02 | 1942

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Hogwarts,
1. September 1942

Der Herbst brach langsam ein. Durch die trüben Fenster sah man wie sich die Landschaft nach und nach veränderte. Der Schwarze See glitzerte in der Dämmerung und spiegelte die Schatten der Zugvögel die in Schaaren vorbeiflogen. Sie machten sich auf dem Weg in den Süden, wo sie über die kalten Wintertage verweilten. Sah man in die Ferne, so erhaschte man das Quidditchfeld mit den Türmen und den Toren. Die Fahnen wehten beruhigend im Wind, es sah beinahe so aus, als würde der Wind sie zum tanzen bringen. Liess man seinen Blick nach links schwanken so begrüsste einem der Verbotene Wald in seiner vollkommenen Pracht.

Die dunklen Baumkronen strahlten eine düstere, bedrohliche Aura aus. Doch dies raubte der Landschaft nicht eine Sekunde lang ihre Schönheit. Im Gegenteil, wie die Sonne über den Baumkronen jeden Abend verschwand und den ganzen Himmel in eine blutrote Farbe tauchte, war atemberaubend. Allein der Gedanke was für verschiedene Kreaturen dieser Wald beherbergte, liess einen vor Furcht erschaudern. Vielleicht war es die Tatsache das man den Verbotenen Wald nicht betreten durfte, dass dieser nur noch interesanter für die Schüler wurde.

Hogwarts war vollkommen. Es war mein Zuhause und die Quelle des Wissens, aus welcher jeder seinen Wissensdurst stillen konnte. Ein Labyrinth aus Treppen, Zimmer und unerforschten Räumen die jedes junge Herz schneller schlagen liess. Zwei Jahre war es nun schon her, als ich den ersten Fuss in dieses majestätische Gebäude gesetzt habe. Es war der beste Tag meines Lebens, als ich die Einladung der Hogwarts Schule für Hexerei und Zauberei erhalten hatte. Ich fühlte mich meiner Mutter dadurch sehr nahe. Auch sie war eine Hexe und eine ziemlich mächtige noch dazu, soweit ich es von meinem Vater mitbekommen hatte.

Er redete nicht oft über sie und wenn er ihren Namen mal aussprach, dann war der Kontext meist schlechter Natur. Er hasste sie um ehrlich zu sein, verabscheute die Tatsache, dass sie Kräfte besass, welche er nicht begreifen konnte. Aber welcher Muggel dachte schon anders? Und die selbe Abscheu übertrug sich auch auf mich, sobald er herausfand, dass ich die selben Kräfte von ihr geerbt hatte. Ich konnte mich noch gut an den einen Eimer erinnern den ich verschwinden liess, weil ich den Boden nicht schrubben wollte. Er war seit dem ich mich erinnern konnte, ein sehr strenger Vater. Mal davon abgesehen, dass er mich wegen meiner Begabung nicht mochte, sprach er auch früher nur selten mit mir. Er kam von der Arbeit nach hause und wollte meist nur die Tageszeitung lesen.

Meine Finger spielten mit der Kante einer zerfetzten Seite, wo ein Foto meiner Mutter war, die mich in ihrem Schoß hielt. Ich war zu dieser Zeit wahrscheinlich vier oder fünf. Ich erinnerte mich, dass meine Mutter hübsch war, mit mütterlichen Kurven und tiefen smaragdgrünen Augen. Auf der gegenüberliegenden Seite waren zwei Muggelbilder zu sehen: einer meiner Eltern zusammen und ein Solo-Bild meines Vaters. Das oberste zeigte Mutter und er im Park - sie in einem einfachen Kleid und er in einem dreiteiligen Anzug. Ihr Lächeln sah falsch aus.

Wo er alleine drauf war, trug er eine braune Daunenjacke. Er sah sehr schlicht aus. Meine Mutter sagte mir immer, das es seine Art war. Sein Gesicht war dünn, genauso wie sein Körper. Ich sehnte mich danach, die Kurven meiner Mutter zu haben, aber ich war flach und steif wie ein Brett. Ich wusste nie, was sie in ihm gesehen hatte. Er sah starr aus im vergleich zu Mutter, die Wärme und Sanftheit ausstrahlte.

Als ich an diesem verheissungsvollen Tag ihren kalten, toten Körper vor mir sah, geriet ich in einen Schockzustand. An diesen Tag dachte ich nicht viel, es war zu schrecklich, besonders weil meine Erinnerungen kaum vorhanden waren - ich konnte mich nur an ihr scheinbar schlafendes Gesicht erinnern, wie es und warum es dazu kam dass sie gestorben ist, erinnerte ich mich nicht. Und mein Vater sprach nie darüber. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich geweint habe, aber ich erinnere mich, dass ich lange Zeit nicht mit jemandem gesprochen hatte.

HeirsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt