Kapitel 118

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Nick Jonas ft. Tove Lo - Close

Sonntag, 4. Juli

Ich habe das PJ echt vermisst und diese Woche war es nur mehr als erfolgreich für mich, da der Trottel, der angeblich besser als ich ist, einer Patientin fast etwas injiziert hat, was oral eingenommen werden muss. Zum Glück war neben mir noch unser Oberarzt da, der mich gelobt hat. Den ganzen Freitag habe ich gegrinst, weil ich ihn einfach dort besiegt habe. Ich bin die Beste in der Herz-Thoraxchirurgie und nicht er. Im OP durfte ich am Ende sogar nähen und habe Can die ganze Zeit zu Hause angetanzt, weil ich so glücklich war. Tja, wer sich mir in den Weg stellen will, der wird von der Müllabfuhr abgeholt. Die Woche über war es echt gut, nur weiß ich nicht, wie es heute sein wird, denn heute kommen Cihan und Elif zu uns. Zum Glück muss Can heute zur Therapie. Ranja wird später zu uns kommen und mit mir bei Cihan und Elif bleiben. Ich weiß echt nicht, wie es heute ausgehen wird, aber ich hoffe echt, dass es nicht ausartet. Ich lese mir gerade die Notizen aus meinem Logbuch durch und markiere mir das, was ich morgen den Oberarzt fragen will. Am liebsten würde ich als Allgemeinchirurgin tätig sein und dann eine Fortbildung zur Herz-Thoraxchirurgin machen, aber ob das was wird, weiß ich nicht. Außerdem muss ich meinem Doktorvater noch eine Email bezüglich des Heilmittels schreiben. Das Protokoll ist schon fertig und bereit, abgeschickt zu werden. Die Wohnung ist auch schon aufgeräumt und was ich heute koche, weiß ich auch schon. Can ist seit zwei Stunden im Fitnessstudio, wann er wiederkommt, ist mir nicht bewusst. Er weiß nicht, dass sie heute kommen, aber ich habe es ihm geschrieben. Ich konnte es ihm irgendwie nicht sagen, ich weiß nicht wieso.

In der Zwischenzeit habe ich mein Protokoll abgeschickt, das Hackfleisch braten, die Kartoffeln kochen lassen und bade gerade Amir. Die mediterrane Küche wird Menschen mit koronarer Herzerkrankung empfohlen, und ich habe mich ein wenig mit Elif noch deshalb ausgetauscht, die mir ein sicheres Gefühl gegeben hat. Can ist seit insgesamt vier Stunden weg, also müsste er doch gleich kommen oder? Amir rudert freudig im Wasser und brabbelt aufgeregt. Ich nehme ihn auf, muss aber immer wieder an Can denken. Hat er die Nachricht gelesen? Während des Trainings hat er sein Handy immer im Flugzeugmodus. "Hast du Spaß?", lächele ich Amir an. Wann er wohl richtig bewusst lächelt? Seine Mundwinkel sind schon einige Male hochgegangen, aber ein richtiges Lächeln hat er mir bis jetzt noch nie geschenkt. Er ist aber sehr Wissensdurstig, will alles in die Hand nehmen, egal wie komisch es auch aussieht. Vor allem meine knalligen Blusen liebt er. Ich greife mir seine niedlichen Brüste und kraule seinen Bauch, während seine Beine rudern und seine Händchen sein Spielzeug halten. "Ba!", ruft er und lässt sein Spielzeug fallen. "Hast du schön gesagt, mein Prinz." Ich fahre über seinen kleinen Haarschopf und lasse das Wasser ablaufen, nachdem ich das Video beendet habe. Ich wickele Amir in seinem Handtuch ein, nehme mir mein Handy zur Hand und laufe ins Schlafzimmer, gehe auf WhatsApp und halte inne, als ich die blauen Haken sehe. Ouh oje, Can hat die Nachricht gelesen, aber nicht geantwortet. Amir brabbelt vor sich hin und tapst mit seinen Füßen auf meinem Becken herum. "Wenn du nur wüsstest", seufze ich. Ich ziehe ihm bedrückt seine Windel und seinen Wickelbody an. Gemeinsam setzen wir uns im Wohnzimmer hin und schauen ein wenig fern, nebenbei lese ich meine Notizen laut vor und gebe sie auch auf Kurdisch wieder, auch, wenn ich nicht weiß, was Vorhofflimmern auf Kurdisch ist. "Willst du auch ein Arzt werden? Doxtor? Te wet tu biya doxtor? Du wärst ein toller Arzt." Ich küsse seine Wange und ziehe seinen Duft ein.

Als die Tür nach einiger Zeit aufgeschlossen wird, schlägt mein Herz ein wenig schneller und ich habe ein mulmiges Gefühl im Magen. Oje, jetzt geht's los. Langsam setze ich mich auf und atme tief durch, als er ins Wohnzimmer kommt. Ich weiß nicht, was jetzt passieren wird, aber auch Amir meckert ein wenig. Sein undefinierbarer Blick liegt auf mir, seine angespannte Haltung verrät nichts Gutes. Er nickt und dieses Nicken ist verhöhnend. "Heute kriegen wir besuch, huh?" Ich drücke Amir fester an mich. "Ja", gebe ich neutral von mir. Can spannt seinen Kiefer an und lässt seine Sporttasche fallen. Mein Herz schlägt schneller, mir ist warm. Er lächelt schnaubend. "Willst du mit ihnen vielleicht noch in den Urlaub?", fragt er voller Spott. Ich bemühe mich ruhig zu bleiben, auch, wenn ich innerlich bebe. Amir zappelt schon unruhig. "Du übertreibst, Can." Trocken sehe ich ihn an. An seiner Mimik und Gestik ändert sich nichts. "Ich übertreibe also? Bist du nicht einfach zu leichtsinnig?" Entgeistert ziehe ich meine Augenbrauen zusammen. Ist das gerade sein Ernst? "Willst du mich komplett verarschen, Can? Wo bin ich leichtsinnig, wenn ich zwei Personen einlade, die mich schon eingeladen haben? Wieso bin ich da leichtsinnig, aber nicht leichtsinnig, was unsere Beziehung angeht? Denk mal an die Vergangenheit", blaffe ich. Amir fühlt sich nicht wohl, weshalb ich aufstehe und ein wenig herumlaufe. Can antwortet nicht, schaut mich einfach nur an. Seinen Blick erwidere ich ohne Angst. "Jetzt mach dich fertig für deinen Termin. Gehst du danach zu Malik?", frage ich eine Spur sanfter, in der Hoffnung, seine Wut zu mindern. Er kneift seine Augen zusammen. "Du willst mich also gar nicht hier haben, huh?" Er kommt auf mich zu und unwillkürlich lege ich meine Hand auf Amirs Kopf, welcher auf meiner Brust ruht. "Du bevorzugst also die ehemaligen Feinde?", zischt er. "Ja", schnauze ich, weil er mich so aufregt.

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