Kapitel 43

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Sam Smith - Stay With Me

Montag, 3. März

Seit dem 20. Februar bin ich mit Can im Praktikum für Neurologie. Can nennt mich - auf meinen Wunsch - Dr. Shepherd, was mich immer grinsen lässt. Leider arbeitet er immer noch, aber dafür ist das Wiedersehen umso schöner. Mann, ich hätte echt nicht gedacht, dass ich Can so schnell und so stark vermissen kann. Das Gute ist, dass der Stationsarzt mich echt mag. So verschaffe ich mir Pluspunkte und durfte sogar bei einer intrakraniellen Druckmessung dabei sein. Can nicht, weswegen ich ihn immer damit aufziehe. Auch wenn der Arzt Can mag und von unserem Wissen beeindruckt ist, mag er mich mehr. Ab und zu sehe ich Jessica, die ebenfalls im selben Krankenhaus wie Can und ich arbeitet, aber nur auf der Orthopädie Station. Ich gieße Shelly, nach dem ich mich fertiggemacht habe und laufe hinunter, wo Can schon auf mich wartet. "Danke, vielleicht solltest du Doktor Merzing auch eine Rose geben, vielleicht lässt er dich dann auch bei einer intrakraniellen Druckmessung zuschauen", necke ich ihn in einem eingebildeten Ton, als er mir eine Rose übergibt. "Ich sollte dir einen Knebel umbinden, damit du nicht mehr so nervig bist." Ich schnaube. "Ich versüße dir deinen Tag, sei mir lieber dankbar, Herr Grimmig-und-halb-so-beliebt-beim-Stationsarzt." Can stöhnt auf, was mich gehässig lachen lässt. "Du und deine nervig-sadistische Art." Wieder schnaube ich. "Du und deine schwache Art", entgegne ich schmunzelnd. "Ich und schwach? Du weißt, dass ich dich als Basketball benutzen kann." Und als vieles mehr. "Ich kann dich mit einer Bratpfanne umhauen. Ja, da staunst du." Can schmunzelt und nimmt meine Hand.

"Moment mal. Wenn der Stationsarzt eigentlich eine Frau wäre und mich mehr mögen würde, würdest du ausrasten und versuchen, die Ärztin wegzuschaffen. Wieso darfst du dich mit einem Mann verstehen?", brummt Can. "Weil ich hübsch, süß, charmant und äußerst sympathisch bin und viel Intellekt besitze", erkläre ich Can. Als wir an der Ampel stehenbleiben schaut er spöttisch zu mir. Sein Blick ändert sich sofort, er wird panisch. "Schnall dich an!", ruft er und zieht den Gurt um meinen Rumpf. Verdammt, das habe ich beim Einsteigen komplett vergessen! "Can, es tut mir leid! Das habe ich wirklich vergessen." Ich schnalle mich an, woraufhin er an meinem Gurt zurrt und ihn in der Hand hält. "Macht nichts", presst er leicht hervor und biegt ab. Oh Mann, am frühen Morgen will ich ihn nicht in Panik versetzen. Seine Hand umschließe ich und kraule beruhigend seinen Handrücken. Ich hätte nicht gedacht, dass er so ruckartig reagiert. "Sollen wir kurz anhalten oder so?", frage ich vorsichtig. Er verneint es und fährt weiter. Im Krankenhaus angekommen, holen wir aus unserem Spint unsere Sachen raus. Ich will mich gerade umdrehen und rausgehen, sehe aber, dass Can sich schon umzieht. Na ja, ich darf ja schließlich gucken. Es sieht so geschmeidig aus, wenn er sich sein Oberteil auszieht. "Can, du hast ja diese Einschränkung am Rücken." Er schaut mich abwartend an. "Hat dir das nicht wehgetan, als du vor mir niedergekniet hast?" Ich beiße mir auf die Unterlippe und hoffe, dass er keine Schmerzen hatte. "Doch." Tief atme ich ein und schließe meine Augen. "Wieso hast du es dann getan?", frage ich. "Du hast mehr Schmerzen ertragen müssen. Ich kann mich, für eine bestimmte Zeit, nach vorne beugen und dann beginnt es zu ziehen. Ich hasse es aber, meinen Rücken irgendwie stark einsetzen zu müssen. Wenn ich mir zum Beispiel die Schuhe zu mache, wäre es mir lieber, wenn ich mich hinsetze und mein Knie heranziehe, aber ich fühle mich so unwohl dabei, wenn es jemand sieht." Ouh. Das gefällt mir nicht. "Aber du musst dich dafür nicht schämen, Can." Meine Augenbrauen ziehen sich bedauernd zusammen.

Can seufzt resigniert und will in die Hocke gehen, als ich ihn aufhalte und seine Schnürsenkel öffne. Er soll sich nicht belasten, denn wenn er es tut, ist es psychisch und physisch. "Danke", flüstert er und wechselt die Hose. Ich schaue nicht auf seine Boxershort, sondern auf seine Brust, bis er die Hose anhat. "Kannst du mir den Schuhlöffel geben?" Ich tue es und gehe wieder in die Hocke. Er schaut mich verwirrt an. "Wegen deinen Schnürsenkeln." Ich bemerke, wie er sich schämt. "Can, du weißt, dass ich die Letzte bin, die dafür kein Verständnis zeigt. Schäm dich bitte deswegen nicht." Aufmunternd fahre ich über seine Schienbeine und mache am Ende seine Schnürsenkel zu. Als ich aufstehe, seufzt er. "Du bist ein wahrer Engel, Shana." Er küsst meine Stirn und verlässt schnell die Kabine. Er fühlt sich unwohl. Die Tür schließe ich ab, falte Cans Sachen, die er auf dem Boden gelassen hat und mache mich ebenfalls fertig. Hat er jetzt wieder negative Gedanken im Kopf herumschwirren, weil er etwas nicht kann? Es war ja nicht Cans schuld, dass ihn damals eine Scherbe stark verletzt hat. Heute wird ein guter Tag, heute mache ich Can gute Laune. Etwas motivierter verlasse ich die Kabine und werde vom Stationsarzt begrüßt. "Ach, Shana. Wie geht es Ihnen?" Ich lächele den blauäugigen Mann an. "Ganz gut und Ihnen?", frage ich. "Ebenfalls, danke der Nachfrage. Can, was ist mit Ihnen los?" Nein, er ist gekränkt und das ohne Grund. "Nur etwas müde, mehr nicht." Leicht lächelt er dem Doktor zu. Wenn Doktor Merzing nur wüsste, dass Can wenig Schlaf braucht.

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