Kapitel 11

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Als sie gerade wieder gehen wollten, stand plötzlich eine alte Bekannte vor ihnen.
"Mrs. Havering!", erkannten sie gleichzeitig.
"Diana? Jim? Seid ihr es wirklich?", fragte die alte Frau. Sie wohnte neben dem Haus ihrer Mutter und sie hatten sich immer gerne mit der Frau unterhalten.
"Ja. Wir sind es.", sagte Jim nun mit einem Lächeln auf den Lippen.
"Das ist ja eine Ewigkeit her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben!", bemerkte die Frau.
"Genau 17 Jahre. Vor 17 Jahren ist es passiert."
"Dann wart ihr eben in dem Haus? Ich hab nur gesehen, dass jemand die Tür auf geschlossen hat."
"Ja. Wir waren noch ein mal da."
"Wie geht's euch denn? Was macht ihr so? Ihr habt doch bestimmt schon Beruf und Familie. Wohnt ihr überhaupt noch hier?"
"Ja. Ich hatte doch mit einem Kumpel das Haus in Ocala. Da ist Diana doch dann mit eingezogen. Da wohnen wir immer noch."
"Toll! Und was arbeitet ihr so? Bist du wirklich zum Militär gegangen oder haben wir es doch geschafft dich um zu stimmen?"
"Nein. Ich bin Soldat. Deswegen bin ich die meiste Zeit auch nicht hier. Ich bin nur momentan frei gestellt."
"Schade. Ich hatte wirklich gehofft, dass du einen besseren Job findest, der nicht so gefährlich ist. Und was ist mir dir, Diana? Was machst du so?"
"Sie ist Pferde Fotografin und macht unglaublich tolle Fotos!"
"Na das ist doch etwas, was du schon immer super konntest. Fotografieren war doch immer deine Welt."
"Ja."
"Was ist denn mit dem Psychologie Studium? Hast du das deiner Mutter zu Liebe noch gemacht?"
"Ja. Das hat sie nebenbei noch gemacht."
"Super! Da wäre sie bestimmt verdammt stolz gewesen!"
"Garantiert."
"Und wie sieht es mit Familie aus? Ihr seid doch bestimmt schon verheiratet."
"Ich nicht, aber Diana hat vor ein paar Jahren meinen Kumpel Liam geheiratet und hat von ihm jetzt am Montag Drillinge bekommen."
"Wow! Herzlichen Glückwunsch! Da wünsche ich dir alles, alles Gute!"
"Danke!", sagte Diana nun
"Wie alt bist du denn jetzt, wenn ich fragen darf?"
"Ich bin jetzt 30."
"Wie die Zeit doch vergeht! Als ich dich das letzte Mal gesehen hab warst du noch ein kleines 13 jähriges Mädchen. Und jetzt? Jetzt bist du 30, verheiratet und hast Kinder."
"Wie geht's Ihnen denn?", übernahm Jim nun wieder das Wort. Er wusste, dass es Diana schwer fiel sich jetzt fröhlich zu unterhalten.
"Ja. So ein paar gesundheitliche Problemchen, aber das geht alles noch. Ich werd ja auch nicht jünger."
"Ach Sie sehen doch noch aus wie höchstens 60."
"Immer noch der gleiche Schleimer, wie damals! Das wird sich wohl niemals ändern."
"Nein. Wird's auch nicht."
"Ne du. Da hast du weit gefehlt. Ich bin schon 90."
"Das sieht man Ihnen aber gar nicht an!"
"Schleimer!"
In dem Moment ertönte das Klingeln eines Handys.
"Entschuldigung. Ich muss mal eben.", sagte Diana und entfernte ein wenig von ihnen, um an ihr Handy zu gehen.
"Ja?", meldete sie sich.
"Hey, Süße! Ist alles gut bei dir?", hörte sie Liam sagen und nahm das Geschrei von Babys im Hintergrund war.
"Bei dir nicht, wie es klingt.", meinte sie.
"Nicht wirklich. Wie lange hattet ihr vor noch zu bleiben?"
"Wir kommen sofort."
"Ihr müsst nicht sofort los fahren. Lasst euch ruhig Zeit. Ich komme auch noch eine Weile alleine klar."
"Ne. Wir wollten sowieso jetzt los."
"Okay. Wie geht's dir?"
"Können wir da vielleicht gleich drüber sprechen?"
"Also nicht gut?"
"Nicht wirklich."
"Okay. Dann komm in Ruhe nach Hause."
"Ja. Bis gleich."
Sie legte nun wieder auf und packte ihr Handy weg, um zurück zu den anderen Beiden zu gehen.
"Liam?", fragte Jim.
"Ja.", antwortete sie.
"Na dann will ich euch gar nicht länger aufhalten. Es war schön euch mal wieder zu sehen!", sagte die alte Frau nun.
"Ja. Vielleicht sehen wir uns ja nochmal wieder.", meinte Jim.
"Ich würde mich freuen!"
"Tschüss!"
"Auf Wiedersehen!"
Die Frau ging nun weiter und auch Jim und Diana setzten ihren Weg zu dem Auto fort.
"Wenigstens etwas Positives.", meinte Diana nun.
"Ja. Ich hab sie schon immer gemocht.", stimmte Jim ihr zu.
"Ich auch. Ich hab immer viel Zeit bei ihr verbracht."
"Wir sollten sie viel öfter mal besuchen. Es ist wirklich toll sich ab und zu mal mit ihr zu unterhalten."
"Ja. Und sie hat ja sonst niemanden."
"Ob ihr Hund wohl noch lebt?"
"Glaub ich nicht."
"Wenn dann ist er verdammt alt."
"Ja. Für einen Hund zumindest."
Schweigend fuhren sie nun nach Hause, wo das komplette Chaos herrschte. Liam saß dort in Mitten von drei schreienden Kindern und war minimal überfordert. Diana kümmerte sich nun in Ruhe um die Drei, während Jim und Liam daneben standen.
"Sollen wir vielleicht mal was zu Essen organisieren?", fragte Jim nun.
"Wenn ihr kochen wollt nicht.", sagte Diana direkt. Sie wusste, dass es nicht gut gehen würde, wenn die beiden Männer etwas kochten. Sie konnten das beide nicht.
"Ne. Wenn dann würden wir irgendwas holen.", meinte Jim.
"Das könnt ihr gerne machen.", sagte Diana und so gingen die beiden Männer nun raus.
"Was wollen wir eigentlich holen?", fragte Jim nun.
"Keine Ahnung. Was zu essen.", meinte Liam.
"Ja. So weit war ich auch schon."
"Lass uns einfach Pizza holen. Das ist nicht so weit weg. Da können wir dann zu Fuß hin."
"Okay. Dann los."
Schweigend gingen sie nun in Richtung Innenstadt, um dort das Essen zu holen und dann wieder zurück zu gehen.
"Wie war's eigentlich? Hat sie sehr geweint?", fragte Liam nach einer Weile.
"Ja. Schon ziemlich."
"Wart ihr wirklich in der Wohnung?"
"Ja. Und du glaubst nicht, was wir gefunden haben."
"Was denn?"
"Sie hat doch einen Brief geschrieben. Sie hat ihn nur zu gut versteckt."
"Jetzt echt?"
"Ja."
"Habt ihr ihn gelesen?"
"Ja."
"Und? Neue Erkenntnisse?"
"Ja. So langsam kann ich sie glaube ich verstehen."
"Wirklich?"
"Ja. Sie hatte Krebs. Sie hätte sowieso nur noch wenige Jahre zum Leben gehabt. Sie hat dem Ganzen nur ein früheres Ende gesetzt."
"Was ist mit Diana? Kommt die damit klar?"
"Ich weiß es nicht. Sie hat fast die ganze Zeit geweint, aber der Brief war auch wirklich heftig. Das war einfach als wäre sie nochmal bei uns."
"Und was ist mit dir? Kommst du damit klar?"
"Ja. Es ist schwer, aber ich komme klar. Ich mach mir eher Sorgen um sie."
"Da sind wir schon zu zweit."
"Wie habt ihr das in den letzten Jahren gemacht?"
"Da sind wir immer nur zum Friedhof gefahren, haben da ein paar Blumen hin gelegt und waren immer so eine Stunde da, bevor wir wieder nach Hause sind. Anfangs hat sie immer die ganze Stunde durch geweint und war total fertig. In den letzten Jahren ging es eigentlich immer. Ich weiß nicht, warum sie dieses Jahr solche Probleme damit hat."
"Ich denke mal wegen den Kindern. Für sie fängt jetzt ein neuer Lebensabschnitt an und sie wünscht sich, dass sie einfach da ist und dass sie ihr alles zeigen kann. Das ist schwer für sie."
"Ich kann sie da leider nicht verstehen. Ich war noch nie in ihrer Situation. Ich hab noch niemanden verloren, der mir so wichtig war."
"Sei froh. Das wünscht man echt niemanden."
"Ja. Ich wünschte nur ich könnte sie irgendwie besser verstehen."
"Dafür bin ich ja da."
"Ja, aber du bist die meiste Zeit eben nicht da und in dieser Zeit hat sie niemanden, der sie versteht."
"Liam, du machst alles richtig. Du passt schon richtig auf sie auf. Wenn du das nicht tun würdest, würde ich sie nie im Leben mit dir alleine lassen. Sie liebt dich und sie vertraut dir. Das würde sie nicht tun, wenn du nicht gut auf sie aufpassen würdest oder dich nicht um sie kümmern würdest. Du machst schon alles richtig."
"Es ist nur nicht so einfach, weil ich sie manchmal einfach nicht verstehen kann. Gerade an solchen Tagen, wie heute, kann einfach jedes Wort falsch sein und ich verletze sie ohne, dass ich es wirklich weiß und merke."
"Liam! Mach dich nicht verrückt! Du machst alles richtig. Keine Sorge. Sie sagt dir schon, wenn ihr etwas nicht passt. Was so etwas angeht ist Diana immer sehr ehrlich. Das solltest du doch am Besten wissen."
"Ja, aber..."
"Nichts aber! Du bist der beste Mann, den ich mir für meine Schwester wünschen kann und du tust alles, was du für sie tun kannst! Du machst alles richtig. Keine Sorge."

Schweigend liefen sie nun die letzten Meter nach Hause, wo mittlerweile wieder Ruhe eingekehrt war und Diana liebevoll mit ihrer kleinen Tochter spielte. Glücklich ging Liam zu ihr. Es tat ihm einfach gut seine Frau zusammen mit ihrer gemeinsamen Tochter so glücklich zu sehen. Es machte ihn einfach direkt mit glücklich. Sanft legte er einen Arm um sie und flüsterte: "Es ist schön dich so glücklich zu sehen."
Wortlos legte sie ihren Kopf auf seine Schulter und schloss ihre Augen. Sie beide genossen diesen glücklichen Moment, denn so etwas war an solchen Tagen selten. Dieser Augenblick gehörte nur ihnen und ihrer kleinen Tochter.
So standen sie eine lange Zeit, bis sie schließlich etwas aßen.
Der Rest des Tages war voll und ganz mit den Kindern gefüllt. Die brauchten an diesem Tag besonders viel Aufmerksamkeit und das bedeutete mal wieder eine Nachtschicht für Diana. Liam wollte erst bei ihr bleiben und sie unterstützen, aber nachdem ihm immer wieder die Augen zu fielen, schickte Diana ihn schließlich ins Bett. So war sie nun allein mit den Kindern, was ihr relativ schwer fiel. Sie hasste es an solchen Tagen allein zu sein und nichts zu tun zu haben. Manchmal konnte man das allerdings nicht ändern. Auch, wenn es schwer war, musste sie auch an solchen Tagen allein klar kommen. Es machte sie allerdings, gerade an diesen Tagen, traurig. So gerne hätte sie nun ihre Mutter bei sich und würde ihr ihre Kinder zeigen und sich einfach mit ihr unterhalten. Ihr sagen, dass sie es nach 17 Jahren endlich geschafft hatte ihren Brief zu finden. Das sie sie so unglaublich vermisste. Sie wünschte es sich einfach noch einmal ihre Stimme zu hören und sich von ihr verabschieden zu können, aber das ging nicht. Sie würde ihre Mutter nie wieder sehen.

Missing youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt