Shawn Mendes - Mercy
Samstag, 21. März
"Die Mitochondrien müssen wiederbelebt werden." Ich seufze frustriert. Wieso sind diese Zellen so blöd und lasse sich beschädigen? "Beruhige dich, du hast noch Zeit", meint Ranja belustigt. Ich verneine es. "Ich will es jetzt! Dichloracetat ist gut gegen Krebs, also muss ich mir Berichte dazu anschauen. Eine Apoptose muss entstehen. Mein Gott, so schwer kann das doch nicht sein! Es gab schon welche, die ein Heilmittel erschafft haben, nur sind die noch in der Prüfung." Motiviert recherchiere ich und schaue mir Beiträge an. "Der Zuckerstoffwechsel muss blockiert werden." Ich summe nachdenklich. "Ich habe mal etwas über Litschis gelesen, Moment." Es wird doch irgendwo eine beschissene Lücke geben. Meine Krebsgeschwüre sind verschwunden, aber sie sind immer nach drei Tagen oder mehr aufgetaucht. Ich müsste eigentlich gucken, ob eine Chemotherapie dann das Ganze überstützen könnte. Das schreibe ich mir direkt auf! "Wann geht ihr überhaupt zu Nadims Eltern?", frage ich nebenbei. "Nadim müsste gleich kommen. Belästigt Aleyna euch immer noch?" Ich verdrehe meine Augen. "Nein, nur dieser Brief. Mein Gott, war ich sauer. Mir war zwar klar, dass es gelogen war, aber dann kam doch mein Temperament hoch." Ich seufze. Es ist ja endlich vorbei. Aufregen tut sie mich ja nicht mehr und unter meine Augen tritt sie auch nicht. Statt zu recherchieren sollte ich weiter für das Hammerexamen lernen. Wir reden noch etwas, bis Nadim sie anruft und sie losmuss. Wo bleibt Can? Macht er heute mehrere Trainingseinheiten? Nicht, dass das Essen ganz kalt wird. Ich laufe ins Arbeitszimmer, weil ich mir ein Buch nehmen muss. Can saß gestern die ganze Zeit hier und hat gebüffelt. Seine Notizen liegen noch verstreut auf dem Tisch. Damit es übersichtlicher wird, ordne ich alles. Auf den Zetteln stehen viele Definitionen, aber auch Adressen. Das macht mich stutzig. Ich weiß nicht, wo diese Straßen liegen und wieso er sie hat. Ah! Ich höre, wie Schlüssel klimpern, sofort lächele ich.
"Wo bist du?" Mein Lächeln fällt bei seinem bedrohlichen Ton. Ich zucke zusammen, als er die Tür zuknallt. Leicht panisch lege ich die Zettel zurück. Can ist richtig wütend, als er ins Zimmer tritt. Mir rutscht das Herz in die Hose. "Was hast du getan?", brüllt er. Mein Herz pocht sofort. Was ist passiert? "Antworte, Shana", zischt er. Mit schnellen Schritten kommt er auf mich zu. Instinktiv weiche ich zurück, aber seine Hand packt mich zurück, was mir unterdrückt schreien lässt. Wo ist Ramazan? Can macht mir Angst. "Was hast du dir dabei getan?", brüllt Can mich an. "Gar nichts!" Schützend halte ich mir eine Hand vor mein Gesicht, die er runterdrückt. Er drückt so stark zu, dass die Wucht meinen ganzen Körper auf die Knie zwängt. Was ist los mit ihm? Was hat er gehört? "Lass los!", schreie ich. In mir herrscht Panik, alles ist in Alarmbereitschaft. Ich winde mich stark, schaue flehend in seine Augen, die verwirrt sind. "Du machst mir Angst, Can", wimmere ich. Wieso macht er das wieder? Was habe ich ihm getan? Wieso muss es immer mir passieren? Ich winde mich stärker und kann sogar Can wegdrücken von mir. Mein Unterarm pocht, er ist rot. "Was ist verdammt nochmal los mit dir?!", schreie ich voller Wut, trotz meiner Angst. Ich habe ihm nichts getan! Wieso wird er so aggressiv? Ich rutsche vorsichtshalber zurück, ich will nicht aufstehen. Can ballt seine Hände, seine Venen ragen heraus. Ich stehe doch lieber auf, ich will vorbereitet sein. "Geh zurück", fauche ich leise. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Was um alles in dieser Welt ist passiert, dass Can mich angreift? Ich will nicht wieder weinen, aber es tut weh. Seine Wut tut mir weh, seine Aggression tut mir weh, meine Angst tut mir weh.
Diese Stille, die im Raum liegt, drückt sich auf mich. Ich fühle mich unwohl, ich fühle mich unwohl und kann nicht sprechen. Ich fühle mich unsicher, ich will woanders sein. Alte Gefühle und Gedanken kommen hoch, die ich doch verbannen wollte. Ich will das nicht, nein, ich möchte weg. Hier ist niemand, der mich beschützen kann vor seinen Händen. Cans Augen sind dunkel, er ist blind vor Wut. Gott, bitte beschütze mich vor seiner Kraft. Gott, bitte gib mir genügend Kraft. Seine Blicke machen mich schwach, sie machen mich ängstlich. Mental bin ich stärker als er, aber was bringt mir das, wenn er seine Hände verwenden kann? Mein Herz rast, meine innere Stimme schreit mir zu, dass ich wegrennen soll oder etwas zur Verteidigung zu mir nehmen soll, mich hinter den Stuhl wenigstens stellen muss, aber ich kann mich nicht bewegen. Vor Angst bin ich an den Boden gefesselt. Er atmet tief durch, sofort halte ich meinen Atem an. "Hast du irgendeiner Freundin ein Foto geschickt?" Seine kalte Stimme lässt mich bis ins Mark erschaudern. "Was-," Ich muss mich räuspern, ich will meine solide Stimme zurück. "Was für Bilder?" Er kommt einen Schritt auf mich zu, sofort weiche ich zurück. "Wo du wenig anhast, wo du viel zu viel Haut zeigst", zischt er am Ende. Ich weiche immer weiter nach hinten, verfluche die Wand, dass sie mich eingrenzt. Ich habe nicht einmal die geringste Ahnung, was Can meint. Ich habe keinem der Mädchen ein Foto von mir geschickt, wo ich knapp angezogen bin. "Nein", kommt es entgeistert von mir. Das lässt Cans Kiefer zucken. Er holt auf, packt mich am Hinterkopf. Ich ramme sofort meine Nägel in seine Haut, kneife die Augen zu. Ich will weg!
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Akzeptanz
RomanceFortsetzung von Ignoranz. Zuerst Arroganz lesen, gefolgt von Ignoranz, bevor mit diesem Buch begonnen wird. Nach der Trennung weiß Shana nicht mehr weiter. Die ganzen Momente voller Liebe, Leidenschaft, Hass und Zweifel sind vorbei. Can will auf Abs...