vor ihr und hatten auch nicht die Absicht ein Mädchen, das sie hübsch fanden, ständig zu blamieren.( im vergleich zu ihren Erfahrungen in den Neunzigern zum Beispiel.) Sie erwarteten auch nicht von einem Mädchen, dass es sie irgendwo hin einlud. Nein, das kam überhaupt nicht in Frage, denn ein Richtiger Gentleman hat den Mut ein Mädchen auf ein Date zu fragen. Diese Eigenschaft hatte mit der Zeit auch an Verbreitung verloren und war in ihrer Zeit so gut wie nicht mehr an zu treffen ( mal über legen: heute kommt es ja wirklich vor, dass eine Frau dem Mann einen Heiratsantrag macht...)
Es ging hier nicht darum, dass sie konservativ dachte oder, dass nicht die Fähigkeit dazu gehabt hätte. Es ging nur um die Einstellung die dahinter stand; "Sie kann mir ja nachlaufen, ich bin ja so ein heiß begehrter Typ. Ich kann mir das leisten. Warum sollte ich sie denn schon um ein Date fragen? Wenn sie sich es nicht traut, traut es sich halt die nächste..". Und diesen Gedankengang wollte Giselle auf keinen Fall unterstützen.
Sie ist nicht nur einmal mit hübschen, netten, guterzogenen Jungs ausgegangen, aber länger als zwei Monate war sie mit keinem von ihnen zusammen gewesen. Entweder sie langweilten sie schon nach so einer kurzen Zeit, sie nervten sie mit ihrer Art oder sie stritt sich mit ihnen. Jedenfalls endete es immer gleich: Sie trennte sich von ihnen. Immer war es sie, die Schluss machte, einen Strich unter die Rechnung zog. Und es bereitete ihr auch nie große Mühe. Sie fragte sich, ob es normal war, dass in ihrem Alter die Beziehung mir einem Jungen nicht über das Küssen hinaus ging und nicht über die Zeitspanne von zwei Monaten. Ihre Nanny Marcelle hátte ihr jetzt bestimmt gesagt, wie schon so oft, sie solle sich nicht so viele Gedanken darüber machen, was normal war. Sie war eben nicht normal. Nichts war normal.
Und genau das hatte sie auch bei Sirius erkannt. Dieses nicht normal sein. Und dass es ihn genau so sehr verwirrte, was er für sie empfand, wie sie. Dies war auch der Grund, warum das Verhältnis zwischen ihnen so anders war, als das was sie beide von früher gewohnt waren. Es war nicht nur so ein "Lass uns zusammen ausgehen- Lass rumknutschen- Lass uns ein Pärchen sein."- Verhältnis. Viel mehr war da etwas von Verständnis. Verständnis für den anderen. Für seine Situation, seine Gedanken, seine Gefühle. Ohne es zu wollen, hatte sie tiefes Verständnis für ihn, weshalb sie auch nicht wütend auf ihn sein konnte. Er konnte noch so ein arroganter Macho sein, sie konnte es ihm nicht übel nehmen. Und sie konnte seine Lage nur zu gut verstehen. Bei so einer Familie, die man einfach von Geburt ihrer Einstellung wegen verabscheute, war es eigentlich gar kein Wunder, dass er so war, wie er war. Man konnte es als Selbstschutz betrachten.Rebellieren gegen etwas, was man nicht will, aber gezwungen ist dran teil zu haben, war auch ihrer Meinung nach vollkommen berechtigt. Und wahrscheinlich hátte sie auch alle Mittel ergriffen, um das zu tun. Um zu zeigen, dass man anders war. Wenn man von ihr verlangt hátte, von klein an, oder sie gar gezwungen hátte eines Tages einen Reinblut zu heiraten und ihr gar nicht die Chance gegeben jemand anderes kennen zu lernen, hátte sie es wahrscheinlich umso mehr gemacht. Es lag wohl an ihrer provokativen, rebellischen Art, aber sie hátte sich erst recht mit Muggeln oder Mugglestämmigen getroffen. Genau so wie Sirius. Wahrscheinlich war das der Grund. Er wollte seiner Familie von Anfang an klar machen, dass er anders war, dass er sich nichts von ihnen vorschreiben ließ. Und das gefiel ihr.
