Kapitel 119

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Madison Beer - Home With You

Donnerstag, 20. April

Gerade nehme ich das Blut ab, damit es untersucht wird und bringe es ins Labor. In zwei Stunden ist eine Splenektomie, bei der ich assistieren darf. Der Patient hat wohl einen Tumor dort und ich mag Tumore... außer bei Geliebten. Gott, das geht alles so schnell. Heute ist schon Amirs erster Geburtstag und er wird sich total freuen. Die ganzen Tage war mein Prinz nur am Lachen und am Kichern, was mir nach Feierabend alles versüßt hat. Can soll mir endlich schreiben, wann er in die Cafeteria gehen will. Ironischerweise macht Can seine Arztausbildung zum Neurochirurgen, was mich immer hat schmunzeln lassen am Anfang. Aber jetzt habe ich einen persönlichen Dr. Shepherd, der mich immer schön mit Telencephalonen und Cortexen volllabert und sich immer daran ergötzt, wenn er mich korrigieren kann. Tja, Shana, du bist doch nicht mehr die Schlauste im neurologischen Bereich, denn es kommt auf den orbitofrontalen Corex an und nicht auf den Präfrontalen. Aber falls du ein wenig mehr Wissen erlangen möchtest, kannst du ja auf die Knie gehen und ich füge sie dir oral zu. Ich verdrehe meine Augen, weil Can echt überheblich geworden ist, aber, wenn er Spaß hat, dann akzeptiere ich es. Schließlich war ich diejenige, die ihn vergewaltigt hat. Der Ärztin gebe ich die Proben und kriege gesagt, dass sie mir Bescheid gibt, wenn die Ergebnisse da sind. Oh Mann, ich freue mich schon auf die OP und dann darf ich nach Hause. Es war heute schon eine Qual, um 05:00 Uhr hier anzutanzen, aber dafür habe ich Spaß und habe die Befunde geschrieben.

"So, Frau Erklin. Die Appendektomie haben wir hinter uns, alles ist laut den neusten Untersuchungen topfit und im Bauch gibt es somit keinen Ärger mehr." Die Patientin seufzt zufrieden und nimmt mir den Befund entgegen. "Termin beim Hausarzt ist abgemacht?", frage ich. "Ja, morgen schon!" Ich lächele. "Dann ist ja alles gut. Ich verabschiede mich von Ihnen und hoffe, dass Sie weiterhin gesund bleiben." Der älteren Frau schüttele ich die Hand, was sie freudig erwidert. "Dankeschön. So jung und doch so kompetent." Verlegen schaue ich sie an. "So jung bin ich nun auch nicht mehr." Ihr entkommt ein spöttischer Laut. "Schauen Sie mich an und dann sich selber. Neben Ihnen bin ich ja eine ganz schrumpelige Rosine." "Ach, Quatscht, Sie sind gut in Schwung", grinse ich, was sie lachen lässt. "Na, wenn Sie das sagen, dann muss es stimmen. Es hat mich gefreut", sagt sie freundlich, als sie aufsteht. "Gleichfalls, auf Wiedersehen", verabschiede ich mich lächelnd und gehe aus dem Zimmer. Das macht echt Spaß, wenn man professionell ist. Alle Patienten lieben mich, weil ich einfach so toll bin. Hach, ich bin echt toll. Mein Handy vibriert in meinem Kittel. Can hat geschrieben, dass er jetzt in die Pause gehen darf. "Braucht ihr mich oder kann ich in die Pause?", frage ich die Krankenschwestern, die fragend in die Runde gucken. "Nein, geh ruhig. Vergiss nur deine OP nicht", meint Mandy. "Die werde ich niemals vergessen", schmunzele ich und gebe Can Bescheid. Es ist so verdammt cool, wenn man schon als Arzt tätig ist und so vieles übernehmen darf. Ich fühle mich immer so verdammt stolz und muss mir immer mein 1000-Watt-Lächeln verkneifen.

Ich steige in den Aufzug und lehne mich grinsend gegen die kühle Wand. Can steigt ebenfalls ein und lächelt schief. Gott, sieht er gut aus. "Na?" Ich kichere und küsse ihn kurz, was Can jedoch nicht reicht. "Can, wir müssen gleich raus", schmunzele ich, was ihn recht wenig interessiert. "Sollen wir den Aufzug irgendwie zum Stoppen bringen und Sex haben?", raunt er in den Kuss hinein, was ich jedoch verneine und ihn von mir schubse. "Hier gelten strenge Regeln, Doktor." Spöttisch hebt er seine Augenbrauen und kneift mir in den Po, als ich aussteige. Wir holen uns etwas zu essen und lassen uns in einer Ecke nieder. "Wir sollten langsam ein Codewort erfinden, was Sex angeht", meine ich. Can schaut mich fragend an. "Na ja, stell dir vor Amir ruft mich oder dich oder wenn er älter wird und mal nach Hause kommt und wir noch von dem postkoitalen Gefühl benebelt irgendwo liegen oder so. Du weißt doch, was ich meine", murre ich am Ende. Ausdruckslos kaut er und lässt mich nicht aus den Augen. "Ich weiß zwar nicht, wie so eine Situation aussehen soll, aber schlag mir einen Code vor." Ich summe nachdenklich. "Postoperativ?" Grinsend schauen wir uns an. "Passend. Ohrringe ausziehen und postoperativ. Operation könnten wir allgemein für Sex nehmen." Ich nicke zustimmen und klaue mir eine Olive von Can. "Die Medulla oblongata lässt man in drei Abschnitte einteilen und eine davon nennt sich Olive", erzählt er mir leicht süffisant. "Ich weiß", gebe ich schmunzelnd und schnippisch zu gleich von mir. "Oh, meine Medulla oblongata ist informiert." Er nennt mich seit neustem Medulla oblongata, weil ohne ihre Aktivität der Tod eintritt. Eine düstere, vielsagende, aber auch schöne und außergewöhnliche Namensgebung für mich.

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