Kapitel 57

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Kehlani - Honey

Freitag, 25. April

Das Krankenhausleben ist gar nicht so schlimm, wenn man die richtigen Personen an seiner Seite hat. Meine Nachbarin ist ganz nett, meine Freunde kommen mich alle nach Feierabend besuchen und Can kommt immer nach seiner Bestrahlung zu mir. Das Lernen im Krankenhaus ist zwar gewöhnungsbedürftig, wegen der Position, aber es geht. Genauso geht es mit dem täglichen hin und her Laufen und den Schmerzen. Can desinfiziert meine Arme jedes Mal, wenn er nach seiner Bestrahlung ins Krankenhaus kommt, weil er nicht will, dass die Spuren vom Pfleger auf mir haften. Wenn es ihn glücklich macht, dann lasse ich ihm seinen Spaß. Ich scrolle auf meiner Instagram-Startseite herum und lege das Handy weg, als Can durch die Tür kommt. Mein Lächeln erlischt, als ich sehe wie müde und anders Can aussieht. "Was ist passiert?", frage ich besorgt. Er wirkt müde, blass und dünner. "Kam von meiner Bestrahlung", murmelt er und küsst meine Stirn. Er gibt mir eine rote Rose. Mir kommen einzelne Tränen hoch bei seinem Ansehen. "Habe Essen dabei", sagt er rau und legt die Tasche an das Ende des Bettes. "Can, du wirkst echt krank." Seufzend fahre ich durch sein Haar, seine Stirn ist warm. Einzelne Strähnen fallen heraus, ich muss schlucken. Das sind Nebenwirkungen der Bestrahlung. Can wirkt wegen der Bestrahlung so angeschlagen. "Möchtest du etwas essen?" Can schüttelt den Kopf. "Ich habe gar keinen Hunger." Appetitlosigkeit ist auch eine Nebenwirkung. Er hat Augenringe, mein armer Can. "Geh nach Hause und schlaf eine Runde, Can." Er verneint es und steht auf, um seine Hände mit Desinfektionsmittel zu füllen.

Eigentlich muss ich immer grinsen und schmunzeln, wenn er das tut, aber er wirkt heute echt invalid und das gefällt mir nicht. "Wie läuft deine Doktorarbeit?", frage ich, als er meinen rechten Arm desinfiziert. "Ganz gut, hab die Tage ein bisschen geschrieben. Du fehlst in der Uni." Ich lächele. "Ich wurde angesprochen." Sofort wird mein Blick stutzig. "Von?", will ich wissen. "Aleyna." Ich bewege mich ruckartig und verziehe das Gesicht, weil es sich so komisch im Bauch anfühlt und auch drückt. Was will diese Schlampe von meinem Mann? Ich bringe sie um! "Vorsichtig, belaste dich nicht. Ich habe sie sowieso abgewiesen", versucht er mich zu beruhigen. "Was wollte diese Schlampe?", zische ich. Can küsst meine Wange und jetzt sich hin. Er lächelt, was so schön aussieht. "Sie hat gefragt, ob ich wirklich verheiratet bin." Er zuckt mit seinen breiten Schultern und nimmt meine Hand in seine. Hat es ihr nicht gereicht, dass ich es ihr gesagt habe? Ist sie schwer von Begriff? Schnaubend sehe ich hoch zum Fernseher. Wieso ist der an, wenn meine Nachbarin sowieso weg ist? Gott, mich nervt alles jetzt! "Shana, denk nicht daran. Denk lieber an mich." Can dreht mein Gesicht zu sich und lächelt mich mit seinem hinreißenden Lächeln an, das mich dahinschmelzen lässt. "Ich hatte einen Traum", erzählt er mir schmunzelnd. Ich schaue ihn aufmerksam an und erahne anhand seines sexy Lippenbeißers, dass es ein Traum mit Ektase war. "Ich hatte Sex mit dir, deine Beine hast du fest um meinen Rumpf umschlungen. Das war auf der Kücheninsel in eurer Wohnung und du hattest rosa Sachen an. Der Sex im Traum war so gut, dass ich wirklich gekommen bin. Zum Glück war nichts auf der Matratze. Das ist schon das zweite Mal, dass ich wegen dir im Schlaf gekommen bin. Irgendwann werde ich diesen Traum wahr werden lassen." Meine Augen weiten sich. Wow, Can muss wirkliche starkes Verlangen nach mir haben, dass er schon im Traum zum Orgasmus kommt.

"Und wann war das erste Mal?", frage ich leicht geschmeichelt. Er schmunzelt und verzieht dann leicht sein Gesicht. Can wirkt zerknirscht. "An Silvester vor einem Jahr. Da, wo ich mich nicht unter Kontrolle hatte", murmelt er. Ich erinnere mich sofort an seine hungrigen Blicke und Hände. Den Gedanken verwerfe ich, es ist Vergangenheit. "Ouh, okay." Can kommt mir so vor, als ob er mit den Gedanken woanders wäre. "Can?" Er schaut auf, mein Blick wird fragend. Seine gelben Augen zeigen leichte Schuld. Wieso? "Nichts, war nur in Gedanken." Müde fährt er sich über sein Gesicht und gähnt, ich muss mitgähnen. "Ich habe einen Besichtigungstermin in drei Wochen ausgemacht. Vielleicht kannst du ja mitkommen." Can zuckt mit seinen Schultern. Ich will die Wohnung sehen, ich komme mit! "Ja, ich will. Jetzt sofort am liebsten." Ich will mir dann vorstellen können, wo genau was liegt. Wo soll Shelly liegen? Welche Farbe soll unser Zimmer haben? Can lächelt mich verträumt an und streicht mir eine Strähne hinter mein Ohr. "Sollen wir etwas spazieren? Ich bin heute eine Runde um die Station gelaufen und war echt stolz auf mich", gebe ich an, was ihn lächeln lässt. "Wenn es nicht zu anstrengend für dich wird, wieso nicht? Komm." Ich setze mich auf und schlüpfe in meine Pantoffeln, ehe ich langsam Schritte ansetze und mir den Bauch halten muss. Oh Gott. "Was ist los?" Can macht sich bereit, mich zu tragen, doch ich lasse es nicht zu. "Das hatte ich heute Morgen auch schon. Mein Blinddarm tut weh." Ich schließe fest die Augen und seufze, als die Schmerzen vergehen. Erleichtert seufze ich. Die Schmerzen sind ja wie bei der Laktoseintoleranz, wenn es ganz schlimm bei mir wird. "Was ist los?", will Can wissen. "Nichts, Schmerzen", flüstere ich und laufe weiter. "Sollen wir nicht lieber den Arzt rufen?" Ich verneine es. "Bin noch relativ frisch postoperativ. Wenn es weiter so geht, dann rufen wir den Arzt." Sein Gesicht sagt mir, dass er das für keine gute Idee hält, aber ich lasse mich davon nicht beirren und laufe langsam weiter. Nach einer Bauchoperation kann es einem nicht sofort wieder gut gehen, es braucht Zeit. Wir steigen in den Aufzug, wo ich mich im Spiegel revidiere. Meine Haare sind fettig, es wird mal Zeit, dass ich wieder dusche. "Lass mich dir gleich beim Duschen helfen." Can stellt sich hinter mich und küsst meinen Nacken, was so schön kribbelt. Ich nicke beschämt und halte mich an Can fest, als wir aus dem Aufzug steigen. Mir fällt das Atmen schwerer, ich bleibe stehen. "Shana, sicher, dass du laufen kannst?" Ich verneine es und lehne mich gegen Can, der mich trägt. Ich bin ein wenig müde.

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