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Albanien,
27. November 1951

Ich saß in einem hohen Ledersessel neben dem warmen Kamin mit Adamaris und Jéssenia, den Frauen von Lord Tympanios. Wir hatten einen zwanglosen Morgentee mit verschiedenen Snacks. Das Tee-Setting war vollständig für mich bestimmt, da der Rest der Frauen keinen Bedarf am Essen und Trinken hatten. Deshalb waren die angebotenen Esswaren eine Mischung aus Kombinationen, die ich noch nie bei einem richtigen englischen Tee gesehen hatte. Es gab gebratenes Fleisch, eine geschnittene weiße Frucht - die ich noch nie zuvor gesehen hatte, Blätter von gewaschenem Babysalat und extrem harte Kekse. Ich saugte einige Minuten lang an meinem schlecht gewählten Cracker, bevor ich ihn richtig kauen konnte.

Kurz nachdem Tom und ich das Schloss erreicht hatten, wurde ich von den Frauen zu Jéssenia's Boudoir begleitet, dem Wohnbereich neben ihrem Schlafzimmer. Es war gemütlicher Platz, perfekt um uns drei in der Kälte des wachsenden Winters zu unterhalten. Ich versuchte, das Dekor auf Französisch zu beschreiben, um das zu üben, was ich gelernt hatte und Jéssenia nickte höflich und bemerkte, dass alles aus ihrer Heimat Versailles, gekommen war.

Adamaris folgte Jéssenia, um ihre Meinung zu äußern: "Ich liebe dieses Zimmer von all den Zimmern die wir im Schloss haben, am meisten. Die französische Kunst ist so reich und voller Tiefe. Ich mag diesen Teppich besonders gern", sie zeigte auf einen Teppich, der an der Wand hing. "Die Muster sind hypnotisierend und so anders als das, womit ich aufgewachsen bin. Ich denke an die Muster des Universums wenn ich es betrachte, fließend und spiralförmig, aber niemals endend."

Ich wusste nicht, was ich beisteuern sollte, da ich kein Kunstkenner war. Der Teppich war in der Tat bunt, mit weißen, blauen, roten, rosa, grünen Farben, die zu einem Bandmuster gewebt wurden. "Ja ein ... ein sehr schöner Teppich", entschied ich dann zu äussern. Jessenia grinste mich ab meiner unbeholfenen Bemerkung an.

Die erhobenen Männerstimmen und das Stampfen auf den Dielen erschreckten mich und ich warf Adamaris einen überraschten Blick zu. Adamaris starrte auf die Ecke des Raumes, während sie weiter zuhörte, während Jéssenia sich auf mich konzentrierte.

"Sie kommen nie miteinander aus, oder?", fragte sie mit ihrer sanften, tiefen Stimme.

Eine Hand klopfte an die Tür und eine gedämpfte Stimme fragte: "Eva?". Eine andere Stimme hinter der Tür sprach ebenfalls, aber ich stand schon auf, um zur Tür zu gehen.

Tom, Arnold und Petar standen im Flur. Toms Gesicht sagte mir leise, dass er bereit war zu gehen. Arnold wirkte selbstgefällig, während Petar verärgert aussah. Seit letztem Winter wurden wir vier Mal zu Lord Tympanios' Burg eingeladen, einschließlich diesen Morgens. Jedes Mal war es dasselbe: Die Männer trennten sich von den Frauen, die Männer stritten sich für ein paar Stunden und dann würde Tom mich aufsuchen, wenn er genug von allem hatte.

Ich musste nie fragen, was das Problem war. Sobald wir in der Hütte ankamen, bekam ich von Tom ein Ohr voll davon zuhören. Wie mir erklärt wurde, waren die Vampire beinahe zu gut darin, mehr Vampire zu erschaffen. Das kleine Dorf welches Tympanios für sie vorhersah war viel zu klein und die wogenden Vampirsoldaten fraßen fast die gesamte Bevölkerung. Nur ein lokaler Vampirjäger konnte rechtzeitig in der Stadt kommen, um ein paar der verbliebenen Dorfbewohner zu retten. Dies geschah im Herbst 1950 während Toms längster Schmollerei.

Seither sind die Vampire weiter gewachsen und es gibt so viele Menschen, die behaupten Vampirjäger zu sein. Ich lachte, als Tom mir dies das erste Mal erzählte, aber er schimpfte gleich darauf, dass ich die Jäger unterschätzte. Die meisten waren Müll, da stimmte er mir zu, aber mit einer so großen und ungewöhnlichen Welle von Vampiren wurden die Profis gelockt. Vampirjäger hatten die einzigartige Fähigkeit, Vampir-Teile zu erfassen, nachdem sie getötet wurden, erklärte Tom mir. Wenn er oder ich das Herz eines Vampirs einstachen oder entfernen würden, würde der Körper in Flammen aufgehen und sich verbrennen. Aber ein Vampirjäger zerstört die verfluchte Seele des Vampirs nicht sondern lässt sie intakt und verfügbar für schwarze Gassenmarktgeschäfte. Wenn Sie also gut trainiert waren, war das ein lukrativer Job.

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