Kapitel 12

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Die ganze Nacht über hing sie traurig ihren Gedanken nach, während sie sich um ihre Kinder kümmerte. Zwischendurch fand sie nur wenige Stunden Schlaf und so sahen auch die nächsten Wochen aus. Liam musste mittlerweile wieder arbeiten und sie war fast den ganzen Tag alleine mit den Kindern und mit Jim. Dieser half ihr tatkräftig und so überstanden sie auch diese Zeit. Dann kam allerdings der Zeitpunkt an dem auch Diana wieder zu arbeiten begann und sie erwarteten, dass es total stressig wurde. Zu ihrer Überraschung klappte das allerdings sehr gut. Die Kinder wurden immer pflegeleichter und Jim half ihr so gut er konnte. So klappte auch das immer besser. Sie war allerdings auch weiterhin nicht selten bis tief in die Nacht auf den Beinen, denn irgendwann mussten ja schließlich auch die ganzen Bilder bearbeitet werden und so hatte sie am Wochenende so gut wie frei.
Eines Abends saß sie mal wieder mit ihrem Laptop auf dem Schoß im Wohnzimmer und bearbeitete in Ruhe ihre Bilder, als Jim zu ihr kam.
"Darf ich mich zu dir setzen?", fragte er.
"Ja klar.", sagte sie und kurz darauf saß Jim neben ihr und schaute ihr interessiert zu, wie sie die letzten Bilder bearbeitete.
"Warum schläfst du nicht? Wir haben ein Uhr nachts. Normale Menschen schlafen um die Zeit, wenn sie nichts zu tun haben.", fragte Diana, als sie ihr letztes Bild fertig hatte.
"Ich kann momentan nicht so gut schlafen.", erklärte er ehrlich.
"Hast du wieder Panik Attacken?"
"Ich würde es eher als Alpträume bezeichnen."
"Also ja?"
"Ja."
"Warum sagst du nichts? Ich hab doch gesagt, dass ich dir helfen will und für dich da bin."
"Ich weiß, dass du mich dafür jetzt erwürgen wirst, aber ich wollte dich nicht belasten."
"Jim, das tust du nicht! Versteh das doch endlich! Belasten tust du mich, wenn du nichts sagst und vor dich hin leidest. Da mach ich mir mehr Sorgen um dich, als wenn du einfach mit mir sprichst. Ich bin doch nicht blöd. Ich merke doch, wenn es dir nicht gut geht. Ich hab nur drauf gewartet, dass du was sagst."
"Du kennst mich einfach zu gut."
"Ja. Lässt du dir jetzt von mir helfen oder soll ich dich zum Psychologen schicken?"
"Ich lass mir von dir helfen."
"Okay. Dann bist du ab jetzt sofort ehrlich zu mir und sagst sofort, wenn was ist! Wenn nicht lass ich dich einweisen!"
"Versprochen."
"Gut. Wie geht's dir denn?"
"Jetzt körperlich oder psychisch?"
"Erstmal körperlich."
"Gut. Der Gips nervt langsam, aber sonst wirklich gut."
"Okay. Das ist doch schon mal was. Und psychisch?"
"Nicht wirklich gut."
"Und das heißt? Gedanken lesen kann ich leider noch nicht. Du musst schon mit mir reden."
"Seit wir da waren, kommt alles irgendwie nochmal hoch. Das ist nicht so einfach."
"Ich weiß. Das Problem hatte ich auch. Du musst reden. Das hilft. Ich schreibe immer alles auf, aber ich kenn dich ja. Schreiben ist nicht so dein Ding."
"So könnte man es ausdrücken."
"Wenn du nicht schreiben willst, musst du also reden. Sprich mit mir, Liam oder sonst wem. Von mir aus auch mit den Fischen im Teich. Das ist völlig egal, aber sprich. Das ist wichtig."
"Also Fische sind jetzt nicht so mein Ding. Ich glaube ich bleibe doch dabei mit dir zu sprechen."
"Okay. Dann leg los."
"Worüber soll ich denn reden?"
"Über alles, was dich beschäftigt. Quatsch mich einfach voll. Ich höre dir zu und geb mein Bestes dir zu helfen."
Jim schwieg allerdings. Diana wusste wie schwer es ihm fiel einfach offen über seine Gefühle zu reden. Das war schon immer ein Problem von ihm.
"In wie weit beschäftigt dich das mit Mum denn? Vermisst du sie einfach oder wie ist das für dich?", half sie ihm nun auf sie Sprünge.
"Mir fehlt einfach irgendwie der Abschied. Das kam alles so plötzlich und ich kann für mich da irgendwie einfach nicht mit abschließen.", erklärte er nun.
"Okay. Dann fahren wir morgen nochmal hin und versuchen mal etwas."
"Nein. Das kann ich dir nicht an tun. Das geht nicht."
"Doch. Ich habe damit jetzt abgeschlossen. Dieses letzte Mal in der Wohnung und der Brief, waren für mich jetzt der Abschluss. Das ist das, was du noch nicht geschafft hast und was wir morgen hoffentlich erreichen."
"Kommst du da wirklich mit klar?"
"Ja. Und notfalls heulen wir halt beide eine Runde rum. Da ist doch nichts dabei."
"Okay. Dann machen wir das."
"Gut. Und was beschäftigt dich noch so?"
"Halt diese Panik Attacken. Das ist doof."
"In wie weit hast du die? Nur nachts in den Träumen oder hast du das auch tagsüber."
"Überwiegend nachts, weil ich da viel Zeit zum Nachdenken hab. Ab und zu aber auch tagsüber, in so bestimmten Situationen."
"Was für Situationen sind das so?"
"Sehr oft, wenn ich allein bin oder zu viel Zeit zum Nachdenken hab. Manchmal auch einfach, wenn mir ein Fremder gegenüber steht und mir in die Augen guckt."
"Okay. Das mit dem allein sein verstehe ich, aber warum kriegst du Angst, wenn dir jemand gegenüber steht und dir in die Augen guckt?"
"Wenn jemand auf dich schießt, schaut er dir oft in die Augen."
"Achso. Und das erinnert dich dann an die Situationen. Okay. Und was genau hat dir in diesen Situationen am meisten Angst gemacht?"
"Das Meiste ist einfach die Angst zu sterben und dich im Stich zu lassen. Du könntest ohne mich nicht leben. Das weiß ich. Meine größte Angst ist dich alleine lassen zu müssen."
Nun war sie sprachlos. Sie hatte mit allem gerechnet, aber damit nicht. Vor allen Dingen hatte er Recht. Ihre größte Angst war, dass er stirbt. Sie konnte ohne ihn nicht leben. Das war so. Trotzdem fühlte sie sich in diesem Moment schuldig. Das hieß gleichzeitig auch, dass er diese Ängste und diese Panik Attacken nur wegen ihr hatte. Das realisierte sie erst in diesem Moment so richtig.
"Du bist nicht schuld, falls du das jetzt denkst. Wirklich nicht. Ich hätte diese Probleme auch, wenn du nicht da wärst. Man verkraftet es halt nicht so einfach fast erschossen zu werden.", sagte Jim nun allerdings und sie wusste wieder, dass er Recht hatte. Es war völlig normal, dass man Angst hatte zu sterben. Sie verstärkte das bei ihm nur etwas.
"Okay. Und du hast dann nur Angst zu sterben?", fragte sie nun.
"Viel auch vor den Schmerzen. So eine Kugel im Körper ist ziemlich schmerzhaft."
"Das kann ich mir schon vorstellen. Ich würde das nicht unbedingt wollen."
"Ja. Das ist nicht so einfach."
"Okay. Hast du sonst noch etwas, was dich beschäftigt?"
"Wenn ich dir das jetzt alles auf zähle, bin ich morgen noch dran."
"So schlimm?"
"Als Soldat siehst du einfach verdammt viel Mist, den du nicht so einfach vergessen kannst. Jeden Tag siehst du haufenweise Menschen, teilweise qualvoll, sterben. Davon kennst du einen Teil persönlich und knallst einen Teil selber ab. Und dazu siehst du dann noch Umstände, die niemand sehen will. Das ist nicht so einfach zu verkraften."
"Jim, du machst mir gerade echt Sorgen. Deine Psyche ist wirklich vollkommen im Arsch. Vielleicht sollten wir doch lieber zu einem professionellen Psychologen gehen."
"Ich hab doch meine Psychologin hier."
"Ich bin keine Psychologin! Ich habe lediglich Psychologie studiert. Ich kann nur die Theorie. Von der Praxis habe ich keine Ahnung."
"Aber ich vertraue dir. Du bist die Einzige, die mir helfen kann. Wenn du es nicht schaffst, schafft das niemand."
"Okay. Ich geb mein Bestes, aber ich kann dir nicht versprechen, dass ich das alles wieder hin kriege. Das ist verdammt heftig und ich habe keine Erfahrungen damit. Ich kenne nur die Theorie."
"Du machst das schon. Ich vertraue dir."
"Ich versuche alles, um dir irgendwie zu helfen. Das verspreche ich dir!"
"Danke!"
"Damit ich dir helfen kann, musst du aber mit mir reden und du musst ehrlich sein! Du darfst mir gegenüber Schwäche zeigen. Das ist vollkommen in Ordnung. Ich hab dir schon so oft die Ohren voll geheult. Du darfst das auch. Ich bin für dich da und ich versuche dir zu helfen. Dazu ist es wichtig, dass du ehrlich Gefühle zeigst. Nur so kann ich dir auch wirklich helfen."
"Ich geb mein Bestes."
Nun herrschte Schweigen.
"So. Was machen wir jetzt? Alleine lassen will ich dich jetzt nicht unbedingt.", fragte sich nach einer Weile gähnend.
"Geh du schlafen. Ich komme schon klar.", meinte er.
"Nein. Das tust du nicht. Du bist psychisch gerade komplett am Ende. In dieser Verfassung kommst du nicht alleine klar und ich lass dich jetzt garantiert nicht alleine!"
"Ach Kleine. Warum kennst du mich nur so verdammt gut? Das hat nur Nachteile!"
"Weil ich deine kleine Schwester bin und schon verdammt viel mit dir durch gemacht habe. Ich weiß schon, wann alles gut ist und wann es dir total beschissen geht. Momentan geht es dir total beschissen. Das seh ich schon. Mir kannst du nichts vor machen."
"Ich merks."
"Was hast du denn so in den letzten Jahren gemacht? Aus deinen Briefen ist das jetzt nicht wirklich ersichtlich."

Missing youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt