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Paris, 5. September 1949

Ich nahm einen Schluck von meinem dampfenden schwarzen Kaffee, während ich Muggel Fußgänger in Anzügen und Röcken auf dem Bürgersteig der Pariser Straße laufen sah. Auch einige auf Fahrräder huschten an uns vorbei. Tom trommelte mit den Fingern gegen den mit Leinen bedeckten Tisch, auf der sein Kaffee stand, unberührt. Wir wurden von der Mittagssonne mit einer cremefarbenen Markise beschattet. Die Gebäude, die auf den Straßen zu sehen waren, waren farbig: weiß, grau, creme. Das einzig dunkle waren die Dächer und die Geländer. Der Rauch aus den Schornsteinen, schien den Himmel kaum zu berühren, besonders im Vergleich zum Eiffelturm in der Ferne. Die Reihen von endlosen Fenstern schienen die Gebäude zusammen zu verbinden, als ob ich in einem riesigen Spiegel sah, der sich endlos hinausstreckte.

Mit meiner freien Hand fuhr ich über meine neuen Roben, die Tom mir gekauft hatte. Ich trug die weißen ellenbogenlangen Handschuhe, mit einem schwarzen High Heel, den ich tief unter dem Bett versteckt fand. Ich steckte meine Haare - so weit es mir mit meinen kinnlangen Haaren möglich war - zusammen und setzte ein bisschen Make-up auf und dies nur, weil Tom sich auch so herausgeputzt hatte und ich mich fühlte als ob ich mich anpassen sollte. Doch draussen fühlte ich mich sehr verlegen, weil ich mir im Vergleich zu den grau-weissen und stumpfen Muggelkleider der anderen, overdressed vorkam.

Aber momentan zog ich die französische Atmosphäre ein.

Ich genoss es, in den Muggel-Autos zu fahren: alle schwarz, glänzend und fremd. Ein paar Hupen kamen aus der Ferne, und ich sah zu Tom. Mittlerweile zog er eine tarierte silberne Taschenuhr aus seinem grauen, dreiteiligen Anzug heraus. Sein Haar war besonders schön gekämmt und er hatte sein Gesicht heute morgen rasiert. Ein Bein wurde über das andere in einer lockeren Weise gekreuzt, aber ich konnte sehen, dass er von Ruhe weit entfernt war.

Angeblich hatte er eine Zeit lang mit einem der Kobolde aus der Gringotts Zaubererbank korrespondiert. Tom hatte vorgetäuscht, eine Art junger Unternehmer zu sein, der auf etwas Geld hoffte, sowie ein seltenes Artefakt in seinem Besitz hatte und sich nun erkundigen wollte, ob dieses aus Koboldgold gemeisselt wäre.

Er hatte mir zuhause erklärt, dass die Kobolde Zauberer hassten, die ihre Kreationen im Besitz hatten. Tom wusste, dass er ihr Interesse mit seiner Aussage bekommen würde. Seine Lüge hatte funktioniert und zwei Kobolde stimmten ihm zu, sich zu treffen. Aber Tom wollte nicht in London, da es zu gefährlich sein würde. Am Ende hatten wir uns alle auf Paris geeinigt.

Momentan warteten wir außerhalb des Café Mystique, einem Eingang in die Zauberergemeinschaft Frankreichs, der dem Tropfenden Kessel ähnlich war. Tom und ich waren vorher hineingegangen, weil wir neugierig waren. Wir folgten ahnungslos einem Hexenpaar, das sich im hinteren Teil des Cafés in Französisch unterhielt. Der Aufzug war alt mit nur einem klappernden Akkordeontor, das Tom für uns schließen musste, um in die nächste Etage zu gelangen. Das Tor war ziemlich hübsch mit goldfarbenem Metall im Art-Deco-Stil. Es gab keine Tasten oder Hinweise darauf, dass der Aufzug auf irgendeine andere Weise als Magie betrieben wurde.

Es fühlte sich an, als wären wir weit über die sieben oder acht Stockwerke des Gebäudes hinausgefahren. Endlich kamen wir an unserem Ziel an und passende Akkordeonmusik begrüßte uns. Die Frauen hinter uns hatten nicht aufgehört, während der ganzen Fahrt zu plaudern und gingen an uns vorbei, um ihre Unterhaltung fortzusetzen.

Tom und ich traten aus dem Aufzug und bewunderten die uns dargebotene Aussicht.

Diese französische Zauberergemeinde war anstelle eines Gassengeländes wie ein Einkaufszentrum in der Innenstadt gestaltet. Das geschwungene Dach wurde von gelb lackierten Metallbalken gehalten und mit Quadraten aus Glas bedeckt, so dass der klare, blaue Himmel oben durchschaute und auf den schwarz-weißen karierten Fliesenboden Licht warf. Die Ladeneingänge sahen alle gleich aus: rote Säulen zeigten an, wann ein Laden zu Ende war und wann der nächste begann. Die einzige Möglichkeit sie zu unterscheiden war, dass die Schilder mit verschiedenen Farben und Titeln ausgestattet waren. Der Korridor schien sich endlos zu erstrecken, aber es waren nur noch etwa fünfzehn andere Zauberer hier bei uns. Tom wollte nicht lange bleiben, aber er ließ mich wenigstens etwas Schaufensterbummeln. Es gab auch Roben-Läden mit den schönsten Kleidern, die ich je auf gesichtslosen Schaufensterpuppen gesehen hatte. Allerdings musste ich zugeben, dass das Kleid, das Tom mir gekauft hatte, ziemlich gut für französische Mode stand.

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