Schnell fuhr Diana nun wieder nach Hause und warf immer wieder besorgte Blicke zu Liam, um im Notfall sofort eingreifen zu können. Sie war sich zwar ziemlich sicher, dass das ein Kurzschluss Reaktion war und dass er es wohl nicht noch einmal versuchen würde, aber Vorsicht war besser als Nachsicht. Sie wollte ihn lieber erstmal im Auge behalten.
Zuhause angekommen stieg sie nun aus und half Liam, der noch recht wacklig auf den Beinen war. Langsam gingen sie zu der Tür, wo ein Zettel von Jim hing.
Ich geh mit den Kindern und Jana eine lange Runde spazieren. Ich bin in so ein zwei Stunden wieder da.
Na super! Da brauchte man ihn einmal und dann war er unterwegs! Aber dann musste es eben ohne ihn gehen. Irgendwie würden sie das schon schaffen.
Langsam gingen sie nun rein und setzte Liam auf die Couch, um dann die Tür zu schließen und schnell wieder zu ihm zurück zu eilen. Dort angekommen setzte sie sich zu ihm und fragte besorgt: "Was ist los? Warum hast du das gemacht?"
"Ich weiß es nicht. Mir wurde einfach alles irgendwie zu viel.", sagte er mit zittriger Stimme und bestätigte damit ihren Verdacht.
"Du hast aber nicht ernsthaft vor dich um zu bringen, oder?"
"Nein."
"Na dann ist ja gut."
Nun herrschte Stille, bis Liam irgendwann sagte: "Du hast jetzt das Recht mich zu hassen. Ich kann es verstehen."
"Warum sollte ich dich hassen?", fragte sie verwirrt.
"Weil ich mich gerade vor deinen Augen versucht habe um zu bringen."
"Warum sollte ich dich dafür hassen? Du bist mit der Psyche komplett am Ende. Da werde ich dich jetzt garantiert nicht noch mehr fertig machen! Außerdem bin ich die Letzte, die dir deswegen Vorwürfe macht. Als meine Mutter gestorben ist, hab ich vier Mal versucht mich um zu bringen. Ohne Jim würde ich jetzt nicht mehr leben. Da mach ich dir garantiert keine Vorwürfe dafür, dass du aus einer Kurzschluss Reaktion heraus versucht hast dich ein Mal um zu bringen. Es war einfach alles ein bisschen sehr viel auf einmal in der letzten Zeit. Das kann ich vollkommen verstehen. Ich mach dir deshalb keine Vorwürfe. Ich mach mir nur Sorgen um dich. Ich kenn dich so fertig einfach nicht. Sonst bist du immer der Starke von uns beiden."
"Danke!"
"Wofür denn?"
"Dass du für mich da bist und mich verstehst. Dafür, dass du mir einfach so verzeihst. Das würde nicht jeder so einfach."
"Schatz, du bist mein ein und alles. Ohne dich könnte ich nicht leben. Für dich würde ich alles tun. Ich liebe dich!"
"Ich liebe dich auch!"
Schon verfielen sie in einen Kuss und die ganzen Sorgen und Probleme fielen für diesen Momemt von ihnen ab. Alles um sie herum war für einen Moment vergessen und nur sie zählten.
Plötzlich wurden sie allerdings von dem Klingeln ihres Handys zurück in die Realität versetzt. Mit einem Blick auf das Display sagte Diana nun: "Ich komme sofort wieder. Bitte in der Zeit keinen Mist bauen!"
Sie verließ das Haus nun und ging in den Garten, wo sie den Anruf entgegen nahm.
"Hallo! Was gibt's?", fragte sie.
"Bist du allein oder ist Liam bei dir?", fragte ihre Schwiegermutter nun.
"Liam sitzt drinnen. Ich dachte mir, dass wir lieber alleine reden."
"Sehr gut."
"Was ist denn los? Wisst ihr irgendwas Neues?"
"Ja. Und es ist nicht gerade positiv.", sagte die Frau und Diana erkannte aus ihrer Stimme, dass sie weinte.
"Keine Chance?", fragte Diana direkt.
"Nein. Er ist hirntot. Es gibt keine Chance.", schluchzte die Frau.
"Scheiße!"
"Das kann man wohl sagen. Kannst du das Liam irgendwie sanft bei bringen?"
"Ja. Mach ich. Ich kümmer mich schon um den."
"Super! Danke!"
"Kein Problem."
"Was ist mit euch? Wollt ihr kommen? Will Liam ihn nochmal sehen, bevor wir die Maschinen ausschalten?"
"Wir kommen auf jeden Fall und ich denke für Liam ist es besser, wenn er sich verabschieden kann."
"Wann könnt ihr denn kommen?"
"Wir kommen mit dem nächsten Flug, den wir kriegen können. Wenn du noch einen Moment hast, guck ich eben nach und buche."
"Ja. Dann mach das mal."
So ging Diana nun rein und schaltete den Computer an, um den nächsten Flug nach Irland zu buchen.
"Der nächste freie Flug wäre erst am Freitag und wir wären dann um sechs Uhr morgens bei euch am Flughafen. Würde das passen?", fragte sie schließlich.
"Ja. Das passt.", meinte ihre Schwiegermutter. Und so buchte sie den Flug nun fest.
"Super. Ist gebucht."
"Okay. Pass bitte gut auf meinen Kleinen auf! Ich kann nicht einschätzen, wie er reagiert."
"Ja. Mach dir keine Sorgen. Ich hab sowieso erstmal frei. Ich lass ihn nicht aus den Augen."
"Danke!"
"Kein Problem."
"Dann bis Freitag!"
"Ja. Bis dann!"
Sie legte nun wieder auf und ging zu Liam, der noch immer auf der Couch saß. Sie setzte sich nun zu ihm und legte sanft einen Arm um ihn.
"Was ist passiert?", fragte Liam direkt.
"Das war deine Mutter.", begann sie vorsichtig.
"Ist er tot?"
"Hast du schonmal was von Hirntod gehört?"
"Gehört schon, aber ich hab keine Ahnung, was das ist. Es klingt auf jeden Fall nicht gut."
"Das bedeutet, dass das Hirn irreperable Schädigungen hat, die zum Tod führen."
"Also wird er sterben?"
"Ja. Ihn halten nur noch die Machienen am Leben. Ich hab schon einen Flug gebucht. Wir fliegen am Donnerstag um sechs und sind dann in den ihrer Zeit am Freitag um sechs da. Du kannst dich dann in Ruhe von ihm verabschieden und sie schalten die Machienen ab. Wir können dann entscheiden, ob wir noch bis zur Beerdigung bleiben oder ob wir direkt wieder nach Hause fliegen."
"Wir fliegen danach direkt wieder. Das ist besser."
"Okay. Dann buch ich das später direkt."
"Danke!"
"Wie geht's dir denn? Geht das mit deiner Psyche in Ordnung? Brauchst du irgendwie Hilfe? Sollen wir vielleicht doch zu einem Psychologen?"
"Du hilfst mir momentan am besten."
"Okay. Bei dir gelten die gleichen Bedingungen, wie bei Jim. Wenn du nicht ehrlich mit mir redest, sind wir schneller bei einem Psychologen, als du gucken kannst!"
"Ja."
"Gut. Wie geht's dir?"
"Es geht so."
"Das heißt?"
"Nicht gut, aber auch nicht so schlecht, wie heute Morgen."
"Okay. Was war in der Situation heute Morgen so schlimm?"
"Ich weiß es nicht. Es war einfach alles zu viel und irgendwann konnte ich nicht mehr."
"Okay. Wenn es dir das nächste Mal zu viel wird, sagst du bitte Bescheid! Ich helfe dir wirklich gerne, aber wenn du nicht mit mir sprichst, kann ich dir auch nicht helfen. Also sprich mit mir! Du kannst mir vertrauen! Das weißt du!"
"Ja."
"Bitte! Ich hab deiner Mutter versprochen, dass ich aufpasse, dass du keinen Mist baust. Ich hab ihr nichts von dem kleinen Ausrutscher erzählt. Also bitte, belass es dabei! Notfalls muss ich dich Tag und Nacht bewachen und darauf hab ich ehrlich gesagt keine Lust. Ich will deiner Mutter am Freitag nicht erklären müssen, dass du versucht hast dich um zu bringen! Die ist so schon komplett fertig, also erspar uns das bitte!"
"Ich hab nicht vor es nochmal zu versuchen. Wirklich nicht! Es war nur ein Ausrutscher. Mehr nicht."
"Gut. Und wie sieht es mit dem Kreislauf aus? Wird das wenigstens ein bisschen besser?"
"Ja. Langsam kommt der wieder in Schwung."
"Na das ist ja wenigstens etwas. Und was ist mit dem Arm? Tut der weh oder geht's?"
"Es klopft ein wenig, aber sonst ist alles gut."
"Gut. Wenn da irgendwie was ist, sagst du bitte auch Beschied!"
"Ja. Mach ich."
"Also wenn irgendwas sein sollte, dann sprich mit mir! Heul mir ruhig stundenlang die Ohren voll. Das ist gar kein Problem und mir tausend mal lieber, als solche Aktionen."
"Versprochen!"
"Und was machen wir jetzt?"
"Ich hab keine Ahnung."
"Dann erzählst du mir jetzt einfach mal alles, was dich irgendwie belastet oder einfach nur beschäftigt."Stundenlang redeten sie nun und er erzählte ihr von allem, was ihn irgendwie beschäftigte. Geduldig hörte sie ihm zu und war einfach für ihn da. Er brauchte das in diesem Moment einfach. Das wusste sie.
Nach einer langen Zeit endete Liam schließlich mit seiner Erzählung. Die ganze Zeit über hatte Diana sich zurück gehalten und nun schaute er sie erwartungsvoll an. Er wollte und brauchte jetzt irgend eine Reaktion von ihr.
"Schatz, ich will dir ja nichts, aber wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten du hast Depressionen. Da ich es aber besser weiß, würde ich sagen du bist einfach total fertig und mit der Psyche am Ende. Du brauchst auf jeden Fall dringend eine Auszeit.", sagte sie nun.
"Meinst du das wird wieder?"
"Klar. Ich krieg dich schon wieder hin. Und notfalls gehen wir zu Lilly. Die hat schon die schwersten Fälle behandelt."
"Wer ist Lilly?"
"Eine alte Studien Kollegin von mir. Die wohnt ungefähr zwei Stunden entfernt von hier und ist eine wirklich gute Psychologin. Die behandelt die ganz schweren Fälle und wäre so der letzte Ausweg. Aber ich denke das kriegen wir schon hin. Auch die Zeit geht vorbei und wir schaffen das schon."
"Womit hab ich eigentlich so eine tolle Frau verdient? Außer dir gibt es echt niemanden, der mich so sehr versteht, wie du und der bedingungslos alles für mich tun würde. Ich weiß echt nicht mehr, was ich ohne dich machen würde! Dann wäre ich jetzt wahrscheinlich schon tot."
"Da geht es mir mit dir doch genauso. Was wäre ich ohne dich? Dann würde ich ja nur noch heulen. Und die Zeit, als Jim damals gegangen ist, hätte ich ohne dich niemals überstanden. Ohne dich hätte ich jetzt niemals drei so wundervolle Kinder. Ohne dich hätte ich nie auf dem Turnier damals fotografiert und hätte niemals fünf so verrückte und gleichzeitig extrem nette Springreiter kennengelernt. Ohne dich wäre ich nie auf die Idee gekommen einfach mal nach Dubai und Spanien zu fliegen, um da Fotos zu machen. Ohne dich hätte ich so vieles nie gemacht und hätte heute wahrscheinlich ein völlig anderes Leben."
"Abby hatte damals schon Recht. Das Schicksal wollte einfach, dass wir Beide uns treffen. Wir brauchen uns gegenseitig."
"Ja. Das stimmt."
DU LIEST GERADE
Missing you
Teen FictionAchtung! In diesem Buch werden die Themen Krieg, Drogen, selbstverletzendes Verhalten sowie einige psychische Krankheiten behandelt. Diana ist Pferde Fotografin und wohnt mit ihrem Freund Liam in Ocala. An sich hat sie ein wirklich tolles Leben mit...