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Albanien,
4. Mai 1949

Tom Riddles Augen schlugen auf, als er Lärm von Draussen wahrnahm.

Eine braune Eule verursachte den, als sie ihren Schnabel gegen die Fensterscheibe stupste. Tom stöhnte, was ist denn jetzt schon wieder, dachte er sich, stand auf und öffnete das Fenster. Der Himmel war noch dunkel draußen und die Eule flatterte geräuschlos mit ihren Flügeln. Tom erkannte diese Eule, sie gehörte Lestrange. Es war seltsam eine Nachricht um diese Uhrzeit von ihm zu erhalten, also musste es wohl was wichtiges sein.

Er packte das Pergament aus den Klauen der Eule und glättete das zusammengerollte Papier etwas auf seiner dunklen Schlafhose. Das Geschöpf machte den Anschein reinkommen zu wollen, da obwohl der Frühling blühte, die Nächte draussen noch kalt waren. Doch sobald Tom den Brief geglättet hatte, schloss er das Fenster augenblicklich vor den Augen der Eule zu.

Schnell nahm er das Papier und las es.

Mein Herr - dies wirst du wahrscheinlich zu einer unangebrachten Zeit erhalten, aber ich habe gerade Dorado hier in London gesehen. Ich wollte dich darauf aufmerksam machen, da ich sicher war, dass er deinen Befehlen nicht gehorchte. R.L.

Wütend zerknüllte er das Pergament in der Hand. Dorado war in London? Nicht mal Schottland! Hatte er denn kein Englisch gesprochen?  Tom hatte ihm gesagt, er solle sich von der gesamten Insel fernhalten, vor allem von London. Wenn er gesehen werden würde, wäre er nicht schlau genug, um mit einer passablen Ausrede aufzukommen. Es wäre noch schlimmer, wenn einer der Freunde des Minister Sohns ihn finden würden. Nicht, dass sie Dorado etwas antun konnten, aber er liebte es, direkt zum tötenden Fluch sich zu wehren, anstatt sie zu bekämpfen. Das würde ihn nach Azkaban bringen und er würde diesmal nicht so leicht wieder entlassen werden.

Tom saß am Rande des Bettes, als er das zerknüllte Pergament aus der Hand auf den Boden fallen ließ. Er blickte hinter die Schulter um zu sehen, wie Eva schlafend neben ihm lag. Er beobachtete ihren Atem. Wie ihr nackter Rücken sanft stieg und fiel. Er wollte zwar nicht, aber er beobachtete sie eine ganze Weile lang.

Wie hatte sie es geschafft, sich so tief in sein Leben zu wurmen?

Er erinnerte sich wie sie war, als er sie zum ersten mal an Weihnachten richtig wahrgenommen hatte. Sie war ein dünnes, schüchternes Mädchen mit großen braunen Augen und schokoladebraunen Haaren. Ein Mädchen wie jedes andere, dass zu ihm hinaufschaute und von ihm besessen war, obwohl sie ihn nicht mal kannte. Er hatte sie fast in jener Nacht getötet, aber im Nachhinein war er sehr froh, dass er es nicht getan hatte. Ihr weiches Haar bedeckte die Hälfte ihres Gesichts, als er seine Hand ausstreckte und eine Strähne behutsam zur Seite strich.

Dann erhob sich Tom vom Bett und entschied, dass er Dorado persönlich einen Besuch abstatten sollte. Mit dieser Gelegenheit könnte er auch direkt zu Lestrange gehen, um ihm das Dunkle Mal zu verpassen, damit solche Dringlichkeiten in Zukunft effizienter beseitigt werden könnten. Tom zog seine schwarzen Roben aus der Schublade heraus, wo Eva sie sorgfältig gefaltet hatte. Gerade als er nach London gehen wollte, erkannte er, dass er Lestrange noch etwas mitgeben musste. Er ging zu seinem Studium durch die Dunkelheit. Die grauen Wolken bewegten sich langsam nach Westen. Es war tief in der Nacht und es schien, das jedes Lebewesen noch am schlafen war. Es war kalt, aber nicht schrecklich kalt. Einmal in seinem Arbeitszimmer angelangt, packte er ein Pergament und kritzelte einen Brief. Nachdem er fertig war, zog er eine Schublade seines Schreibtisches heraus und fand Salazars Medaillon. Dann steckte er den Brief zusammen mit der Halskette in einen Umschlag.

HeirsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt