25 | 1948

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Schloss in Cote d'Or,
Dijon, 13. Juni 1948

Tom P.O.V.

Als ich den armen Macnair aufmerksam beobachtete, wie er zum Altar schritt, musste ich mich fragen: warum war ich hier?

Ich nehme an, dass es notwendig ist, ein paar Auftritte als Lord Voldemort zu machen, um überhaupt irgendwelche Anhänger für mich gewinnen zu können. Aber wenn dies bedeutete, an solchen schnulzigen Plätzen zu gehen, dann glaube ich, werde ich in Zukunft Eva alleine hinschicken.Aber was könnte sie schon alleine bewirken?

Ich sah sie kurz an.

Sie sass zu meiner Rechten und ihre gesamte Aufmerksamkeit war der Zeremonie gewidmet. Obwohl ich eine vage Vorstellung davon hatte, was sie dachte, konnte ich nicht gegen den Drang ankämpfen in ihre Gedanken zu dringen.

Ich wünschte, ich könnte diejenige sein, die das Brautkleid trägt.

Ich rollte meine Augen. In letzter Zeit war sie sehr gut gewesen, ihre überwältigenden Gefühle mir gegenüber zu unterdrücken. In den ersten paar Monaten, in welchen wir zusammen lebten, wollte ich sie am liebsten jedesmal wenn ich ihre Gedanken hörte, schlagen.

Aber nach ihrem Ausbruch beim Manticore hatte sie endlich verstanden, wie unsere Beziehung verlaufen würde.

Ich wusste, mit ihr zu einer Hochzeit zu gehen, würde diese Gefühle wieder aufschäumen lassen. Doch hatte ich ja auch die Möglichkeit, Evas Gedanken nicht zu lesen, obwohl es ein wirklich amüsanter Zeitvertreib sein konnte.

Die Musik veränderte sich langsam in eine eindringlicheren Melodie. Es klang ganz schrecklich. Carina Rosier, im Schneckentempo, ging den Gang der Rosenbögen hinunter. Ihr Kleid war nichts Außergewöhnliches - lange Ärmel, Spitzenschultern, schwerer Schleier. Sogar die Schmetterlinge waren müde vom Fliegen und sassen momentan einfach auf den Rückenlehnen der Gäste. Meine Finger trommelten in Aufregung auf meinem Zauberstab.

Was war der Sinn von Hochzeiten? Zwei Menschen wollten einer Horde anderer Menschen ihre Liebe unter die Nase reiben. Das war so dumm. Vielleicht war es eine Art gesellschaftliches Dekret, um einem Mann und einer Frau die Erlaubnis zu geben, miteinander Sex haben zu können. Als ob sie es nicht schon getan hätten ...

Nein, ich musste mich daran erinnern, dass diese Leute in einer strengen Gesellschaft voller Zwänge und Vorschriften lebten. Zu heiraten war der legale Weg, um mehr Reinblüter zu schaffen. Niemand hatte die Intelligenz sich unsterblich zu machen, also stellten sie somit sicher, dass ihr Name durch ihre Kinder weiterleben würde.

Schließlich hatte Carina es mit ihrem Verlobten endlich zum Alter geschafft. Sie sah besser als üblich aus, mit ihren lockigen Haaren die ihr Gesicht umrahmten. Das Hochzeitsthema: Rot, fand sich auch in der Farbe ihrer Lippen und in den Kleidern ihrer Brautjungfern wieder. Es war bestimmt nicht so gewollt, doch schien es eher als ob ein Massenmord vor der Zeremonie stattgefunden hätte. Mir entkam ein dunkles Lächeln, als ich mir die ganze Panik kurz vorstellte.

Ich hatte wohl während meines Tagestraums etwas lauter als gewollt gelacht, denn ich sah, wie Eva mir einen strengen Blick hinter ihrer Maske zuwarf. Ich ignorierte sie.

Der alte Priester der die Hochzeit leitete, begann zu erzählen, was für ein perfektes Paar Arthur und Carina doch seien. Doch Arthur sah vor lauter Aufregung eher so aus, als würde ihm das Essen gleich hochkommen. Er hatte sich wie der Rest der Männer sauber rasiert, was ein Kontrast zu seinem sonst etwas ungepflegten Erscheinungsbild darstellte.

Mein Blick fiel auf meine eigenen Kleider, die zwar ziemlich neu aussahen, es aber nicht waren. Eva hatte sie etwas hochwertiger gemacht und sie schloss ein kleines Loch auf der Hinterseite meines Gillets. Ich wünschte mir, sie hätte auch ihren Mund zugeschnürt, als wir zu dieses Treffen mit den Vampiren gingen. Nach der misslungenen Verhandlung hätte ich am liebsten ihr Gedächtnis gelöscht und sie in der Winkelgasse ausgesetzt, oder sie einfach getötet. In Zorn gehüllt, konnte ich leider keines von beiden tun. Als diese zwei Möglichkeiten vom Tisch waren, was blieb mir da noch übrig, als sie einfach zu ignorieren?

HeirsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt