Langsam gingen sie nun raus, wo sie dann kurz darauf mit einem Taxi zu dem weißen Haus fuhren. Anna krallte sich noch immer an ihrem Onkel fest, doch an ihrem Ziel angekommen, sagte Jim: "Jetzt müsstest du mich mal los lassen."
Anna machte allerdings keine Anstalten ihn los zu lassen. So schnell würde sie ihn nicht mehr los lassen. Wer weiß, was er dann wieder tun würde.
"Komm her Schatz. Onkel Jim geht nicht weit weg und diesmal kann ich dir garantieren, dass er wieder kommt.", sagte Liam und zog sie sanft zu sich. Schon hatte sie einen Neuen gefunden an dem sie sich festkrallen konnte und so betraten sie nun das riesige Haus und setzten sich auf die Stühle. Viele andere Soldaten warteten bereits dort. Sie alle waren in kompletter Ausgehuniform und die Kinder schauten sich mit großen Augen um. Ängstlich klammerte Anna sich an ihren Vater und rückte noch ein Stück näher an ihn. So viele fremde Menschen auf einmal und dann waren auch noch alle bewaffnet. Das war ihr einfach suspekt.
"Alles gut. Du musst keine Angst haben.", sagte Liam und legte sanft einen Arm um sie.
"Wir sind alle ganz lieb. Wir sehen zwar nicht so aus, aber wir tun euch nichts.", sagte nun auch ein Mann hinter ihnen, aber so wirklich traute Anna dem ganzen nicht und verkroch sich noch ein bisschen mehr bei ihrem Vater.
"Sie ist ein bisschen schüchtern.", erklärte Diana dem Mann nun entschuldigend.
"Ich kanns verstehen. Bei so vielen bewaffneten Männern, die ich nicht kenne, wäre ich auch eingeschüchtert.", sagte der Mann verständnisvoll.
"Wer sind Sie denn, wenn ich fragen darf?"
"Ich bin Logan. Ein Kollege und guter Freund von Jim, aber sag doch bitte du."
"Okay."
"Und du musst Diana sein, stimmts?"
"Genau. Und das ist mein Mann Liam, unsere Kinder Anna, Justus und Felix, meine Schwiegermutter Grace und mein Schwager Sean."
"Jim erzählt viel von euch. Schön euch mal kennen zu lernen."
"Aha."
"Und du springst?", fragte der Mann nun an Anna gerichtet. Das Mädchen nickte nur schüchtern.
"Meine Frau und meine Tochter haben auch Pferde. Die reiten Western.", erklärte er.
"Auch richtig professionell?", fragte Diana interessiert.
"Ja. Meine Frau gehört zu den großen Champions im Reining. Meine Tochter ist erst acht. Die übt noch."
"Wie heißt deine Frau, wenn ich fragen darf?"
"Sylvia Rzepka. Ist ziemlich bekannt."
"Ach ja. Mit der hab ich schonmal ein Shooting gemacht. Ist schon eine Weile her, aber da war die bei uns in Ocala."
"Echt?"
"Ja. Das war vor drei Jahren glaube ich. Da hab ich Fotos für einen Katalog gemacht und brauchte ein Model für die Western Outfits. Da hab ich dann einen Tag mit deiner Frau bei uns im Wald geshootet."
"Stimmt. Sie hat mal für einen Katalog gemodelt. Das wusste ich. Und da hast du die Fotos gemacht?"
"Ja. Ich arbeite für einige Reitsport Geschäfte und mache für die Fotos."
"Na dann kennst du die ja schon."
"Diana kennt so ziemlich jeden berühmten Reiter persönlich.", meinte Liam.
"Jeden jetzt auch nicht, aber als Fotografin für die Presse lernst du halt einige kennen.", erklärte Diana.
"Und du machst nur Fotos für die Presse und die Kataloge?", fragte Logan.
"Nein. Ich fotografieren auch für einige große Gestüte und mache eigentlich alles rund um Tierfotografie. Hauptsächlich eigentlich private Shootings.", berichtete Diana.
"Achso. Also kann man dich buchen und du kommst dann und machst Fotos."
"Genau."
"Und wo bist du so unterwegs? Nur bei euch in Ocala oder in ganz Amerika?"
"Weltweit. Ich bin auch einmal im Jahr in Dubai und Spanien und reise eigentlich überall hin, wo man mich braucht."
"Wow! Da sieht man was von der Welt!"
"Ja."
"Was war dein liebstes Land?"
"Also am Besten haben mir bisher die Malediven und Afrika gefallen. Spanien und Dubai sind aber auch jedes Jahr wieder schön. Die haben einfach die tollsten Pferde."
"Auf den Malediven gibt es Pferde?"
"Ich fotografieren ja nicht nur Pferde, sondern allgemein Tiere. Ich hab da alle möglichen anderen Tiere fotografiert. Hauptsächlich eigentlich Delfine, Schildkröten und Papageien."
"Wow! Das stell ich mir echt interessant vor."
"Ja. Die Strände und das Wasser sind halt einfach genial."
Ihre Unterhaltung wurde unterbrochen, als die Zeremonie begann. Jim wurde nun von ein paar anderen Soldaten im Gleichschritt nach vorne geführt, wo er gerade stehen blieb. Alles lief unter dem militärischen Drill, aber es war trotzdem voller Ehre.
Eine Priesterin von dem Militär hielt nun eine kurze Predigt, bevor der Präsident persönlich dann eine ausführliche Rede hielt in der er sich ausdrücklich bei Jim für seine Tat bedankte. Nach einer halben Ewigkeit überreichte er ihm schließlich die Medallie und die Priesterin sagte noch kurz etwas, bevor die Zeremonie dann vorbei war. Alle standen nun auf und verließen den Raum wieder. Nur Diana blieb sitzen. Sie saß da und war kreidebleich. Nun wusste sie alle Einzelheiten von Jims Tat und einerseits war sie wirklich stolz auf ihn, dass er sein Leben für die Menschen auf's Spiel gesetzt hatte, aber andererseits hatte sie nun noch mehr Angst um ihren Bruder. Es war ein Wunder, dass er überhaupt noch lebte.
"Ist alles okay?", fragte Liam besorgt, doch sie regte sich nicht.
"Süße, was ist los?", fragte er nun schon etwas panisch.
"Ich bin nur ein bisschen geschockt.", meinte Diana.
"Wir gehen schonmal.", sagte Grace und verschwand mit den anderen. Jim kam nun zu ihnen und ging in die Hocke, um mit ihr auf einer Augenhöhe zu sein.
"Was ist denn los?", fragte auch er besorgt und Diana fiel ihm direkt um den Hals.
"Ich lass dich nie wieder weg!", schluchzte sie.
"Ach Kleine. Alles ist gut. Mach dir keine Sorgen.", sagte Jim und strich ihr beruhigend über den Rücken.
"Ich hätte dich nie weg lassen dürfen."
"Diana, jetzt hör sofort auf dir Vorwürfe zu machen! Du bist die Letzte, die irgendwas dafür kann! Du hättest mich nicht aufhalten können! Das weißt du ganz genau! Ich wäre gegangen. Egal, was du gemacht hättest. Ich weiß, dass das alles nicht einfach für dich ist, aber es ist nunmal passiert und du musst dir wirklich keine Sorgen und erst recht keine Vorwürfe machen. Es ist alles gut."
Diana schwieg und Jim ließ sie nun wieder los.
"Komm. Die anderen warten bestimmt schon.", sagte er und kurz darauf stand sie neben ihm. Sanft legte er einen Arm um sie und so gingen sie schließlich raus. Dort unterhielten sie sich noch eine Weile mit ein paar Freunden und Kollegen von Jim, bevor sie dann wieder nach Hause flogen. Dort hieß es dann Abschied nehmen, denn Grace und Sean flogen kurz darauf wieder nach Irland zurück. Gerade für die Kinder war das gar nicht so einfach, denn sie hatten jetzt sechs Monate mit den Beiden verbracht. Auch das brachten sie allerdings hinter sich und fuhren schließlich nach Hause. Dort angekommen wartete bereits ein Empfangs Komitee aus Spring- und Dressurreiterin auf sie. Glücklich wurden sie begrüßt und feierten einige Stunden, bis die anderen dann nach Hause fuhren und sie zu Bett gingen. Schon bald schliefen sie alle tief und fest. Nur Diana bekam kein Auge zu. Noch immer schossen ihr Bilder von Jims Tat durch den Kopf und sie schaffte es einfach nicht sie aus zu blenden.
Irgendwann stand sie dann auf und ging zu dem Zimmer ihres Bruders. Unsicher klopfte sie an der Tür und wartete. Es dauerte nun eine Weile, bis Jim schließlich vor ihr stand.
"Hey. Was ist los? Kannst du nicht schlafen?", fragte er. Sie nickte nur.
"Komm rein.", sagte er und trat zur Seite, sodass sie das Zimmer betreten konnte. Leise schloss er die Tür hinter ihr und zog sie sanft in seine Arme.
"Dich beschäftigt das alles zu sehr. Du musst einfach mal abschalten.", sagte er.
"Das kann ich nicht.", meinte sie.
"Ich weiß. Das konntest du nach solchen Tagen noch nie. Da bist du früher schon immer zu mir gekommen. Das wird sich nie ändern. Du bist einfach immer noch meine Kleine."
"Das werde ich immer bleiben."
"Ich weiß und das ist auch gut so. Ohne meine Kleine würde ich jetzt nicht mehr leben."
"Ich hab nichts gemacht."
"Doch. Du hast Tag und Nacht bei mir gesessen und dich um mich gekümmert. Das warst nur du. Du hast an mich geglaubt und das hat mir geholfen. Ohne dich würde ich jetzt nicht mehr leben. Du warst es, die mich noch am Leben gehalten hat."
"Damit du überlebst, würde ich das jeden Tag wieder machen. Ich kann ohne dich nicht leben."
"Doch. Das könntest du. Du hast Liam der alles für dich tut und drei wundervolle Kinder. Du kommst auch ohne mich klar. Du willst es vielleicht nicht wahr haben, aber du bist erwachsen geworden und du brauchst mich nicht mehr zum überleben. Ab und zu brauchst du mich noch, aber du würdest auch alleine klar kommen."
"Jetzt brauche ich dich."
"Ich weiß. Jetzt bin ich auch für dich da. Aber das werde ich nicht immer sein können. Das weißt du genauso gut, wie ich. Du weißt, dass ich jeden Tag sterben könnte. Dann wäre ich nicht mehr für dich da und dann müsstest du alleine klar kommen. Das würdest du auch schaffen. Du bist stark und du hast Liam. Er kann auf dich auf passen und er macht das wirklich gut. Das hat er jetzt oft genug bewiesen. Er liebt dich und er würde wirklich alles tun, damit es dir gut geht. Ich will dich nicht anlügen. Ich bin nicht mehr der Jüngste und ich habe einen Job in dem ich jeden Moment sterben kann. Könntest du mir etwas versprechen?"
"Was denn?"
"Versprichst du mir, dass du nach meinem Tod normal weiter lebst? Wenn es irgendwann so weit ist, will ich nicht, dass du daran ein gehst. Ich weiß, dass das dir unheimlich schwer fallen wird, aber bitte lebe einfach weiter. Kannst du mir das versprechen?"
"Nein. Es tut mir leid, aber ich kann dir das nicht versprechen. Ich werde mein bestes geben, aber wenn du stirbst, werde ich nicht einfach weiter machen können. Das kann ich nicht. Dafür bist du mir zu wichtig."
"Ich will nur, dass du danach nicht anfängst wie nach Mums Tod und versuchst dich um zu bringen. Das verkraften deine Kinder nicht und Liam auch nicht. Bitte! Mir ist schon klar, dass du erstmal fertig bist, aber bitte bring dich nicht um! Du kannst auch ohne mich leben und glücklich sein! Liam ist bei dir. Der hilft dir. Und ich sitze dann bei Mum auf ihrer Wolke und passe von da oben auf dich auf. Ich bin nicht weg. Ich werde immer bei dir sein."
"Ich versuche es, aber ich weiß nicht, ob ich das kann."
"Du kannst das. Da bin ich mir ganz sicher."
"Was würde eigentlich passieren, wenn du jetzt im Krieg stirbst? Wirst du dann überhaupt irgendwie beerdigt?"
"Ja klar. Als aller erstes werdet ihr natürlich benachrichtigt und ich werde dann auf einem Militär Friedhof beerdigt. Da werdet ihr dann zu eingeladen."
"Bitte tu mir das nicht an!"
"Das hab ich nicht vor. Ich kann dir nichts versprechen. Es kann immer was passieren, aber ich geb mein Bestes, damit es nicht passiert. Das kann ich dir versprechen. Ich lasse dich garantiert nicht kampflos alleine, aber auch Kämpfe kann man verlieren. Ich kann nicht immer so viel Glück haben, wie jetzt."
"Kannst du nicht einfach hier bleiben und dir einen anderen Job suchen?"
"Nein. Und du weißt auch ganz genau, warum."
"Ach man. Warum kannst du nicht, wie jeder andere Mensch, irgendeinen normalen Job machen?"
"Ach und du machst einen normalen Job?"
"Das hab ich nicht gesagt. Aber mir kann nicht so schnell was passieren."
"Wenn du nach Dubai fliegst kann das Flugzeug nicht jeder Zeit abstürzen? Wenn du kilometerweit weg fährst kann dir kein Unfall passieren? Wenn du mit dem ach so tollen und braven Pferd zusammen arbeitest kann das nicht austreten und dir alle Knochen brechen? Einer von deinen Kunden, zu denen du alleine fährst, kann kein kranker Typ sein, der dich umbringt? Jeder Job ist gefährlich."
"Ja, aber du hast dir mit Abstand den gefährlichsten ausgesucht."
"Das ist alles gar nicht so gefährlich, wie du denkst. Natürlich könnte ich jeder Zeit sterben, aber das kannst du überall. Bei mir ist das Risiko halt nur erhöht."
"Ich glaub ich lass dich einfach nicht mehr weg. Dann sterben wir wenigstens zusammen."
"Und was beschäftigt dich jetzt so sehr?"
"Mich hat das heute einfach total geschockt die komplette Geschichte mit allen Einzelheiten zu erfahren."
"Wusstest du das vorher nicht?"
"Nein. Irgend eine Ärztin hat uns das am Anfang alles erzählt, aber da war ich komplett durch und hab nichts mitgekriegt."
"Warum hast du das nicht eher gesagt? Dann hätte ich dich wenigstens ein bisschen vorgewarnt."
"Weil ich nicht gedacht habe, dass das so heftig ist. Natürlich war mir klar, dass du schon ordentlich was gemacht haben musst, wenn du das Dingen bekommst, aber ich dachte nicht, dass es so heftig ist. Es ist echt ein Wunder, dass du noch lebst! Warum hast du das gemacht?"
"Dieser Mann ist mein bester Freund. Ich wollte ihn retten. Außerdem waren Kinder in dem Haus. Die konnte ich nicht einfach alle sterben lassen. Das hätte ich mir nie verziehen."
"Du bist unglaublich! Daran, dass du dabei drauf gehen könntest, hast du nicht gedacht, oder?"
"Nein. Wenn ich bei allem, was ich in meinem Job tue, dran denken würde, dass ich sterben könnte, hätte ich den falschen Job gewählt. Du denkst in solchen Situationen nicht nach, sondern handelst einfach. Hätte ich noch eine Sekunde länger nach gedacht, wäre es zu spät gewesen."
"Du kannst aber nicht jeden retten und dafür selber fast sterben!"
"Nein. Ich kann nicht jeden retten, aber bei denen, wo ich es kann, tue ich es auch."
"Es wäre nur schön, wenn du das demnächst ein bisschen vorsichtiger und möglichst bewaffnet tun würdest! Ich will nicht, dass dir was passiert und vor allen Dingen nicht, dass du stirbst!"
"Ich versuche es."
"Danke! Es ist schön dich hier zu haben!"
"Du weißt aber, dass ich jetzt nicht lange bleibe. Ich muss dann wieder gehen."
"Ich weiß. Aber diesmal gehst du nicht, ohne dich zu verabschieden!"
"Versprochen."
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Missing you
Teen FictionAchtung! In diesem Buch werden die Themen Krieg, Drogen, selbstverletzendes Verhalten sowie einige psychische Krankheiten behandelt. Diana ist Pferde Fotografin und wohnt mit ihrem Freund Liam in Ocala. An sich hat sie ein wirklich tolles Leben mit...