LXXV.

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1977

Ella und Sirius standen sich eine Weile im Weg, starrten sich verlegen und verfeindet an und gingen mit leichter Verzögerung aneinander vorbei. Als Giselle sah, dass er die beiden Mädchen einfach so gehen ließ, ohne sie zu warnen oder zu informieren über den Stand der Dinge, fiel ihr ein Stein vom Herzen. Jedoch hielt die Erleichterung nur kurz an; dann machte sie Platz für die Rachsucht, den sie auf Grund ihrer letzten Begegnung mit Black vor ein paar Stunden ihm gegenüber verspürte. Zwar hatte sie ihn vor der gesamten Schule bloßgestellt, indem sie ihn und seine Familie mit einander verglich, da das Verhältnis der Blacks zu ihrem älteren Sohn in der Schule als ziemlich legendär und revolutionär galt, war das eine wahrlich starke Demütigung, und dennoch waren sie beide ihrer Meinung nach lange nicht quitt.
Sirius Augen erfassten zu erst sie und dann ihren Vater; mit ihm hatten sie sich seit gute einem halben Jahr nicht gesehen und seine Erinnerungen an das letzte mal waren keine besonders angenehme. Die beiden begegneten sich daher mit Distanz und etwas Abneigung, was Giselles Situation nicht grade einfacher machte. Weder Giselle noch Charles de Minuit konnten ahnen, dass drei weitere Personen, mit Sirius Black in die Eulerei gekommen waren unter guter Tarnung; James, Peter und Remus bemühten sich auf der Treppe möglichst unbemerkt zu bleiben bedeckt von James Tarnumhang.
Zu dem fiel Giselle erst jetzt auf, dass auch Jena und Ella auf der Treppe standen, sodass ihre Gegenwart nicht wirklich auffiel und sie trotzdem das Gespräch belauschen konnten. Selbst die beiden Mädchen hatten die drei Jungs hinter sich nicht bemerkt.
Da keinem so genau die Anzahl der Zeugen bekannt war, eskalierte die Sache innerhalb weniger Sekunden.
-Giselle, ich wollte nur noch mal sagen...-er holte tief Luft. -Dass es nicht meine Absicht war dich... bloßzustellen oder zu demütigen...vor allem nicht vor...Publikum.- James nahm den Tarnumhang ab, damit Sirius ihn sehen konnte. Jedoch wurde die Gruppe der Rumtreiber nun von den beiden Mädchen vor ihnen erkannt. Ella schnaubte kurz, um sich gleich auf eine Diskussion mit James ein lassen zu können, aber sie bekam ihren Zorn  in letzter Sekunde noch in den Griff auf Grund der spannende Lage, in der sich hier alle gerade befanden, und bleib lieber still, um nicht aufzufallen.
Giselle stand in einem Winkel zur Treppe gewandt, in dem sie James nicht sehen konnte. Zum Glück, denn wenn sie ihn mit seinem Daumen hoch bei Sirius Anlauf bei ihr sich zu Entschuldigen gesehen hätte, hätte sie ihn vermutlich aus dem Turm gestoßen. Oder so was in der Art.
-Ach, was du nicht sagst. Ich weiß gar nicht was schlimmer ist; wenn du es aus eigenem Willen getan hättest oder so wie es tatsächlich war, aus Nachgiebigkeit und mangelndem Widerstand gegen deine Freunde.- kurz legte sie eine Pause ein. -Mache es nicht noch schlimmer, als es ohne hin schon ist, Black. Ich bin nicht sauer auf dich. Ich bin bloß noch viel mehr enttäuscht von dir, als ich es von Anfang an schon war. Und wir sind noch lange nicht fertig miteinander, da kannst du dir sicher sein.- mit ihrem Zeigefinger deutete sie auf Treppe, so ihm schildernd, er sollte jetzt gehen. Ella und Jenna kicherten leise, da sie dachten Black wäre vollkommen ins Fettnäpfchen getreten, vor Giselles Verehrer über die vergangene Pause zu reden.Während dessen kratze sich James nur hilflos am Hinterkopf. Wer war der Unbekannte neben de Minuit? Wie merkwürdig, dass sie sich so ähnlich sahen. Oder bildete er sich das nur ein? Er war sich nicht sicher.
-Ehrlich gesagt hoffe ich sogar, dass wir das noch nicht miteinander fertig sind. Ich will dich nämlich grade um ein Date mit mir bitten...heute Abend. Hoffentlich hast du noch nichts vor...- etwas verlegen schaute er nun zu Giselles Vater. -Ich hoffe Sie gestatten mir, Ihre Tochter heute Abend auszuführen?-
Giselle war kurz davor ihn zu erwürgen. Auch, wenn diese Verhaltensweise sie tief im inneren kurz lächeln ließ. Wie konservativ von ihm... Wie höflich, gut erzogen, wie respektvoll... Bald wäre sie ihm an die Kehle gegangen dafür.
-Du hast wohl eher entführen gemeint.- korrigierte sie ihn. -Ich gehe mit dir nirgendwo hin. Außerdem ist heute Donnerstag. Heute ist keineswegs Ausgang gestattet...-
Ella und Jena sahen sich mir großen Augen an und sogar mit den Rumtreiben wechselten sie einen Blick bei dem Wort Tochter. Giselle hatte sie angelogen. Sie war mit dem jungen Mann neben ihr verwandt. Jena und Ella glaubten den Zauberer in ihm zu erkennen, den sie überall suchten und zur Rede zu stellen wollten. Im Tages Profeten war ein Artikel darüber. Jedoch blieben alle stehen wie vorher; teilst aus Verwunderung, teilst auch aus Neugierde.
Charles schaute nur noch verwirrt hin und her; er hatte die fünf Jugendlichen erblickt, dazu kam Black mit seiner übertrieben höflichen Geste und dieses Mädchen, das ihn mit ähnlichem Gesichtsausdruck anschaute, den er auch auf seinem eigenen Gesicht vermutete.
Das Geheimnis seines Aufenthaltes war hiermit so gut wie öffentlich. Aber er hatte noch die Möglichkeit alles zurecht zu biegen.
-Ich verstehe nicht was Sie wollen? Mein Name ist Paul Harrison. Und wie bitte sollte diese Junge Frau hier meine Tochter sein? Wie Sie sehen können sind wir gleichen Alters? Finden sie Ihre Bemerkung nicht etwas grotesk?- richtete er sein diesmal bemüht akzentfreies Wort an Sirius, der kurz drauf rot an anlief. Jetzt hatte er verstanden; natürlich, wie dumm auch von ihm, ihn vor aller Welt so offen zu fragen...aller Welt? Es waren doch bloß seine Freunde.
-Sie...Es...öhm...ich habe... ich dachte... Sie... ich muss Sie wohl mit jemandem verwechselt haben...- stotterte er, mit der Absicht seinen Fehler auszubessern.
Die fünf Menschen auf der Treppe, halb anwesend halb nicht, wussten nun nichts mehr mit der Lage an zu fangen. Zu tiefst verwirrt starrten sie einander an, was sie in einer gewöhnlichen Situation wohl kaum getan hätten, wenn man ihr alltägliches Verhältnis betrachtete.
-Ist er es?- flüsterte Jena in Ellas Ohr. Diese antwortete nur, indem die Achseln zuckte. Sie war sich nun nicht mehr sicher.
-Wie du siehst, habe ich heute Abend schon besseres zu tun, als mit dir aus zu gehen. Paul und ich haben uns vor einer Ewigkeit das letzte mal gesehen. Außerdem sehne ich mich nicht nach deiner Gesellschaft. Ich kann durchaus auf sie verzichten.-fuhr sie ihn an. Dabei war es ihm klar, dass das nur eine Ausrede war.
Die Erkenntnis überrollte ihn wie eine Lawine. Die Erkenntnis, was das Problem war zwischen ihnen, weshalb sie es seit so langer Zeit nicht schafften auf einen grünen Zweig zu kommen: Sie entsprach in jeder Hinsicht den Vorstellungen seiner Familie. Giselle de Minuit war genau die junge Frau, die sich seine Eltern für ihn erhofften. Mit scharfem Verstand gesegnet, reinem Blut aus einer Uralten Zauberer Familie in ihren Adern, von französischer Abstimmung (was in den Augen seiner Eltern ein Kriterium war für Eleganz und Edel) zusätzlich  bildschön und begabt; sie verkörperte kurz gefasst alles, was man brauchte, um Mrs Black zu werden.
Und er liebte sie auch noch. Nicht auf Grund ihres Aussehens, ihrer Intelligenz und auch nicht, um Merlins Willen, wegen ihrer Abstammung. Nein, er liebte, dass sie ihn herausforderte, dass sie ihm das Gefühl gab, sich entwickeln zu müssen, sich verbessern zu müssen und noch dazu, dass sie ihm irgendwie doch verschreckend ähnlich war. Wie sonst hätten sie sich so wunderschön streiten können, wie sonst hätten sie einander so tief verletzten können, wenn sie nicht bis in den Kern sich geähnelt hätten?
Und obwohl sie ihn schon wieder abgewiesen hatte und heute sein Geburtstag war, konnte er nicht anders, als bei dieser Erkenntnis traurig zu lächeln. Er liebte sie.
-Jetzt geh endlich! Wie oft muss ich es noch sagen?!- tobte sie weiter. Sie war einfach wunderschön, wenn sie verwirrt und zornig war auf einmal. So mit ihr zurechtzukommen, war eine Herausforderung besonderen Maßes.
Enttäuscht machte er einen Schritt zur Treppe. Dann aber ging er einen Schritt zurück  auf sie zu und flüsterte ihr hoffnungslos zu: -Bitte tu mir das nicht an.-
Bitte tu mir das nicht an. Es ist schon schwer genug zu wissen, dass ich es meinen Eltern nie werde recht machen können. Das will ich auch überhaupt nicht mehr... und dennoch; zu wissen, dass ich jemanden liebe, der ihren Vorstellungen entspricht, macht mich wahnsinnig und ich könnte es nicht ertragen, auch dir es nie recht machen zu können, dachte er sich. Einmal wollte er die Chance bekommen. Nur ein mal fühlen, bestätigt werden darin, dass es nicht  an ihm lag dass seine Eltern ihn verstoßen hatten, dass er durchaus ein Black war, der bloß nicht einsah, ein Rassist zu sein deswegen. Es waren seine Zweifel an sich selbst, die ihm all diese Gedanken bereiteten, und sein Bestreben nach Veränderung. Endlich nicht der Falsche sein. Endlich von ihr respektiert zu werden. Das war seine Sehnsucht.

Jinx Of Time- Der Fluch Der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt