Liam parierte die Stute nun vor ihnen durch.
"Ist sie warm?" fragte Allison.
"Ja.", antwortete Liam.
"Gut. Dann fang mal ein bisschen mit Seitengängen an. Einfach locker in allen Gangarten mit ein bauen.", wies sie ihn an. Liam nickte nur und folgte ihren Anweisungen, während Allison nun das Viereck betrat uns sich in die Mitte stellte. Diana folgte ihr und schaute sich das Ganze an. Liam machte seine Sache perfekt. Das musste man einfach sagen.
"Er ist echt gut!", sagte auch Allison.
"Ja. Man merkt so gar nicht, dass er so lange nicht geritten ist.", stimmte Diana ihr zu.
"Überhaupt nicht."
"Gut. Dann nimm ruhig mal so ein paar Serienwechsel mit rein. Ich weiß nicht in wie weit du das schon kannst.", rief Allison nach einer Weile und auch diese Lektion ritt er perfekt.
"Hat der eigentlich auch Schwachstellen?", fragte sie begeistert.
"Keine Ahnung. Ich hab ihn erst zwei Mal reiten sehen. Ich weiß nur, dass er Einerwechsel, Piaffe und Passage nicht kann."
"Ja. Das kommt da noch nicht vor. Das üben wir dann, weil sonst kann ich beim besten Willen keine Schwachstellen entdecken. Zwischendrin immer mal so ein paar Unsauberheiten, aber alles in allem ist das perfekt! Damit könnte er jetzt direkt in die nächste S Dressur rein reiten."
"Das ist erstmal keine gute Idee. Zuerst müssen wir seine Psyche wieder hin kriegen. Dann können wir über Turniere reden."
"Ja. Ganz in Ruhe."Eine Lektion nach der anderen lies Allison ihn nun reiten und jede von ihnen führte er nehazu perfekt aus. Jede Bewegung saß und es war einfach der absolute Hammer. Davon war auch Allison total begeistert.
So ging es etwa eine halbe Stunde, bis Diana erkannte, wie Liam mit jeder Runde blasser wurde und sie Hilfe suchend an schaute.
"Es reicht für heute. Es wird ihm langsam zu viel.", sagte Diana und von Allison kam ein Nicken, bevor sie rief: "Das reicht erstmal! Reit sie noch trocken und dann ist gut."
"Danke!" sagte Diana.
"Kein Problem. Jetzt muss ich aber weiter machen. Ich hab noch ein paar Pferde auf dem Programm.", meinte Allison und verschwand wieder. Diana ging nun zu Liam, der mittlerweile wieder abgestiegen war und seine Stute trocken führte.
"Alles okay?", fragte sie.
"Es geht so.", meinte Liam.
"Das heißt soviel wie, dass es dir komplett beschissen geht und du das nur nicht so sagst, weil du nicht willst, dass ich mir Sorgen mache, oder?"
"Ja."
"Warum sagst du nichts? Dann hätten wir schon viel eher aufgehört oder einfach eine Pause gemacht. Das wäre kein Problem gewesen."
"Ich dachte es würde noch gehen. "
"Du sollst dich nicht quälen, bis es gar nicht mehr geht. Das macht mehr kaputt als dass es hilft."
"Ja. Das ist nur alles nicht so einfach."
"Ach Schatz. Du tust mir so leid!", sagte sie und legte sanft einen Arm um ihn. So gingen sie nun eine Runde nach der anderen um das Viereck, bevor sie die Stute dann versorgten. Liam longierte Moonlight nun noch ein wenig, bevor Kent sie dann nach Hause fuhr. Eigentlich hätten sie auch laufen können, denn der Stall war nicht so weit von ihrem Haus entfernt, aber durch die ganzen Koffer fuhr Kent sie dann doch noch. Zuhause angekommen, betraten sie nun das Haus und wurden direkt von den Kindern und von Jana glücklich begrüßt. Auch Jim kam nun zu ihnen und nahm ihnen die Koffer ab, um sie in die Zimmer zu bringen.
Den gesamten Tag verbrachten sie gemeinsam, bis dann am Abend alle zu Bett gingen. Zurück blieben nur Diana und Jim.
"Und? Wie war es?", fragte er nun.
"Sehr schwierig. Aber ich weiß jetzt alles, über Liams Vergangenheit."
"Wusstest du das vorher nicht?"
"Nein. Wenn ich jetzt so drüber nach denke, wusste ich so gut wie gar nichts über seine Vergangenheit."
"Aha."
"Wusstest du, dass er früher total depressiv war und schon haufenweise Selbstmordversuche hinter sich hat."
"Nein. Jetzt ernsthaft?"
"Ja. Und wusstest du, dass er einfach mal perfekt Dressur reiten kann und früher extrem erfolgreich war?"
"Willst du mich jetzt verarschen?"
"Nein. Ich konnte es auch nicht glauben, aber es ist so. Moonlight und Nightsea gehören ihm und die stehen jetzt hier bei Allison."
"Wer war Allison nochmal? Ich komm mit den ganzen Namen nicht mehr hinterher."
"Die Dressurreiterin mit dem PRE Hengst, den du so toll findest."
"Achso. Und wie hast du es geschafft das alles aus ihm raus zu kitzeln?"
Daraufhin erzählte Diana ihm nun die gesamte Geschichte und Jim war erstmal genauso geschockt, wie sie es auch gewesen war.
"Okay. Und jetzt?", fragte er schließlich.
"Jetzt versuche ich ihm irgendwie zu helfen.", meinte sie.
"Okay. Und was ist mit Sean?"
"Kennst du Lilly noch?"
"Ja. Das war doch diese vollkommen Verrückte, die mit dir Abschluss gemacht hat. Die kann man nicht vergessen."
"Die hat danach mit mir zusammen studiert und ist jetzt Psychologin."
"Jetzt echt?"
"Ja."
"Oh man. Und das geht gut?"
"Ja. Sie ist die beste Psychologin hier im Umkreis."
"Okay..."
"Jedenfalls hatte ich vor mit Sean mal zu ihr zu fahren."
"Und du bist sicher, dass er danach nicht noch verstörter ist, als vorher?"
"Ja. Ich denke sie könnte ihm vielleicht helfen."
"Wenn du meinst. Du kennst meine Meinung zu ihr. Die ist völlig durchgeknallt!"
"Du hast sie vor 17 Jahren das letzte Mal gesehen. Auch sie hat sich verändert und ist erwachsen geworden."
"Und du meinst sie ist jetzt weniger verrückt?"
"Ich weiß es nicht. Ich hab sie auch seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Ich telefoniere und schreibe nur immer mal mit ihr. Jetzt wegen Liam hab ich auch schon mit ihr telefoniert und da klang sie echt vernünftig und als würde sie wissen, was sie da tut."
"Okay. Als Vorschlag würde ich jetzt so sagen, dass ich mit ihm da morgen mal hin fahre. Du bleibst momentan glaube ich lieber bei Liam und kümmerst dich um den."
"Ja. So wäre das eigentlich perfekt. Dann würde ich Lilly morgen anrufen, dass die bescheid weiß und du fährst dann mit ihm dahin."
"Gut. Dann machen wir das so."
"Super!"
"Was hast du eigentlich mit dem Chef von Liam gemacht?"
"Nichts. Wieso?"
"Der hat jetzt letztens angerufen und war mega eingeschüchtert. Hast du den irgendwie komplett fertig gemacht oder so?"
"Es könnte sein, dass ich vielleicht ein bisschen wütend war."
"Also ja."
"Ja."
"Der hat jetzt auf jeden Fall viel Respekt vor dir! Er meinte Liam kann ruhig so lange frei machen, wie er braucht und dass das kein Problem wäre."
"Na dann hab ich mein Ziel doch erreicht."
"Was hast du mit ihm gemacht?"
"Ich hab ihm vielleicht etwas zu deutlich meine Meinung gesagt."
"Ungefähr so, wie die Reiterin damals, die du komplett fertig gemacht hast?"
"Die hat ihr Pferd total gequält! Da musste ich doch was sagen!"
"Ja, aber du hast nicht nur was gesagt, sondern sie ganze 20 Minuten lang runter gemacht."
"Die hatte es verdient!"
"Und Liams Chef jetzt auch oder wie? Am Telefon klang der eigentlich ganz nett und verständnisvoll."
"Verständnisvoll wäre er gewesen, wenn er Liam direkt wieder nach Hause geschickt hätte! Man hat ihm ja wohl mehr als deutlich angesehen, wie beschissen es ihm ging! Das hätte ein Blinder mit dem Krückstock gemerkt!"
"Meinst du nicht, dass du ein bisschen übertreibst?"
"Nein?"
"Okay. Dann mach weiter so. Ich hab nichts gesagt."
"Dann sag auch nichts!"
"Ich bin schon ruhig."
Nun herrschte erst einmal Schweigen, bis Jim schließlich sagte: "Du bist total fertig. Geh ins Bett."
"Ich muss erst noch...", begann sie, doch Jim unterbrach sie direkt und sagte: "Du musst gar nichts! Du gehst jetzt ganz schnell ins Bett!"
"Du bist nicht meine Mutter!"
"Aber dein großer Bruder und genau genommen dein Erziehungsberechtigter."
"Ich bin ja wohl alt genug, um selber auf mich auf zu passen!"
"Manchmal nicht. Du neigst dazu dich vollkommen zu überarbeiten und dann muss man dich stoppen."
"Ach man. Du hast ja Recht. Ist alles ein bisschen viel momentan."
"Mach langsam! Sonst können wir für dich bald auch noch einen Psychologen suchen und da hab ich ehrlich gesagt keine Lust drauf!"
"Ja. Das ist nur nicht so einfach..."
Wieder herrschte Schweigen und wieder war es Jim, der das Wort ergriff.
"Ach komm her.", sagte er und zog sie sanft zu sich. Kurz darauf saß sie auch schon auf seinem Schoß und kuschelte sich an ihn. In so Momentan brauchte sie ihn einfach. Das würde sich nie ändern. Egal, wie alt sie war. Sie würde immer sein kleines Mädchen bleiben, das ihn brauchte.Lange saßen sie so, bis Diana schließlich ein schlief. Vorsichtig hob Jim sie hoch und trug sie in ihr Zimmer, wo Liam verwundert die Augen auf schloss.
"Stimmt irgendwas nicht? Geht's ihr nicht gut?", fragte er direkt besorgt.
"Alles gut. Sie war nur total fertig und ist eingeschlafen.", meinte Jim allerdings und legte sie vorsichtig zu ihm ins Bett.
"Okay. Danke!"
"Kein Problem. Sie ist immer noch meine kleine Schwester."
"Ja. Das wird sie auch immer bleiben."
"Bis morgen!"
"Ja!"
Jim verließ das Zimmer nun, um sich selbst schlafen zu legen. Liam blieb noch lange wach und dachte über das, was in den letzten Tagen passiert war, nach. Er hätte ihr schon lange die Wahrheit sagen sollen. Das wusste er nun. Spätestens nach dem, was am letzten Dienstag passiert war, hätte er es ihr erklären müssen. Dann hätte sie ihm schon viel eher helfen können. Und vor allen Dingen hätte er nie aufhören sollen zu reiten. Pferde waren einfach sein ein und alles. Da würde sich nie etwas dran ändern. Er hatte schon immer für die Dressur und für die Pferde gelebt. Das konnte er nicht einfach so aus seinem Gedächtnis löschen. Das hatten ihm die letzten Tage mehr als deutlich gezeigt und er war einfach nur glücklich nun offen mit Diana reden zu können und endlich wieder im Sattel zu sitzen. Er konnte sein altes Leben nicht wieder bekommen. Das wusste er. Sein Opa würde nie wieder kommen, aber stattdessen konnte er nun ein neues Leben beginnen, das vielleicht sogar noch besser war. Nun hatte er Diana, die alles für ihn tat und drei kleine Kinder denen er ein guter Vater sein musste. Er konnte nicht einfach wieder in sein Loch fallen und dauerhaft versuchen sich um zu bringen. Das ging nicht mehr. Das hatte Diana ihm nun klar gemacht und er wusste, dass sie ihm helfen würde nicht wieder in dieses Loch zu kommen. Sie war für ihn da und das tat unglaublich gut.
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Missing you
Teen FictionAchtung! In diesem Buch werden die Themen Krieg, Drogen, selbstverletzendes Verhalten sowie einige psychische Krankheiten behandelt. Diana ist Pferde Fotografin und wohnt mit ihrem Freund Liam in Ocala. An sich hat sie ein wirklich tolles Leben mit...