Jinx Of Time- Der Fluch Der Zeit

LXX.

1977

Schon als Kind hatte sie Schwierigkeiten damit zu lachen. Das Lächeln war kein Problem, aber so richtig sorglos, ehrlich und laut lachen konnte sie nicht wirklich. Es ging einfach nicht. Es gab keine Ursache, die hätte sie so sehr aus der Bahn bringen können, dass sie einen Lachanfall bekam. Genauso hatte sie vorher auch nie so einen Heulkrampf bekommen, wie an jenem Abend im Raum der Wünsche. Generell gab es viele Emotionen, die sie verstand, aber selbst nicht auf so einer Eben fühlen konnte, wie die meisten anderen. Erst seit dem sie ihn kannte, kam es manchmal zu Emotions-Wellen, die sie im Nachhinein als gar nicht sich selbst anerkannte. Wie ein Blackout.
Und in der Sekunde, als sie aus dem Wasser wieder auftauchte, überkam solch eine Welle von Emotionen sie fast wieder. Aber nur fast.
Im ersten Moment wollte sie tatsächlich noch lachen, aber dann drängelte sich ein Bild von ihr selbst in ihren Kopf, wie sie schon wieder sich geehrt fühlen sollte, dass Sirius Black ausgerechnet mit ihr diesen Quatsch unternommen hat. Mittlerweile hatte sich ein Kreis von Zeugen oder besser gesagt Zuschauern gebildet, die alle gespannt auf die Weiterentwicklung der Sensation warteten. Wie Geier, wenn sie darauf warten, dass das Raubtier sich an der Beute satt frisst und sie den Rest ergattern können sobald der Jäger sich entfernt. In diesem Fall war sie die Beute.
Sie sah diese Gruppe von Mädchen, die wahrscheinlich alles gegeben hätten, um jetzt in ihrer Haut zu stecken, von Sirius zum See getragen zu werden, aber vermutlich hätten sie sogar dafür schon alles gegeben, dass er einmal ihren Namen ausspricht.
Der eben genannte kroch gerade aus dem Wasser; auch das tat er so elegant und geschickt, wie kein anderer es gekonnt hätte, und wurde anschließend von seinen Freunden empfangen. Diese Gratulieren ihm mit Respekt und applaudierten sogar.
Einen Moment überlegte sie. Dann fiel der Groschen endgültig. Sie hatte so etwas wie eine Wette.
-Du bist genauso, wie deine Familie!- noch nicht einmal brüllen musste sie. Das war die härteste Beleidigung, die ihr einfiel. Vor allem für ihn. Der Satz erreichte auch den gewünschten Effekt; Sirius verharrte in seiner Bewegung und alle anderen, die außen herum standen, spürten, wie ein eisiger Windhauch, der wie durch Zauberei gerade in der Sekunde über den Park wehte, als sie diese Bemerkung ausließ, ihnen Gänsehaut einjagte und einem fast bis zu den Knochen auskühlen ließ. Keiner wusste so genau, ob es ihre Diskussion war, die alles gefrieren ließ, oder ob es einfach der nahende Winter war, der die Veränderung mit sich brachte. Es war beängstigend.
Jetzt, dass er all seine Aufmerksamkeit ihr schenkte, fuhr sie mit zwar energischer aber keines Wegs hysterischer Stimme fort: -Genau wie der Rest deiner Familie, lässt du dir auch von anderen etwas aufzwingen. Du hast nicht die Stärke dagegen an zu treten, nicht die Stärke Nein zu sagen. Du lässt dich von anderen beeinflussen und steuern und das ist letztendlich genau das was deine Familie auch tut.- damit war es gemacht. Sie hatte genau das gesagt, was ihm bestimmt am aller meisten Schmerzte. Sie hatte Salz auf seine Wunden gestreut.
Einen Moment lang verengten sich seine Augen und sie dachte er würde in der nächsten Sekunde ausrasten, aber so kam es nicht. Er lachte lauthals auf. Ein trauriges enttäuschtes Lachen, jedoch hörte man dass es nicht gezwungen oder angestrengt war. Er musste einfach wirklich lachen. Sie bewunderte ihn dafür. Einige wussten nicht, was sie mit der entstandenen Atmosphäre anfangen sollten und es entstand ein allgemeines Gemurmel unter den Schülern.
Dann plötzlich hörte er auf. Und starrte sie mit einem finsteren Blick an. So finster, dass sie es selbst nicht besser gekonnt hätte. Immerhin. Vielleicht hatte er doch etwas von ihr gelernt...
-Und weißt du was du bist, de Minuit?! Was du was?!- er ließ seine Worte mit einer kurzen Pause ausklingen. Wie dramatisch. Keinen Moment ließen seine Augen die ihren los. -Du bist kalt! Noch nicht einmal lachen kannst du! Was bist du eigentlich für ein Mensch?! Bist du überhaupt ein Mensch?!-mit jedem Wort sprach er etwas lauter. Und enttäuschter.
So hätte er ihr beinahe Angst machen können. Aber nur beinahe. Unter ihrer Maske von Ausdruckslosigkeit war sie überrascht. War das wirklich was andere von ihr dachten?
Dass sie ein Gefühlloses, Ausdrucksloses Wesen ist? Sie hatte doch Gefühle, nur wollte sie nicht, dass es andere sahen.
-Ach tatsächlich?! So siehst du mich also?! Ich bin also deiner Meinung nach kalt?! Vielleicht habe ich ja Gefühle. Aber für dich bestimmt nicht. Und weißt du was?! Das musst nicht ausgerechnet du mir sagen. Du der immer alles über reagieren muss. Mr Impulsiv.-
-Das einzige das du fühlst ist Wut und Hass. Deswegen sagst du so etwas auch. Alles andere kannst du nämlich gar nicht nachvollziehen. Wach auf Giselle. Lebe endlich!-
-Du hast mir schon so oft gesagt,was ich tun soll. Ich soll ehrlich mit mir selbst sein, ich soll...- sie war noch nicht fertig als er ihr ins Wort fiel. Das hasste sie.
-Siehst du denn nicht, dass das alles zusammen hängt?!-erwiderte er jetzt schon in einem etwas ausrastendem Ton.
-Sag mir nicht was ich tun soll, du Idiot! Ich brauche deine Lebensratschläge nicht!- brüllte sie zurück.
Und dann lachte er wieder auf. Der Junge war verrückt, ohne frage. Jetzt steht er da mitten in einer Konfrontation und lacht. Er lacht ehrlich, so wie wenn jemand zutiefst amüsiert ist. Keiner merkt, wie weh es ihm eigentlich tut sich genau diese Worte aus genau diesem Mund anhören zu müssen.
-Du bist albern...- sagte er schließlich nach dem er seinen Lachanfall wieder etwas mehr unter Kontrolle hatte. Allerdings klang er weit nicht mehr so verärgert wie vorher.
-Du bist kindisch!- von der Stimme beurteilt war sie immer noch auf 180 während er immer und immer wieder mit seinem Lachen zu kämpfen hatte. Dann wurde er wieder Ernst. Immer diese plötzlichen Wechsel, so widersprüchlich, dass keiner mehr damit etwas anfangen zu können scheint.
-Du bist eine Lügnerin! Eine größere Lügnerin, als dich gibt es auf dieser Welt gar nicht. Jeden Lügst du an. Sogar dich selbst!-