LXIV.

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1977

Es war mitten in der Nacht, als er plötzlich aufwachte. Er hatte geträumt. Und plötzlich war ihm klar was zu tun war. Sein ver-träumtes Lächeln konnte er nicht unterdrücken, als er zu ihr hinüber sah;Wie sie so da lag, neben ihm. Wäre sie wach gewesen, wäre es bestimmt nicht möglich gewesen.
Außerdem hatte er gar nicht bemerkt, dass er auf dem Stuhl neben ihrem Bett eingeschlafen war. Noch immer hielt er ihre Hand. Das Deplassierungsgerät lag auf dem Nachttisch neben ihr und er fragte sich, ob er es einfach probieren sollte. Noch war er sich nicht sicher, aber viel gab es nicht zu verlieren...

***

Bereits seit einer halben Stunde beobachtete er die zwei nun und war sich mittlerweile mehr als sicher über seine Vermutung.
Zunächst schliefen sie beide. Oder jedenfalls sah es so aus. Deswegen dachte er, er könnte wieder gehen, aber dann bemerkte er, wie der Junge langsam aus seinem Bett aufstand und zu ihr hinüber lief. Er hockte sich auf den Stuhl neben ihrem Bett und nahm ihre Hand.
Unglaublich, wie verliebt so manche sein konnten, dachte er sich hinter dem schmalen Türspalt. Er wurde sehr ungeduldig, denn es spannte ihn auf die Folter, ob dieser Schüler nun das Buch gelesen hatte oder nicht. Gleich würde er es sehen. Wenn er es gelesen hatte, würde er unmittelbar dadurch beeinflusst handeln.
Und tatsächlich. Er hatte recht gehabt. Zwar dauerte es noch eine Weile. Doch der heimlicher Beobachter hatte noch genügend Geduld und letztendlich auch Recht. Wie er schon erwartet hatte, griff der junge Zauberer nach dem Gerät auf dem Nachttisch. Kurz zögerte er, schien unsicher zu sein. Aber dann tat es doch. Er stach mit der Nadel ihren Finger. Das reichte dem anderen vor der Tür schon, um Bescheid zu wissen. Er drehte sich kurzerhand um und sah gar nicht mehr, wie die junge Hexe schritt für schritt verblasste und schließlich ganz verschwand.

2017

Jemand sprach zu ihr. Wie von einer anderen Welt hörte sich die Stimme in ihren Ohren verzerrt und unverständlich an. Sie bemühte sich die Stimme besser zu verstehen, aber es gelang ihr einfach nicht. Nach öfterem blinzeln gelang es ihr dann doch die Augen zu öffnen und zu ihrem Schreck war sie nicht am erwarteten Ort. Sie war weder in ihrem Zimmer in Hogwarts, noch im Krankenflügel. Das letzte woran sie sich erinnern konnte, war dieser schmerzhafter Zusammenprall mit etwas, was sie immer noch nicht definieren konnte. Aber wieso war sie dann jetzt plötzlich hier?
Sie sah auf ihre Hände: der linke Ringfinger war an einem kleinem Punkt rot und Blut lief an ihm herunter. Sie war also wieder in das Dornröschen-Syndrom (wie sie es bezeichnete) rein gerutscht. Aber wer hätte sie denn geweckt? Wer wusste was zu tun war? Jemand hat sie mit dem Deplassierungsgerät gestochen, aber wer? Verwirrt starrte sie auf ihre Finger; einige waren schon ein wenig vernarbt von den vielen Stichen, aber das wäre niemandem aufgefallen, der es nicht wusste. Nachdenklich musterte sie jedes einzelne Möbelstück ihres Zimmers und fuhr sich mit einer Hand durchs ungekämmte Haar. Dann blieb ihr Blick an dem Bild hängen, das sie damals, als sie noch ein kleines Mädchen war, an die Wand gemalt hatte. Tante Rosemary war damals nicht wenig über die demolierte, teure Seidentapete verärgert und hatte sie auch oftmals danach ermahnt solche Tätigkeiten zu unterlassen. Während ihre Nanny sie immer dafür gelobt hatte: "Schön machst du das... Ach, was ein talentiertes Kind du doch bist. Hör' nicht auf deine Tante. Die hat von Kunst keine Ahnung. Lass dir da nichts einreden, Liebes.", pflegte sie immer zu sagen.
-Ach, Papa... Wenn du wüsstest was ich gerade durch mache. Ich hoffe es doch so sehr, dass du bald wieder nach Hause kannst. Glaub mir, ich tue mein bestes, das verspreche ich dir. Niemals würde ich dich im Stich lassen, dachte sie sich und musste sich Mühe geben keinen emotionalen Ausbruch zu bekommen.
Um sich abzulenken, sah sie sich noch mal um und realisierte die Hauselfe, dessen Stimme sie eben gehört hatte, erst jetzt.
-Was ist Claudette? Was willst du?-
Die Hauselfe kam verlegen ins Zimmer und rang die ganze Zeit die Hände.
-Claudette wollte Mademoiselle nur daran erinnern, dass für heute etwas sehr wichtige vorgesehen ist... Aber Claudette hat sich nicht getraut Mademoiselle früher zu wecken...-
Giselle's Stirn legte sich in Falten; etwas sehr wichtiges?
-Was ist denn heute Claudette?! Ich hoffe du hast nicht vor mich rein zu legen...-sie konnte sich nicht dran erinnern heute etwas vorgehabt zu haben.
-Claudette kann sich dran erinnern, dass Madame Grasham sie gesondert dazu aufgefordert hat, Mademoiselle de Minuit an das heutige Datum zu erinnern.-
-Ja aber was ist denn nun heute?! Jetzt sag's schon du Dummes Ding!- die unterwürfige Art der Hauselfen zogen sie immer auf.
-Madame Grasham erwähnte einen besonders charmanten jungen Mann der Mademoiselle heute besuchen kommen und kennenlernen möchte...-
-Wie bitte?!-am liebsten wäre sie jetzt über ihre Tante her gefallen. Einige Minuten vergingen, bis sie sich wieder soweit beruhigt hatte, dass sie ruhig sprechen konnte.
-Wann genau wird unser Gast zu erwarten sein?-
-Madam sprach von achtzehn Uhr...-
Also hatte sie noch eine knappe Stunde, um in die Gänge zu kommen. Im Moment hatte sie ein Nachthemd von Hogwarts an, worin sie nicht wirklich gut ihre Vorzüge zu Vorschein bringen konnte.
-In Ordnung. Und jetzt: husch. Hau' ab.- mit einer Geste machte sie der kleinen Elfe deutlich, dass sie jetzt zu gehen hatte.
Was ihre Tante sich nicht erlaubte...
Mit welchem Vorwand mischte sie sich so dermaßen in ihr Privatleben ein? Unverschämt.
Aber jetzt musste sie sich erst mal fertig machen. Wen sie auch immer zu erwarten hatte, sie wollte einen guten Eindruck machen und auf keinen Fall abschreckend wirken (auch wenn sie nicht wirklich interessiert war...)
Also setzte sie sich auch das Geländer der alten Treppe und sauste hinunter in das zweite Stockwerk, um sich das passende Outfit aus der Garderobe auszusuchen.

Jinx Of Time- Der Fluch Der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt