Kapitel 16

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Amber Run - I Found

Sonntag, 21. Juli

Wir sind gerade wieder in Hamburg angekommen. Die letzten Tage sind still verlaufen, was dafür gesorgt hat, dass meine Nerven nicht weiter strapaziert werden. Wenn Can eine weitere Sache getan hätte, dann hätte ich wahrscheinlich wieder einen Nervenzusammenbruch. Jetzt kann ich mich wieder auf meine Doktorarbeit konzentrieren und mich wieder durch meine Notizen fressen, damit ich Can etwas aus meinem Hippocampus schieben kann. Nachdem er, nach meiner Synkope, aus meinem Zimmer geflüchtet ist, gab es keinerlei Konversationen mehr. Er war irgendwo und ich war irgendwo. Vielleicht kommt Can jetzt wieder zur Vernunft. Das wäre schön. Gerade halten wir vor unserer Straße an, wo uns von den Jungs mit den Koffern geholfen wird. Oben angekommen, ziehe ich die Augenbrauen zusammen. "Sind das Absplitterungen?", frage ich, als ich geprellte Stellen an der Tür sehe. Mit einem Taschentuch öffne ich die Tür und trete vorsichtig mit den Jungs hinein. Der Flur sieht normal aus. Hören tue ich nichts. Ich atme tief durch, als ich das kaputte Schloss von Ranjas und Salihas Zimmer sehe. "Hier wurde eingebrochen, Malik", flüstere ich und öffne mit dem Taschentuch die Tür, wo mir sofort die Verwüstung ins Auge sticht. "Welcher Bastard macht das?", zischt Malik und seufzt. "Ich rufe die Polizei", sagt Ranja. Meinen Koffer lasse ich im Flur stehen und öffne dann vorsichtig meine aufgeknackte Tür. Mein Herz zieht sich zusammen, als Shelly auf dem Boden liegt. Müssen diese Hurensöhne so hyperaktiv und so dämlich sein? Ich schaue mich um, doch geklaut wurde nichts. Die Parfüms sind noch da, Geld können sie nicht genommen haben, weil ich alles an Geld mitgenommen habe und es mit anderen Wertsachen in den Safe der Bank gelegt habe.

"Scheiße, das Geld ist weg!", höre ich Saliha rufen. Hätte sie auf mich gehört, dann wäre es nicht dazu gekommen, aber sie denkt ja immer so optimistisch. Komischerweise nimmt mich der Raub nicht mit. Ich weiß nicht wieso. Meine Schränke öffne ich und sehe keine Verwüstung. Alles ist gefaltet, wie vor einer Woche. Wieso wurde bei mir nichts geklaut? Gerade will ich mich seufzend auf mein Bett setzen, als ich einen Zettel finde und ihn mir ansehe, ohne ihn anzufassen.

Hab mir die rote Unterwäsche deiner Schlampe gegönnt.

Meine Augen weiten sich. Erst jetzt verspüre ich Angst und Panik. Wer zum Teufel vergreift sich an meiner Unterwäsche? Wer ist so ehrenlos? Was hat das Ganze mit Can zu tun? Es klopft an der Tür, was mich zusammenzucken lässt. "Ramazan, lies", keuche ich sofort. Ich will zwar nicht, dass er es liest, weil es mir etwas unangenehm ist, aber er muss Bescheid wissen. Ramazan liest den Brief, ohne ihn anzufassen und knurrt dann. "Welcher Hurensohn macht das?!" Er greift nach seinem Handy und seufzt. "Can, hier wurde eingebrochen." Was soll Can da großartig anrichten? Ihn interessiert doch eh nichts mehr. "Es kann nur einer dieser Typen sein." Er hört Can zu und schließt dann die Augen. "Ja, die Polizei wurde gerufen. Hier ist ein verfickter Brief mit einem verfickten Satz", presst er hervor. Mir läuft es kalt den Rücken hinunter. Unbeholfen spiele ich mit meinen Fingern herum. "Ja, dann komm hier hin. Die Polizei kommt gleich und sucht nach Spuren." Frustriert legt Ramazan auf und schaut zu mir. Jetzt bricht einer noch bei uns ein und lässt so einen dämlichen Brief da. Ich mochte die rote Unterwäsche so sehr, sie war einer meiner Lieblinge. Hoffentlich stirbt der Typ. Ohne irgendeine Idee zu haben, laufe ich zurück auf den Flur und sehe, wie Saliha und Ranja sich seufzend an die Arbeit machen und alles wieder aufräumen. Nadim hilft mit, genau wie Malik. Meinen Koffer bringe ich ins Zimmer und nehme aus meiner kleinen Krankenhaussammlung ein Paar Handschuhe raus, mit dem ich Shelly wieder richte und den kleinen Teil an Erde zurück in den Topf gebe. Die Pflanze hat sich bis jetzt gut gehalten. Trotzdem muss ich sie etwas verwöhnen.

Ich fülle eine Schüssel mit Wasser und will gerade wieder ins Zimmer, als Can durch die offene Tür kommt. Schweigend sehen wir uns an. Ich bin diejenige, die den Blick senkt und ins Zimmer geht, weil mir die Erinnerungen an seinen Gewaltausbruch wieder in den Sinn kommen. Shelly gieße ich und spüre seine Anwesenheit im Rücken. Ich drehe mich um, nachdem ich die Pflanze gegossen habe und sehe, wie wütend Can ist. "Ich weiß schon, welcher Hurensohn noch mehr Schläge bekommt", knurrt er und boxt gegen meine Wand, weswegen mir die Schüssel aus der Hand fällt. Es kann gut möglich sein, dass sein Ausbruch mich etwas traumatisiert hat. Schnell bringe ich die Schüssel zurück und setze mich dann aufs Bett, dabei ziehe ich die Handschuhe wieder aus. Es klopft an der Tür, weswegen wir drei dahingehen und auf drei Polizisten treffen. Die Sache wird sofort geschildert, woraufhin zwei nach Spuren suchen und der eine noch mit uns redet. Der weiblichen Polizistin habe ich Bescheid gegeben, dass ich mit Handschuhen die Pflanze gerichtet habe. "Gab es irgendwelche Auseinandersetzungen oder kennen Sie jemanden, der Rache plant?" Ich verneine es. "Ja", seufzt Can. Wer? Was habe ich damit zu tun? "Tim, keine Spuren", ruft die weibliche Polizistin. "Hier wurde ein kleines Schreiben hinterlassen. Wenn ich die Person finde, die es geschrieben hat, kann es dann vor Gericht gehen? Ich weiß, wer es war", sagt Can. "Sind Sie sich denn da auch sicher?" Ich sehe, wie Can nickt. "Versuchen Sie dann bitte bis Freitag an einen Text zu gelangen, der dieselbe Schrift aufweist, wie die, die auf dem Zettel ist." Can nickt. "Ich bringe es Ihnen dann vorbei", versichert Can dem Polizisten. "Wir haben das Fundstück aufbewahrt und werden es mitnehmen. Wenn Sie zu sehr in Angst leben, wäre es gut, wenn Sie bei Bekannten übernachten", erzählt uns die weibliche Polizistin. "Ich gehe direkt zu Malik", seufzt Saliha. Die Polizisten verabschieden sich von uns.

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