So saß sie eine lange Zeit, bis schließlich eines der Kinder zu weinen begann. Sofort schlug Liam die Augen auf und schaute zu ihr hoch.
"Schlaf weiter. Ich kümmer mich um sie. Schlaf du nur.", sagte sie und ging nun wieder in das Wohnzimmer, wo Jim mit den drei schreienden Kindern leicht überfordert war. Lächelnd nahm sie ihm die Arbeit ab und kümmerte sich um die drei, bis sie schließlich wieder zufrieden im Bett lagen und schliefen. Mittlerweile war es schon spät am Abend und Diana setzte sich nun wieder mit Jim auf die Couch.
"Wie geht's Liam?", fragte er nun.
"Nicht gerade gut. So langsam macht er mir wirklich Sorgen."
"Das wird schon. Lass den mal schlafen und dann wird das alles wieder."
"Ich hoffe es."
"Vielleicht hat er wirklich einfach nur eine Grippe und es geht ihm morgen schon besser. Mach dir da nicht all zu viele Sorgen. Das wird schon alles wieder."
"Ja. Vielleicht mach ich mir einfach zu viele Sorgen."
"Das tust du. Das wird schon alles. Bei dir ist er auf jeden Fall in den besten Händen, die man sich vorstellen kann. Du päppelst ihn schon wieder auf."
"Ich geb mein Bestes."
"Ich weiß und das tut er auch. Du musst dir keine Sorgen machen. Das wird schon wieder."
Nun herrschte Stille, bis eines der Kinder plötzlich zu weinen begann. Sanft hob sie das kleine Mädchen hoch und begann leicht schaukelnd durch den Raum zu laufen.So verbrachte sie eine lange Zeit, bis die Kleine schließlich ein schlief und sie sie wieder in ihr Bett legte. Müde setzte sie sich nun wieder zu Jim und sagte: "So viel zum Thema pflegeleicht."
"Immerhin schreien sie nicht den ganzen Tag. Das ist doch schon ganz gut.", meinte er.
"Beschrei es bloß nicht! Da bin ich jetzt nicht unbedingt scharf drauf."
"Ich kann's verstehen."
Sie unterhielten sich nun noch eine Weile, bis Diana schließlich völlig fertig ein schlief.Mitten in der Nacht wurde sie allerdings von unruhigen Bewegungen neben sich wach. Verwundert schlug sie die Augen auf und erkannte Jim, der neben ihr schlief. Klitsch nass geschwitzt drehte er sich hin und her.
"Jim?", fragte sie verwundert. Was war denn nun mit ihm los? Er reagierte jedoch nicht, sondern drehte sich weiterhin hin und her.
"Nein!", sagte er immer wieder unruhig.
"Jim! Wach auf!", sagte sie erneut, doch er nahm sie noch immer nicht wahr.
"Jim!", sagte sie nun lauter und rüttelte vorsichtig an seinen Schultern. Er schlug nun die Augen auf und schaute sie groß an.
"Hey. Was ist los?", fragte sie besorgt. Er schwieg jedoch und schaute apathisch in die Ferne.
"Jim? Hörst du mich?", fragte sie nun schon fast panisch.
"Ja.", sagte er noch immer sehr abwesend.
"Was ist los? Geht's dir nicht gut? Kann ich dir irgendwie helfen?", fragte sie besorgt. Er schien nun langsam zurück in die Realität zu finden und sagte: "Alles gut."
"Nein! Es ist nicht alles gut! Das seh ich doch!"
"Doch. Mach dir keine Sorgen."
"Das tu ich aber! Sag mir jetzt, was los ist!"
"Lieber nicht."
"Jim, ich mach mir verdammt nochmal Sorgen um dich! Ich bin kein kleines, 13 jähriges Kind mehr! Ich bin erwachsen und ich komme damit klar! Und wenn ich drei Wochen durch heule. Das wäre ja nichts neues! Ist mir egal, aber ich will verdammt nochmal wissen, was los ist!"
"Das ist nicht so einfach zu erklären. Ich weiß nicht, ob du das verstehen kannst."
"Leg einfach los. Ich höre zu und versuche es zu verstehen."
"Ich denke du kannst dir vorstellen, dass man als Soldat viel sieht, was man nicht unbedingt sehen sollte und dass das nicht unbedingt einfach ist."
"Ja."
"Und ich denke mal du kannst dir auch vorstellen, dass es nicht spurlos an einem vorbei geht, wenn man fast erschossen wird."
"Ja. Natürlich nicht."
"Jeder Soldat muss alle paar Wochen zu einem Psychologen und wird da beurteilt. Wenn der Psychologe der Meinung ist, dass der Soldat nicht fähig ist zu arbeiten, wird er erstmal frei gestellt und wenn es danach nicht besser wird, wird er entlassen."
"Ja. So weit war ich auch schon. Und was hat das jetzt mit deiner Situation zu tun? Es ist nachts um drei. Ich bin da nicht so gut im Kombinieren."
"Ich bin jetzt innerhalb von kurzer Zeit drei Mal fast erschossen worden. Das kratzt dann doch ziemlich an der Psyche. Deswegen hab ich jetzt die zwei Jahre frei."
Geschockt schaute sie ihn an und es herrschte erst einmal Stille, bis sie sie fragte: "Warum hast du nichts gesagt? Ich bin doch da. Ich hätte dir doch geholfen!"
"Eben. Deshalb. Du warst so schon den ganzen Tag so gestresst und nur auf Achse. Da wollte ich dich nicht noch zusätzlich stressen. Ich kenn dich doch. Du wärst direkt wieder in Panik ausgebrochen."
"Und das bin ich so jetzt nicht oder wie? Ich dachte schon es wäre sonst was los! Jim, ich bin nicht mehr das kleine Mädchen, das nichts verkraftet! Mir ist es lieber, wenn du mir sagst, wenn es dir beschissen geht, als wenn du mich hier so schockst! Ich komme damit klar und ich mache dir für psychische Probleme auch garantiert keine Vorwürfe! Ich kann verstehen, dass dir das zu schaffen macht. Das ist kein Problem. Wirklich nicht. Du musst nicht nur für mich stark sein. Ich weiß, dass du das denkst, aber das ist so nicht! Ich bin nicht mehr das kleine Mädchen auf das du aufpassen musst. Ich bin 30 Jahre alt und erwachsen. Ich kann auf mich selber aufpassen. Du hast ein Trauma und es bringt nichts, wenn du alles einfach tot schweigst und das mit dir selber aus machst. Bitte lass dir helfen und sprich mit mir! Ich will doch nur, dass es dir gut geht! Außer dir und Liam hab ich niemanden mehr und du bist mir verdammt wichtig!"
"Ach Kleine. Ich kann einfach immer noch nicht glauben, dass du so verdammt erwachsen geworden bist! Das muss ich erstmal realisieren. Tut mir leid. Ich wollte dich nicht schocken oder verletzen. Wirklich nicht. Ich wollte dich nur schützen. Ich dachte du kommst damit nicht klar oder nimmst es mir übel."
"Warum sollte ich dir das übel nehmen? Ich kann mir schon vorstellen, dass man als Soldat verdammt viel Mist sieht, den man nicht sehen sollte und es ist doch völlig klar, dass man ein Trauma davon trägt, wenn man drei Mal fast erschossen wird. Da nehme ich es dir garantiert nicht übel, dass du psychische Probleme hast! Das einzige, was ich dir übel nehme ist, dass du nicht mit mir sprichst und das ändert sich ja jetzt hoffentlich!"
"Versprochen!"
"Na siehst du. Dann ist doch alles gut."
"Was würde ich nur ohne dich machen?"
"Da geht es mir ganz genauso. Wir brauchen uns einfach gegenseitig."
"Ja. Das stimmt."
"Ich bin auf jeden Fall für dich da. Wenn irgendwas ist dann sag bescheid! Rede von mir aus stundenlang über deine Probleme und heul mir die Ohren voll. Da hab ich kein Problem mit. Wirklich nicht. Alles ist besser, als wenn du alles in dich rein frisst. Das bringt keinem etwas und macht dich nur noch mehr verrückt."
"Gut, dass ich meine kleine Psychologin hab."
"Ich bin keine Psychologin. Ich hab nur Psychologie studiert. Und das auch nur nebenbei. Damit bin ich noch lange keine Psychologin!"
"Für mich schon. Mir konntest du bisher immer helfen."
"Ich hoffe das kann ich auch weiterhin."
"Da hab ich vollstes Vertrauen in dich. Du machst das schon."
"Dazu musst du aber offen und ehrlich mit mir reden! Und zwar sofort und nicht erst, wenn du eine Panik Attacke hast!"
"Was für eine Panik Attacke?"
"Du hattest gerade eine Panik Attacke."
"Das war nur ein Alptraum."
"Das war eine Panik Attacke. Ganz eindeutig. Ich weiß schon von was ich rede. Ich hab den ganzen Stoff im Studium durch gekaut."
"Wenn du meinst."
"Das meine ich nicht nur! Das ist so! Wegen einem einfachen Alptraum würde ich mir ja wohl kaum solche Sorgen um dich machen."
"Ich glaube du übertreibst ein bisschen."
Genervt stand sie nun auf und holte ein Buch herbei. Kurz darauf hatte er die Definition und die Symptome von Panik Attacken vor sich liegen und überflog die Seite kurz.
"Okay. Vielleicht hast du doch Recht.", meinte er nun.
"Na siehst du. Ab und zu kannst du mir ruhig mal glauben! In Sachen Psychologie bin ich dir weit überlegen!", sagte sie und packte das Buch weg, um sich dann wieder zu ihm zu setzen.
"Mum wäre stolz auf dich. Sie wollte immer, dass du mal Psychologie studierst.", sagte er nun und legte sanft einen Arm um sie.
"Ja. Früher hab ich es gehasst, wenn sie mir Vorträge gehalten hat, dass sie ja nie die Möglichkeit hatte zu studieren und das ich die Möglichkeit dazu ausnutzen soll. Heute weiß ich, wie wichtig ihr das war, dass wir einen vernünftigen Job haben und dass sie das alles immer nur gut gemeint hat."
"Ihr war es immer wichtig, dass wir gut in der Schule sind."
"Manchmal vermisse ich sie echt. Gerade jetzt, wo ich selber Kinder habe, kann ich sie einfach verstehen. Ich wünschte ich könnte mich irgendwie bei ihr bedanken oder hätte mich damals wenigstens von ihr verabschieden können."
"Sie musste einfach viel zu früh gehen."
"Ja."
"Warst du nochmal da?"
"Ich bin jedes Jahr zu ihrem Geburtstag mit Liam an ihrem Grab und bringe ihr Blumen, aber in dem Haus war ich nicht nochmal. Liam meint immer es wäre besser, wenn ich nochmal da stehe und damit abschließen, aber ich schaff das einfach nicht. Nicht jetzt und ich weiß nicht, ob ich es jemals schaffe."
"Morgen ist es 17 Jahre her."
"Heute. Wir haben schon wieder Morgen."
"Vielleicht sollten wir hin fahren und in das Haus gehen. Einfach um einen Schluss Strich zu ziehen."
"Ich weiß nicht."
"Dir würde es vielleicht gut tun. Du hast sie immerhin gefunden. Liam könnte in der Zeit auf die Drei aufpassen und wir fahren alleine hin."
"Erstmal muss ich gucken, wie es dem geht."
"Und wenn es ihm so weit gut geht, fahren wir."
"Okay."
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Missing you
Teen FictionAchtung! In diesem Buch werden die Themen Krieg, Drogen, selbstverletzendes Verhalten sowie einige psychische Krankheiten behandelt. Diana ist Pferde Fotografin und wohnt mit ihrem Freund Liam in Ocala. An sich hat sie ein wirklich tolles Leben mit...