Kapitel 91

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Nina Nesbitt - Somebody Special

Mittwoch, 4. März

Es sind viele Monate vergangen, seit der Ausschabung. Ich habe gut damit abschließen können, wir waren sogar gestern auf dem Friedhof. Celine hat mir echt gut helfen können, selbst Marcel und Tom haben mich unterstützt, wie all meine anderen Freunde auch, als ich es endlich erzählt habe. Can hat sich auch von Mal zu Mal gebessert, wirkt viel fröhlicher und ritzt sich gar nicht mehr! Wir haben auch Geld auftreiben können - Can natürlich auf seine Wege. Mir ist nur eine einzige Sache wie ein Dorn im Auge: Soufian. Als er gefasst wurde, war er endlich im Gefängnis, wurde aber echt früh rausgelassen. Ich weiß nicht wie, aber er soll wohl wieder auf freien Beinen sein. Das hat Can aggressiv gemacht, er konnte ihn nicht finden. Ich würde auch gerne wissen, wo er ist. Cans heimlichen Impulse, mich daheim zu lassen, damit mir auch ja nichts passiert, ignoriere ich. Rausgehen werde ich immer noch. Heute war der letzte Tag der Famulatur in der Allgemeinmedizin, wo ich 150 Euro bekommen habe. Can will in den Semesterferien immer sofort arbeiten, damit wir Geld haben, aber er soll sich entspannen. Wir sind nach den Ferien im fünften Studienjahr, das ist krass. Nur noch drei Semester und ich bin Assistenzärztin! Oh Gott, ich sollte mich langsam für das Hammerexamen vorbereiten. Can und ich verlassen das Krankenhaus, da kommt schon einer seiner Kollegen, der uns begrüßt. "Ey, ich habe Aleyna gesehen. Sie meinte, ich sollte es dir geben", sagt der Junge verwirrt. Er hält einen Brief in der Hand, den Can schnell nehmen will, doch ich bin schneller. "Er ist für mich und nicht für dich", meine ich. "Shana, lass mich ihn lesen", fordert er. Aus Prinzip renne ich zum Auto. Aleyna taucht nach Monaten wieder auf? Und dann noch mit einem Brief? Wie förmlich, ich verdrehe meine Augen. Das Auto wird aufgeschlossen, ich setze mich hinein. Bald werde ich ohne das Kissen ins Auto steigen. Can meinte, dass es nur noch einige Sitzungen dauert und dann fühlt er sich bereit, mich ohne Kissen fahren zu lassen. Can läuft zur Fahrerseite, er wirkt ernst.

"Shana, gib mir den Brief." Ich schüttele den Kopf, sein Kiefer zuckt. "Shana, ich ficke dich gleich, gib mir den Brief!", herrscht er mich an. Entgeistert ziehe ich die Augenbrauen zusammen. "Ficken kannst du mich zuhause und in diesem Ton kriegst du den Brief nicht. Wie wäre es mit einem Bitte?" "Shana, ich muss los, ich habe keine Zeit dafür!" Wütend startet er den Wagen. Can und seine Stimmungsschwankungen. Trotzig verschränke ich die Arme vor der Brust. Er kann mich mal. Vor der Tür hält Can an, schnell will ich aussteigen, doch er hält mich fest. "Gib mir den Brief, sofort", fordert er. Das wird mir zu blöd. "Verheimlichst du etwas vor mir?", frage ich schroff. Seine Augen zeigen Entgeisterung. "Was zum Fick? Nein, natürlich nicht", kommt es genervt von Can. Ich verdrehe meine Augen. "Shana", ermahnt er mich. "Sei still und fahr weg. Wenn du nichts zu verheimlichen hast, dann mach kein Drama raus." Ich entreiße mich aus seinem Griff und steige genervt aus. Mein Gott, ich hasse es, wenn er so herrisch wird. Schnell steige ich die Treppen hinauf, schließe die Tür auf und springe aufs Sofa, als ich mir die Schuhe ausgezogen habe. Hier ist kein nerviger Can, der mich anherrschen will. Okay, ich bin aufgeregt. Wieso wollte Can den Brief? Betrügt er mich etwa? Ich muss deswegen schmunzeln, ich weiß nicht wieso. Den Brief öffne ich und atme einmal schmunzelnd durch. Ich finde diesen Brief jetzt schon grotesk. Im Briefumschlag fühle ich noch etwas, greife hinein und hole zwei Bilder hervor. Okay, das gefällt mir nicht. Es gefällt mir aber nur nicht, weil ich an den Oktober letzten Jahres denken muss. Schnaubend falte ich den Zettel auf, verenge mir wegen ihrer Schrift die Augen.

Ich will hier offen und ehrlich sein.

Can ist nicht der, für den du ihn hältst. Kurz vor den Semesterferien habe ich ihn wiedergesehen, er wirkte so anders. Ich wollte reden, er nicht. Ich habe so lange auf ihn eingeredet, bis er sich auf ein Gespräch eingelassen hat. Er hat mir viel von dir erzählt. Ich will es gar nicht zu lang machen, denn dein Ehemann hat etwas Schlimmes getan. Wir haben wieder miteinander geschlafen. Ja, wir haben es oft getan. Nicht nur zu der Zeit, wo ihr getrennt wart, sondern auch zu der Zeit, wo ihr wieder zusammen wart. Das kommt dir sicherlich unrealistisch vor, aber es ist die Wahrheit. Mir ist erst vor einem Monat aufgefallen, dass wir unvorsichtig waren und nun bin ich schwanger und das im vierten Monat! In einer Woche bin ich im fünften Monat.

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