Kapitel 84

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Camila Cabello - Real Friends

Donnerstag, 16. Oktober

"Der erste Tag im Blockpraktikum war echt gut, zwar war ich leider passiv, aber ich habe schön geguckt und mir alles gemerkt, und die Frauenheilkunde ist so cool, Can! Ich bin froh, wenn ich im Blockpraktikum auf der Gyn arbeiten darf. 1500 Gene liegen ungefähr auf dem X-Chromosom, die eine wichtige Funktion für Herz und Kreislauf, Hirnfunktion und Immunsystem haben. Can, das ist so toll, ich liebe Vaginen!" Ich beende meinen kleinen Aufsatz mit einem euphorischen Seufzer und sehe Can mit großen Augen an, weil ich die Uni irgendwie doch vermisst habe. Wie wohl die Urologie Vorlesungen sein werden? Die werden auch bestimmt klasse! Dann werde ich auch Penisse euphorisieren! "Fandest du es heute auch gut?", frage ich Can, der kauend nickt. "Auch die Vorlesung?" Nun schaut er nachdenklich auf. "Die Informationen sind relevant, aber ich mag nur eine Vagina", nuschelt Can mit vollem Mund. Ich lache leicht empört und schüttele belustigt den Kopf. "Gute Antwort. Morgen haben wir Urologie, wie cool. So kann ich mein Wissen über dein Bonbon erweitern." Can hält mir mein Essen vor den Mund. "Iss jetzt. Bonbons und Sirup kriegst du, wenn wir zu Hause sind." Hoffentlich auch Knisterspaß. Kurz schweige ich und genieße das relativ gute Mensa essen, als ich wieder an die Vorlesung denken muss. "Can, das wäre doch total cool, wenn ich mal in einer Vagina herumoperieren dürfte." Ich quietsche auf und schaue freudig in sein lächelndes Gesicht. Kauend beugt er sich zu mir vor und gibt mir einen Kuss auf die Wange. Oh Mann, Liebkosungen in der Öffentlichkeit, mir wird warm. Einige Jungs kommen auf uns zu und geben Can die Hand, interessiert schaue ich mich in der Mensa um und futtere nebenbei. Kein Aykan, keine Aleyna, die eigentlich nicht mehr hier ist. Ich sehe eine Hand vor meinem Gesicht, was mich verwirrt schauen lässt. Ich sehe zum Jungen hoch, der mir irgendwie bekannt vorkommt und schüttele verdutzt die Haare. "Ich bin der, der den Mord vorgebeugt hat", lacht er. Ouh, der Junge! "Ouh", murmele ich verlegen. Lachend wendet er sich an Can. "Pass auf, sie kann echt wild werden." Can schaut kurz zu mir, was mich erröten lässt und nickt dann. Als wir wieder alleine sind, esse ich mein Essen weiter. "Woher kennt er dich?", raunt Can mir zu. "Von der Mensa." "Wie habt ihr euch kennengelernt?" "Durch eine Prügelei." "Und was hatte er für eine Rolle?", hinterfragt Can. Sein Arm liegt auf meiner Rückenlehne. "Eine aktive, da ich Aleyna umbringen wollte. Er hat mich weggezogen." Ich zucke mit meinen Schultern und sehe, wie sein Kiefer zuckt. Oh Gott, nicht sein Ernst. "Can, du bist jetzt nicht wirklich deswegen eifersüchtig." Grimmig schüttelt er den Kopf. "Can", warne ich. "Wir waren damals kein Paar mehr und ich war sowieso am Ende, lass gut sein. Wir wollen nicht darüber reden, wen du alles geküsst und gefickt hast." Finster sieht er mich an. Meine Meinung ist mir über die Zunge gerollt, ups. Jetzt ist Can sauer. "Can?" Er ignoriert mich und isst sein Essen, oje.

Can ist komplett stumm geworden, dabei habe ich es als nicht Schlimmes empfunden. Es ist doch nur die Wahrheit? Mensch, wie sensibel Can doch ist. Vom Labor kommend, ziehe ich mir die Schuhe aus und überlege mir, ob ich Shelly neben die Couch stelle, lasse sie aber doch auf der Fernsehseite. Can läuft an mir vorbei, seine Schuhe hat er noch an. Wo will er hin? Im Schlafzimmer sehe ich, wie er seine Sporttasche packt. Will er jetzt seinen Frust abbauen? "Can, du hast kein Recht sauer zu sein." Er ignoriert mich geflissentlich und läuft an mir vorbei, packt sich noch einiges ein und verlässt die Wohnung. Dann nicht. Seufzend setze ich mich mit einer kuscheligen Decke im Wohnzimmer hin und schreibe ein wenig mit meinen Freundinnen. Mama wollte sie unbedingt sehen, aber alle arbeiten ja schon. Can konnte sich erstaunlich gut zurückhalten, als wir bei unseren Eltern geblieben sind. Wir hatten echt lange keinen Sex mehr, wow. Moment, Moment, Moment! Was ist mit dem Brief? Hat Can ihn abgefangen? Wo ist er? Sofort mache ich mich auf die Suche und klappere die Schubladen ab, in denen ich aber nichts finde. Nicht im Kleiderschrank, nicht zwischen den Socken oder der Unterwäsche, nicht unterm Kissen. Wo hat er den Brief hingelegt? Ich suche alles ab und schreie frustriert auf, weil ich den Scheiß nicht finde. Wo hat er es hingelegt? Ich suche seine Kleidung noch einmal nach und kontrolliere vor allem seine Jacken, rüttele an ihnen und drücke sie zusammen. Nicht in der Lederjacke, nicht in der Wildlederjacke, nicht in seinen Strickjacken, nicht in seinen Manteln, fick dich doch, Can! Oh Gott, ich höre etwas! "Aha!", schreie ich. "Heureka!" Ich taste die Taschen seines Sakkos ab und fische einen Brief aus der Innentasche. "Polizeipräsidium Hamburg." Ich springe auf und ab und hüpfe aufs Bett. Der Brief wurde schon geöffnet, wieso hat er mir nicht Bescheid gegeben? Schnell hole ich den Brief raus und überspringe alles, bis ich auf den Namen stoße.

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