Kapitel 66

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Beyoncé - XO

Freitag, 20. Juni

Was ist besser, als mit einem guten Gefühl die Klausur abzugeben? Essen! Nach langem hat es endlich geklappt, dass Jessica, Celine, Tom, Marcel und ich essen gehen. Can kommt sogar mit! "Die Adresse habe ich dir per WhatsApp geschickt", gebe ich Jessica Bescheid und schleppe Can durch die Flure. "Die Dermatologie Klausur war scheiße und dann noch über das Wochenende arbeiten", murrt er. "Die war total einfach, Can." Er seufzt und hält mir den Mund zu, was mich lachen lässt. "Can, du hast gleich Schnodder an der Hand", informiere ich ihn. Meine Pollenallergie wächst wieder. "Du sollst doch deine Medikamente einnehmen, Shana", seufzt er und gibt mir ein Taschentuch. "Ich bin doch nicht lebensmüde und nehme mein Antiallergikum ein, wenn ich Prüfungen schreibe oder in Vorlesungen sitze. Ich will nicht einschlafen", erkläre ich und putze mir die Nase. "Du zeigst zu viel Haut", merkt Can an. Entgeistert sehe ich zu ihm auf, doch er schaut weiter gerade aus. "Es ist eine zerrissene Hose und ein Tanktop, wir haben vierundzwanzig Grad, Can." Er brummt unzufrieden, der alte Brummer. "Außerdem habe ich nur für dich ein Hemd um die Hüfte gebunden, sei doch froh." Er zieht an meiner Haarsträhne und öffnet für mich die Beifahrertür. "Gentleman", lobe ich und steige ein. Im Auto schalte ich Musik und Klimaanlage an und klatsche im Takt auf meine Oberschenkel. "Wann müssen wir dort sein?", will Can wissen. "In zwei Stunden." Ich schaue aus dem Fenster und schreie auf, als ich sehe, dass Aykan und Aleyna sich küssen. Niemals! Das ist ein Traum! Ich glaube, ich träume! Nein, das machen die nicht ernsthaft! Ich kriege eine gottverdammte Gänsehaut. "Das kann doch nicht-, das ist doch nicht-, die küssen sich einfach!", rufe ich erbost.

"Was ist denn los?" "Aykan, Aleyna, die beiden küssen sich. Gott, ist das ekelig. Fahr sie an, Can!" Ich will nach dem Lenkrad greifen, woraufhin Can meine Hände sofort festhält und mich in den Sitz drückt. "Nicht", keucht er. Oh Gott, ich habe nicht daran gedacht! Es läuft mir den Rücken runter. "Tschuldigung, Can. Ich war gerade impulsiv und hatte es nicht um Kopf." Entschuldigend beiße ich mir auf die Lippe, doch er reagiert nicht, sondern fährt einfach los. Seine rechte Hand hat meine Handgelenke immer noch fest umschlungen. Ich schaue aus dem Fenster und beobachte die beiden ekelhaften Missgestalten, bis ich sie nicht mehr sehen kann. Dreckige Huren! Seufzend schaue ich wieder nach vorne und dann auf Cans große Hand, die meine Handgelenke immer noch nicht losgelassen hat. Ich küsse seinen Handrücken und schmiege meine Wange an sie. "Tut mir leid, Can. Hab bitte keine Angst", flehe ich. Seine Kiefermuskeln zucken unter seiner Haut. Er antwortet nicht, atmet tief ein und lässt die Luft für mehrere Sekunden in seinen Lungen, ehe er ganz langsam ausatmet. "Mach das nie wieder", flüstert Can und lässt meine Handgelenke los, die rot geworden sind. Meine Augenbrauen heben sich überrascht. Ich habe gar nichts gespürt. War es unbewusst? Ich schniefe und wische mir über die Augen, weil die Pollen mich wieder mobben wollen.

Wir kommen in unserer Wohnung an, wo Can mich auf das weiche, dunkelgraue Sofa drückt und mit Medikamenten zurückkommt, die mir der Allergologe für die Pollensaison verschrieben hat. "Ich will keine Augentropfen", quengele ich. "Shana, du musst. Deine Bindehaut entzündet sich immer wieder." Ich murre und schüttele feste den Kopf. "Shana", ermahnt er mich. "Nö!" Ich will aufstehen, doch Can drückt mich zurück auf das Sofa. "Hinlegen, Mund halten", kommt es kurzgebunden von ihm. "Loslassen, Arsch lecken." Ich will wieder aufstehen, doch Can ist kräftiger als ich, sodass ich wie eine hilflose Schildkröte auf dem Sofa strampele und dann am Ende bockig die Arme vor der Brust verschränke. "Can, die brennen", quengele ich, als er sich hinsetzt und die Tropfen öffnet. "Lass mich doch erst einmal nur das Antiallergikum einnehmen. Meine Augen sind nur ein wenig gereizt." Ich will wieder aufstehen, als Can mich mit Wucht runterdrückt. "Shana, bei Gott, mach mir keine Kopfschmerzen und lass mir dir diese verfickten, gottverdammten Augentropfen verabreichen", ruft er aufgebracht, und sofort zieht sich meine Brust zusammen. Ich versuche wirklich alles, damit ich nicht schmolle, aber es geht mir wirklich nahe, wenn Can mich anschreit. Keine Tränen, keine Tränen! Es ist etwas ganz Normales, wenn der Partner gestresst ist und lauter wird. Verdammte Sensibilität! Ich ziehe meine Schultern an und schaue nach unten auf meinen Bauch, damit Can mein Schmollen und meine glasigen Augen weniger bemerkt.

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