Mit einem Seufzer klappte sie das Buch zusammen. Doch als sie es in ihrer Tasche wollte verschwinden lassen, erstarrte sie. Ihre Tasche stand in einer riesigen schwarzen Pfütze einer undefinierbaren Flüssigkeit, die sich in einzelnenStrahlen immer weiter auf dem Boden zu verteilen schien. Schon der Anblick ekelte sie an. Wo kam dieses eklige Zeugs denn bitte her? Die dünnen Strahlen, wie einzelne kleine Schlangen, bewegten sich alle in die gleiche Richtung: zum Kamin.
Neugierig, aber gleichzeitig auch angeekelt, nahm sie mit einem Finger eine Probe aus der Flüssigkeit. Allerdings schreckte sie gleich wieder zurück. Das Zeug war glühend heiß und es fühlte sich an, als hátte es sie gebissen. Sie schaute auf ihren Finger; die schwarze Flüssigkeit verwandelte sich in rot. Es war Blut. Und zwar ihr eigenes. Wie schon richtig gedacht, hatte das mysteriöse Etwas sie gebissen.

Während sie ihren Blick zum Kamin hob, kamen vielerlei Gefühle in ihr auf; Ekel verwandelte sich in Furcht und noch dazu kam so etwas wie Neugierde. Die Flüssigkeit hatte den Kamin erreicht und es ertönte ein lautes Zischen, als es au die Flammen traf. Gleich daraufhin verfärbten sich die Flammen von Rot zu Grün und formten sich zu einer Schlange, zugegebenermaßen einer ziemlich großen, die suchend durch den Gemeinschaftsraum der Slytherins schaute. Als sie Giselle entdeckte, schlängelte sie zielgesetzt auf sie zu und streckte immer wieder ihre Zunge heraus. Allein der Fakt, dass die Schlange leicht durchsichtig war, war schon ziemlich gruselig. Sie war wie aus Rauch und schwebte auch so durch sie Luft. Noch dazu kam, dass Giselle keine besondere Vorliebe für diese Tiere hatte.
Sie rückte instinktiv etwas weiter weg, so weit das auf dem Sofa möglich war. Jetzt bloß keine Panik bekommen, wiederholte sie immer wieder in Gedanken und umklammerte ihren Zauberstab.
Die Qualmschlange machte wenige Zentimeter vor ihrem Gesicht Halt und musterte sie aus ihren schlitzförmigen Augen. Giselle erwiderte ihrem Blick, wenn auch nur leicht erschrocken.
Ganz ruhig liebes kleines Schángelchen, ich tue dir nichts, dachte sie sich in der Hoffnung, dass die Schlange das Gleiche dachte und gleich verschwinden würde. Aber das tat sie nicht.
Sie tat genau das, was Giselle erhofft hatte, das sie nicht tun würde. Sie schnappte, biss ihren Hals und verletzte ihr Gesicht.
Vor Schock fiel ihr sogar der Zauberstab aus der Hand, sodass sie sich nicht mehr hatte wehren können. Würde sie jetzt sterben und zurück in ihre eigentliche Zeit geworfen werden? Sie war, als sie zwölf gewesen, ist schon einmal "gestorben". Damals hatte sie sich unwissend von jeglicher Gefahr in London 1944 aufgehalten. Mittlerweile wusste sie zwar, dass diese Zeit viel zu gefährlich war, um sie zu besuchen. Es war eine Bombe, wie es die Muggel nannten, auf das Haus gefallen, in dem sie sich aufhielt. Bis heute hatte sie die Bilder nicht vergessen; all das Leid, die Trümmer, die Not. Unglaublich, was Krieg mit Menschen macht. Egal ob Zauberer oder Muggel. Jedenfalls, wurde sie damals durch die Zeit geworfen und fand sich verwundet und verwirrt in 2010 wieder. Es war furchtbar...
Die Schlange jedoch tötete sie nicht. Schon nach wenigen Angriffen ließ sie von ihr ab. Aber sie verschwand auch nicht...
Leise fing sie an zu zischen, so wie das Schlangen eben so machten. Aber nach jedem Zischen erschien ein Wort aus ihrem Maul. Buchstaben die Grün in der Luft brennend stehen blieben... Eine Botschaft.
Mit zusammen gezogenen Augenbrauen, überflog Giselle die einzeln erschienenen Wörter.
-Mein treuster Anhänger wird dich um Mitternacht im Verbotenen Wald erwarten!-sie nahm sich die Zeile noch ein zweites und ein drittes mal durch. Doch je öfter sie sie las, umso weniger ergaben die Wörter einen Sinn..

Jinx Of Time- Der Fluch Der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt