Kapitel 55

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J2 ft. Jazelle - Umbrella

Can

Ich höre nur, wie Glas zersplittert. Das reicht mir, um mein Handy wegzuschmeißen und mich panisch werden zu lassen. "SHANA!", schreie ich. Ich raufe mir mein Haar und muss meinen Würgereflex kontrollieren. Unfall, Unfall, Autounfall. In mir pocht es, mein Herz hat seit langem nicht mehr so gerattert. All diese Erinnerungen kommen hoch. Es fühlt sich so an, als ob ich wieder eine Scherbe im Rücken hätte. Ich muss mich festhalten, weil ich schwanke. Ich fühle mich so, als ob ich herumgeschleudert werde. Schnell gehe ich zu Boden und mache mich ganz klein, versuche meine Atmung zu kontrollieren, versuche nicht zu weinen. "Ich erleide keinen Unfall, es ist kein Unfall", flüstere ich hektisch. Die aufprallenden Geräusche hallen in meinen Ohren wieder und lassen ich schreien. Es soll aufhören! Ich kriege weniger Luft, ich zittere und zucke zusammen. Ich brauche Shana. Schnell hebe ich mein Handy wieder auf und halte es mir zitternd ans Ohr. Ich höre nichts. Was ist mit Shana? Wo ist sie? Sie darf nicht sterben, ihr darf nichts passieren. Wieso sie? Mir soll es passieren!

"SHANA!", schreie ich. Was ist mit ihr? Wieso redet meine Shana nicht? Was genau ist mit ihr passiert? Ich höre nichts.

"Can, alles gut", höre ich sie flüstern. Ich atme zitternd aus. Sie lebt! Ihr geht es gut.

"Shana, was ist passiert? Wo bist du?", frage ich weinerlich und wische mir über meine Augen. Wieso muss ihr so etwas Grauenhaftes passieren?

"Auf der Autobahn. Alles ist in bester Ordnung", kommt es immer noch leise von ihr. Ihre wunderbare Stimme beruhigt mich ein wenig. Ich will sie sehen, ich will sie heilen.

Meine Unterlippe bebt, ich muss schluchzten. Shana erlebt etwas sehr Schlimmes. Unfall, Unfall, Autounfall. Bitte lass sie keine Angst haben, Gott! Ich atme hektisch und fange stumm an zu weinen. Ich höre Geschrei in meinem Kopf, kaputte Autos, helfende Menschen, die mich versorgen wollen und für mich nach Hilfe schreien. Blut, so viel Blut. Schmerzen, so starke Schmerzen. Tränen, ganz viele Tränen. "Shana", flüstere ich schluchzend. "Bitte lass es ihr gut gehen, Allah", flüstere ich. Shana ist mein Lebenssinn, ich bin abhängig von ihr. Ich raufe mir mein Haar. Sie sagt mir, dass alles in Ordnung ist. Wieso habe ich sie nicht aufgehalten? Wieso habe ich sie nicht abgelenkt? Wieso habe ich sie nicht eingesperrt? Wieso habe ich ihr nicht untersagt, mit Ranja nach Lübeck zu fahren? Das ist alles meine Schuld, ich hätte all das verhindern können. Was wäre passiert, wenn sie später aus der Wohnung gegangen wäre? Wäre sie dann nicht betroffen? Shana ist vielleicht verletzt. Aber sie meint, dass alles gut ist. Vielleicht wurde sie beschützt. War sie angeschnallt? Wo ist Shana verletzt? Ich brauche ihren Duft, ich brauche sie jetzt! Ich drücke mir das Handy ans Ohr, um irgendwie ihr Atmen zu hören, höre aber dann nur, wie sie schmerzhaft aufschreit. Ich schmeiße mein Handy weg und muss ins Bad rennen, wo ich mich übergebe. Erinnerungen, Erinnerungen kommen hoch. Schmerzen und Leid. Einschränkungen und Komplexe. Zitternd spüle ich ab und wasche mir Mund und Gesicht. Ich wasche mir auch meine Tränen weg, aber es kommen neue. "Shana", weine ich. Ich weine heftiger und boxe gegen die Tür. Mir ist sehr schwindelig. Ich muss sie sehen, ich muss sie halten, ich muss sie beschützen. Ich rase in mein Zimmer und hebe mein Handy auf, versuche etwas zu hören.

"Shana, du musst ruhig bleiben." Das ist Ranja, glaube ich. Es ist leiser als gerade. Was hat Shana? Shana geht es nicht gut.

"Wann kommen sie? Es tut weh." Wann kommen sie endlich? Sie sollen Shana versorgen! Wo hat sie Schmerzen?

"Sie meinten, dass ein Helikopter auf jeden Fall kommen wird. Sie kommen ganz schnell." Dadurch kommt Shana schneller ins Krankenhaus, dadurch wird sie schneller gesund.

"Shana?", flüstere ich zittrig. Ich muss schlucken, mir ist schwindelig.

Unfall, Unfall, Autounfall. Ich zucke zusammen und atme tief durch. Ich bin kurz davor, durchzudrehen, aber ich muss Shana zuhören. Wo ist meine Glückkette? Ich setze mich mit dem Ring von heute, mit dem Inhalt der Patrone und der Superman Figur auf das Bett. Mir steigen die Tränen wieder auf. Sie hat so gestrahlt, als sie mir den Ring gegeben hat. Ich ziehe ihn an und balle meine Hände immer wieder zu Fäusten, als ich das Gespräch auf Laut gestellt habe "Shana, wie geht es dir?", frage ich, aber sie antwortet nicht. Keiner redet. Was ist los mit ihr? Ist sie ohnmächtig? Gott, bitte, bitte, ich flehe dich an! Lass es ihr gutgehen. Plötzlich höre ich fremde Stimmen. Ich werde aufmerksam. Die Notärzte sind da. Das Handy wird aufgehoben. Ich kriege Informationen!

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