Kapitel 74

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Ed Sheeran - Perfect

Montag, 21. Juli

Nicht wirklich euphorisch wache ich auf und strecke mich. Ich schlüpfe in meine Jogginghose und in ein Top und schlurfe durch das Wohnzimmer. Decke ist gefaltet und das Kissen liegt sogar auf dem Kissen. In der Küche setze ich mich hin, das Frühstück steht, auf meinem Teller liegt ein Rosenstrauß. "Soll ich etwa Rosen fressen, oder was?", blaffe ich. Can schaut mich unsicher an, kratzt sich hinter seinem Ohr, ich spüre sein Unbehagen. "Die sind für dich, du magst doch Rosen", nuschelt er eingeschüchtert. Ich schiebe augenverdrehend die Rosen weg und binde mir mein Haar zu, damit ich in Ruhe essen kann. Seine Blicke ignoriere ich völlig und schaue, was alles auf Instagram und Snapchat gepostet wurde. "Shana, bitte es tut mir leid, verzeih mir bitte", fleht er. Das tut er schon seit Samstag, aber nicht im Schlafzimmer, weil er im Wohnzimmer schläft. Da ist man frisch verheiratet und kann nicht einmal mehr im eigenen Bett schlafen. Ich ignoriere Can und esse mein Brot. Er kann sich seine Entschuldigungen sonst wo hinstecken. Resigniert seufzt er, schaut mich an, während er isst. "Schau woanders hin", gebe ich kalt von mir. Er soll mich nicht ansehen, dieser Satz geht mir nicht aus dem Kopf! Er hat das bekommen, was er wollte... meine Jungfräulichkeit. Ich blinzele angestrengt meine Tränen weg und stehe auf. Er tut dasselbe. "Du darfst mir ganz fest eine Scheuern." Das lasse ich mir kein zweites Mal sagen und hole so kräftig aus, dass meine eigene Hand wehtut, als sie schallend auf Cans Wange trifft. Sie pulsiert jetzt, Can schaut erschrocken und hält sich die Wange, zischt vor Schmerzen. "Dein Ring hat perfekt den Wangenknochen getroffen", sagt er und massiert schmerzverzerrt seine knallrote Wange. "Räum ab", befehle ich und gehe ins Arbeitszimmer. Lernen lenkt mich immer ab, lernen hat mich schon damals abgelenkt.

Ich lese mir die Notizen von meinem Liquor Seminar durch, auch wenn ich das nicht nötig habe. Ich will mich einfach nur ablenken und vergessen. Mag sein, dass es für ihn nur ein Spaß war, aber das kam für mich nicht als Spaß rüber. Er tritt in das Zimmer, muss er hier sein? Muss er meine Nähe suchen? Er nimmt sich seinen Stuhl und setzt sich genau zu mir, legt den Rosenstrauß auf den Tisch. Monoton schaue ich Can an, sehe die Unsicherheit in seinen Augen. "Was soll ich damit?" Wenn mir jemand diesen Satz ins Gesicht gehauen hätte, nachdem ich ihm ein Geschenk gebracht hätte, wäre ich echt traurig. Unsicher spielt er an seinem Ehering. Ich wollte sogar die Kette abnehmen, habe es aber nicht getan, sie bedeutet mir zu viel. Can will nach meiner Hand greifen, die ich wegziehe. Ich fühle mich selber nicht wohl dabei, wenn ich ihn so abweise. Es ist nicht mehr wie früher, weil ich ihn jetzt liebe, aber ich kann ihn jetzt nicht so einfach damit davonkommen lassen. "Du wirkst müde", merkt er an. "Warum wohl?", blaffe ich laut. Er macht mich gerade so aggressiv. Sein Kiefer zuckt, er schaut mir mit Reue in die Augen. "Ich fühle mich wegen dir total beschissen, Can! Ich fühle mich dreckig, wie kannst du so dumm sein und so mit mir umgehen? Ich habe bei der Hochzeitsnacht an deine Bedürfnisse gedacht und habe meine Angst überwunden und was machst du? Du machst dich lustig über mich und haust diesen verfickt ehrenlosen Spruch raus? Was stimmt nicht mir dir?!", schreie ich. Ich zittere vor Wut und blinzele mir die Tränen weg.

Can zuckt zusammen und schüttelt den Kopf. "Mit mir stimmt alles", nuschelt er ganz leise und fährt über seinen Kopf. Verdammt, ich hätte das vielleicht nicht sagen sollen. Dadurch kommen seine Komplexe wieder hoch. "Soll ich mich lustig über dich machen, Can? Soll ich Witze über dein Trauma machen oder über deine Einschränkungen? Soll ich dich so verdammt beschissen fühlen lassen?" Er schüttelt ängstlich den Kopf, er hält sich seinen linken Arm fest und schüttelt ganz fest den Kopf. "Du hast es eigentlich verdient, Can, aber ich tue es aus drei Gründen nicht." Can wirkt wie gelähmt und schaut auf seine Hände. "Der erste Grund ist, weil ich dich zu sehr liebe, der zweite Grund ist, dass ich nicht so charakterlos bin und der dritte Grund ist, dass ich nicht dein Vertrauen missbrauchen und brechen will, sowie du es getan hast." Ich presse meine Lippen aufeinander und atme tief durch, meine Hände zittern, meine Tränen wollen raus, aber ich will nicht vor ihm weinen. Nicht deswegen. "Geh einfach und lass mich in Ruhe, Can, ich habe gar keinen Nerv für dich." Frustriert seufze ich und schaue auf meine Notizen. Can bleibt regungslos auf dem Stuhl sitzen, das ist mir aber gerade egal. "Fühlt es sich so schlimm für dich an?", fragt Can vorsichtig und durchbricht damit die Stille. "Wie denn sonst?" Ich bin gerade total unemphatisch, aber Cans Worte regen mich einfach so auf. "Ich wusste nicht, dass dich das so-," "Wie sollte ich es sonst aufnehmen, Can? Ich bin sensibel und total unsicher, was Sex angeht. Kannst du nicht einmal mehr rational denken, oder was?" Er atmet tief ein und schüttelt den Kopf. Nach kurzer Zeit verlässt er mit einem traurigen Blick das Zimmer. Seufzend halte ich mir den Kopf. Habe ich Can zu stark verletzt? Ich will etwas haben, was mich ablenkt. Im passenden Moment ruft Ranja mich an. Seufzend gehe ich ran.

AkzeptanzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt