LXXI.

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1977

Einige Meter lief er weiter ohne sich noch einmal umzudrehen, während seine Freunde ihm folgten.
-Wisst ihr was? Ich tue jetzt mal etwas verrücktes...-mehr geflüstert als gesprochen, warnte er seine Freunde vor seinem Vorhaben. -Ich will sie jetzt mal richtig überraschen.-
Er warf vorsichtshalber erst einen Blick über die Schulter; Giselle stand noch bis über den Knien im Wasser, mit dem Rücken zum Ufer und war damit beschäftigt das Wasser aus ihren Haaren zu drücken. Natürlich mit einem Zauber. Woher kannte sie so unendlich viele Zauber, die er nicht kannte? Er verscheuchte seine Gedanken. James antwortete noch etwas, aber das hörte er nicht mehr.
Einige Sekunden später, als sie sich endgültig aus dem Wasser begeben wollte und sich wendete, war es schon zu spät: sie sah nur noch seine Gestalt auf sich zu sausen, im nächsten Moment hatten seine Hände sich um ihre Taille geschlungen, seine Haare ihrer Wange berührt und dann übertrug sich die kinetische Energie auf sie. Kurz drauf war sie wieder unter Wasser. War er denn bescheuert?!

Sie schüttelte ihn von sich und versuchte mit größter Mühe wieder aufzustehen. Kaum war sie wieder auf den Beinen, begann sie ihn an zu brüllen: -Willst du mich jetzt in achtzig Zentimeter Wasser ertränk..-und noch einmal unterbrach er sie. Aber diesmal, indem er sie küsste. Vor der gesamten Schule. Jetzt zweifelte sie erst recht an seiner geistigen Vollständigkeit. Sie bemühte sich seit Monaten, ihre Gefühle zu unterdrücken und er? Ja er küsste sie mal so eben vor der ganzen Schule. Ist ja überhaupt nichts dabei. Völlig normal.

Ein lautes Klatschen. So laut, dass es in den Ohren hallt. Nein, kein Applaus. Sie hatte ihm schon wieder eine geschmiert, jeder konnte es sehen. War eben nur ein kurzer Genuss, das Küssen.
-So Leute jetzt geht ihr mal alle schön eurer eigenen Sache nach... Los auf! Hier gibt es nichts zu sehen!- James Stimme klang für ihn wie von einer ewigen Ferne. Sein bester Freund versuchte die Zuschauer so gut es ging zu vertreiben, mit mehr oder weniger Erfolg. Einige versuchten sich zu weigern aber die meisten machten sich jammernd auf den Weg und ließen die beiden alleine zurück. James und er hatten anscheinend doch so etwas wie Telepathie. Er hatte sich nämlich gerade vor wenigen Sekunden erst gewünscht, dass diese sensationsgierigen Menschen hier einfach verschwanden. Der Schlag, den ihm die kalte Hand eben verpasst hatte, brannte zwar noch, aber viel wichtiger war ihm, es nochmal zu versuchen, als sich auf dieses einzige Detail zu konzentrieren. Auch wenn sie ihn wieder verscheuchte, war es ein Versuch trotzdem wert. Sie war einfach zu schön, zu sehr genau das was er wollte, um es zu lassen. Wie sie da keinen halben Meter weit von ihm im Wasser stand, die Haare nass, im eisig kalten Wind leicht fröstelnd und doch mit einem Gesichtsausdruck, der ihn beinahe nieder gebrannt hätte. Fast berührten sich ihre Nasenspitzen. Warum schämt sie sich für ihn? Es war einfach nicht zu verstehen.
-Du hast es gestohlen. Du hast das Buch geklaut. Ich fasziniere dich so sehr, dass du mich sogar bestiehlst. Gib es mir wieder. Und vergiss was darin steht. Wo hast du es versteckt?-aus irgendeinem Grund wurde ihr das jetzt erst klar.
-Wenn ich es dir sage, küsst du mich dann noch einmal? So wie damals?-hoffnungsvoll blickte er sie an. Von seiner Wut war nichts mehr übrig. Zwar tat es immer noch weh, dass sie gerade seine Schwachstelle angegriffen hatte, noch dazu vor einem recht großem Publikum, aber selbst das gönnte er ihr.
-Nein.- einen Bogen um ihn schlagend lief sie auf das Ufer zu. Warum?
-Bitte...-
-Nein! Und jetzt habe ich wichtigeres zu tun.- und dann lief sie einfach so davon. Ohne ihn noch einmal anzusehen. Ohne sich umzudrehen. Ohne Rechenschaft.
Bis jetzt lief sein Geburtstag nicht gerade traumhaft.

(Am Tag zuvor)

Zur Zeit konnte er das Schloss nicht verlassen ohne bemerkt zu werden. Seit dem das mit der Malfoy bekannt geworden ist, war es viel komplizierter geworden die Schule zu verlassen oder auch zu betreten. Aber damit hatte er auch gerechnet. Von der einen Seite hatte es ja Vorteile, dass keiner das Schloss verlassen konnte, aber das bedeutete auch gleichzeitig, dass er nicht zu seinem Herrn gehen konnte. Zum Glück gab es da noch andere Möglichkeiten, die trotz der vorgenommenen Schutzmaßnahmen sich umsetzen ließen. Möglichkeiten, die Dumbledore vielleicht gar nicht bedacht hatte oder womöglich gar nicht vorhersehen konnte.
Er warf einen Blick auf auf den Globus ähnlichen Gegenstand auf dem geräumigen Regal. Hierbei handelte es sich um ein im allgemeinen äußerst auffälliges Teil, jedoch war das faszinierendste an ihm die große Glaskugel, die mit einer schwarzen Rauch ähnelnden Materie gefüllt war. Die Kugel selbst war auf vier kunstvoll verzierte Füße gestützt so wie unterhalb in der Mitte von etwas wie einer Öllampe, die ebenfalls größten Teils aus Glas bestand, allerdings aus kobaltblauem,
Giselle hatte das Gerät, wovon es auf der Welt nur noch ein einziges weiteres Exemplar gab, auch genauer betrachtet, jedoch hatte sie entweder nicht genug Achtung geschenkt oder sie hatte den Oxyphylus einfach nicht erkannt. Sie hatte zwar nachgefragt, was es für ein Gegenstand sei, aber als er ihr antwortete, es sei zum Transport von bestimmten Dingen gedacht, hackte sie nicht weiter nach. Zu seiner Überraschung. Natürlich hatte er nicht erwähnt, dass noch viel mehr möglich war mit diesem Teil, aber so hatte er sie auch nicht angelogen. Es konnte wirklich Dinge von einem Ort zum anderen Übertragen, aber nur zu dem Besitzer des anderen Oxyphylus. Natürlich hatte er auch nicht erwähnt, unter welchen Umständen solch ein Oxyphylus hergestellt wurde; früher am Anfang des Jahrhunderts gab es noch viele von diesem Objekten und viele benutzten es auch. Später wurden sie verboten, auf Grund der vielen Unfälle damit und vor allem aber wegen ihrer grausamen Herstellungsweise. Man kann mit einfachen Worten sagen, dass es sich hierbei um ein schwarzmagisches Mittel handelte.

Zwischen zwei Oxyphylien bestand eine Bahn, vergleichbar mit einem Magnetfeld, auf dem der gewünschte Gegenstand transportiert werden konnte. Man musste nur den in der Kugel gefangenen Obcurus, bestehend aus der unterdrückten magischen Energie eines Zauberers, dazu zwingen auf dieser Bahn, vor der Blauflamme, erzeugt durch die Lampe im unteren Bereich, zu flüchten, zum anderen Oxyphylus. Bei diesem Prozess wurde der Gegenstand vom Obscurus automatisch mit gerissen. Und da keine andere Fluchtmöglichkeit für den Obscurus bestand, bekam der Empfänger den Gegenstand, der gesendet werden sollte, mit einer Verzögerung von wenigen Sekunden.
Die große Uhr schlug viertel vor zwölf. Gleich war es soweit, und er bekam die Erlaubnis für sein Vorhaben.
Das Buch hatte in sofern eine Wirkung gehabt, dass sie sich nicht traute all zu oft in die Zukunft nach Hause zu reisen, weil sie sich sorgen um ihren Vater machte.
Wenn er sie erst mal aus dem Weg geräumt hatte, würde er sich auch noch um den kümmern.

Jinx Of Time- Der Fluch Der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt