Kapitel 24

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Sie wurden nun von dem Geräusch eines Schlüssels im Schloss unterbrochen und kurz darauf sprang ihnen ein junger Hund um die Beine. Fröhlich wedelte Jana mit dem Schwanz und begrüßte sie freudig, bevor das kleine Energie Bündel einmal durch die Wohnung rannte. Verfolgt wurde sie von drei kleinen Kindern, die ihr nicht von der Seite wichen. Kurz darauf kam auch Jim nun rein und sagte: "Alle wieder da."
Erschöpft setzte er sich zu ihnen auf die Couch und Diana fragte: "Na? Haben sie dich fertig gemacht?"
"Ja. Man glaubt gar nicht, wie anstrengend drei kleine Kinder und ein junger Hund sein können! Ich weiß echt nicht, wie ihr das den ganzen Tag ertragt."
"Reine Routine. Wir machen das jeden Tag."
Nun blieb Jims Blick an Liams Arm hängen und er fragte entsetzt: "Das ist jetzt nicht das, wonach es aussieht, oder?"
"Doch. Leider schon. Ein kleiner Ausrutscher heute Morgen. Ist momentan alles nicht so einfach. Aber wir haben das schon geklärt."
"Okay. Habt ihr schon was Neues aus Irland gehört?"
"Ja. Leider schon."
"Warum leider? Keine Chance mehr?"
"Nein. Sie konnten nur noch den Hirntod feststellen. Wir fliegen am Donnerstag Abend hin und kommen dann direkt irgendwann wieder. Ich denke wir werden so nach zwei Tagen einen Flug bekommen und dann kommen."
"Scheiße!"
"Ja. Das hab ich auch gesagt."
"Wie kommt Grace damit klar?"
"Es geht so. Sie war am Telefon jetzt relativ gefasst, aber man hat ihr schon angemerkt, dass sie das mit genommen hat."
"Und Sean? Hast du mit dem auch gesprochen?"
"Nein. Ich hab nur mit Grace gesprochen."
"Okay. Dann ruf ich den mal an.", meinte Jim und ging nun raus, um mit dem kleinen Bruder von Liam zu telefonieren.
Diana und Liam blieben alleine und er fragte: "War sie sehr mitgenommen?"
"Nein. Dafür, dass ihr Mann im Koma liegt und sterben wird, war sie noch ziemlich gefasst und ruhig.", berichtete Diana.
"Was sagt die Psychologin in dir?"
"Du machst mir gerade ehrlich gesagt mehr Sorgen. Sie hat sich damit schon irgendwie abgefunden."
"Dann hoffe ich mal, dass es Sean da genauso geht."
"Bei ihm kann ich das so gar nicht einschätzen. Ich hab ihn bisher immer sehr ruhig und ausgeglichen erlebt, aber wir werden es ja gleich sehen."
Kurz darauf stand Jim nun neben ihnen und fragte: "Könntest du mal mit ihm reden? Ich glaube das ist eindeutig ein Fall für jemanden mit psychologischen Kenntnissen."
"Ja klar. Ich komme sofort wieder.", sagte sie und nahm ihm nun das Telefon aus der Hand, um damit raus zu gehen.
"Sean?", fragte sie nun.
"Ja?", antwortete er und sie hörte schon an seiner Stimme dass er in den letzten Tagen viel geweint haben musste.
"Dir geht's total beschissen oder?" fragte sie.
"Ja. Woher weißt du das?"
"Das hört man schon an deiner Stimme. Wo ist das Problem?"
"Ich komm damit einfach noch nicht so wirklich klar."
"Ich kann's verstehen. Es ist nicht so einfach, wenn die eigenen Eltern sterben und man nichts dagegen tun kann. Liam geht's auch nicht gut."
"Pass gut auf ihn auf! Er hat es schonmal versucht. Ich will nichts dass er es schafft."
"Was hat er schonmal versucht?"
"Sich um zu bringen. Als unsere Oma gestorben ist. Das war ungefähr ein Jahr, bevor er nach Amerika gezogen ist. Da hat er sich aus einer Kurzschluss Reaktion versucht die Pulsader auf zu schneiden."
"Deswegen hat sie das so betont!"
"Wer hat was betont?"
"Eure Mutter. Die hat heute Morgen sehr deutlich betont, dass ich gut auf ihn auf passen soll. Dann erklärt sich das."
"Ja. Wir machen uns alle Sorgen, dass er es nochmal versucht. Also lass ihn bitte nicht aus den Augen!"
"Ich passe auf. Das habe ich deiner Mutter schon versprochen und dir verspreche ich es auch nochmal. Dafür musst du mir aber auch etwas versprechen."
"Was denn?"
"Bitte versprich mir, dass du mit jemanden redest! Am Besten noch mit einem Psychologen! Du brauchst Hilfe! Das ist wichtig!"
"Okay."
"Sehr gut."
"Wenn kommt ihr denn?"
"Wir kommen Freitag Morgen ganz früh. Deine Mutter weiß schon bescheid. Eher war leider kein Flug mehr frei."
"Und wie lange bleibt ihr?"
"Nur so ein oder zwei Tage. Je nachdem, wann wir einen Flug kriegen. Den muss ich noch buchen."
"Nur so kurz?"
"Ja. Wir haben drei kleine Kinder zuhause. Die können wir nicht ewig alleine lassen."
"Schade."
"Ja, aber so ist das nunmal."
"Dann bis Freitag!"
"Ja. Bis dann! Und denk dran, was ich dir gesagt habe!"
"Ja. Mach ich."
"Gut. Tschau!"
"Tschüss!"
Sie legte nun wieder auf und brauchte nun erstmal einen Momemt, um sich zu sammeln. Er hatte es also schonmal versucht. Warum hatte er ihr davon nie erzählt? Warum hatte er es ihr an diesem Tag nicht erzählt? Er hatte doch offen über alles gesprochen. Warum nicht darüber?
Nach einer Weile ging sie dann wieder rein und gab Jim sein Handy wieder.
"Und?", fragte er.
"Dem geht es nicht gerade gut. Der ist psychisch komplett am Ende. Er hat mir jetzt versprochen, dass er mit jemanden spricht, aber ich hab so das Gefühl, dass er uns braucht. Das fehlt ihm einfach.", berichtete Diana.
"Dann nehmt ihn doch einfach mit zurück. So kommt er da mal raus und hat euch um sich. Das würde ihm und auch Grace vielleicht mal ganz gut tun."
"Stimmt. Die Idee wäre gar nicht mal so schlecht."
"Dann lass uns das doch machen.", meinte nun auch Liam und so war es eine beschlossene Sache. Schon hatte Diana ihren Laptop auf dem Schoß und buchte drei Tickets für einen Flug zurück. Das gestaltete sich allerdings gar nicht so einfach, denn es gab kaum noch frei Flüge. Gerade so bekamen sie noch die letzten drei Plätze für einen Flug am Sonntag Abend. Sie mussten also doch etwas länger bleiben, als geplant.

Die nächsten Tage gestalteten sich nicht so einfach. Diana hatte nun zwar Zeit, um das Haus komplett auf zu räumen, zu putzen und ein Zimmer für Sean fertig zu machen, aber gleichzeitig hatte sie drei kleine Kinder und einen Hund, die ihr dauernd um den Füßen herum sprangen. Dazu kam dann noch Liam, den sie nur sehr ungern aus den Augen ließ. Er versuchte es zwar nicht noch einmal, aber nach der Warnung von seinem Bruder, schaute sie dann doch lieber etwas genauer hin. In jeder Sekunde konnte irgendwas passieren und ihm konnte alles zu viel werden. Wie bei einem kleinen Kind, hatte sie mittlerweile alle Messer und spitzen Gegenstände weg gesperrt und alles an Tabletten gleich mit. Auch sie konnte allerdings nicht alles gefährliche weg sperren. Dafür müsste sie ihn schon in eine Gummizelle sperren und das ging nicht. Stattdessen musste sie ihn also den ganzen Tag im Auge behalten. Auch das schaffte sie allerdings irgendwie und Jim war ihr dabei eine große Unterstützung.

Am Donnerstag war es dann so weit. Am Nachmittag verabschiedeten sie sich von den Kindern, die bei Jim zuhause bleiben würden und fuhren dann zum Flughafen, um am Abend dann nach Irland zu fliegen. Den gesamten Flug über bearbeitete sie noch ein paar Fotos, beantwortete Mails und machte alles Mögliche, was so an stand, während Liam neben ihr fast den ganzen Flug verschlief. Er schaute ihr nur zwischendurch immer mal ein wenig zu, aber für ihn war das jetzt nicht unbedingt so interessant. Diana machte es ja selber nur, weil sie musste.
Um sechs Uhr morgens irischer Zeit landeten sie dann und holten ihre Koffer, um dann auf Liams Mutter zu warten, die sie abholen sollte. Kurz darauf kam diese dann allerdings auch und fiel Liam um den Hals. Dieser blieb nur ruhig stehen und wartete, bis sie ihn schließlich wieder los ließ. Dann fiel sie auch Diana um den Hals und flüsterte: "Danke! Du glaubst gar nicht wie glücklich ich bin, dass es ihm gut geht!"
Kurz darauf löste sie sich allerdings wieder von ihr und sie stiegen schweigend in das Auto. Niemand wusste so wirklich, was er sagen sollte und so blieben sie dabei einfach gar nichts zu sagen. Schweigend fuhren sie also ins Krankenhaus, wo sie gemeinsam zu der Intensiv Station gingen. Dort stand Sean bereits vor einer Tür und wartete auf sie. Er war kriede bleich und sah einfach nur schrecklich aus. Das bewies Diana, dass sie mit ihrer Diagnose nach dem Telefonat mit ihm Recht hatte. Er war, genau wie Liam auch, psychisch komplett am Ende und der Fakt, dass er zehn Jahre jünger war, als sein Bruder, machte das auch nicht gerade besser. Er begrüßte sie nun knapp, bevor sie gemeinsam das Zimmer betraten. Dort lag der ältere Mann in dem Bett und überall waren Schläuche und Maschinen, die ihn am Leben hielten. Es war einfach schrecklich und Diana erkannte dass Liam schon bei diesem Anblick schwer mit sich zu kämpfen hatte. Sanft legte sie einen Arm um ihn und so gingen sie nun zu dem Bett. Grace setzte sich direkt auf dem Stuhl neben ihrem Mann und nahm seine Hand, während Liam sich mit Diana an seiner Seite zu dem Bett stellte. Er hat jetzt schon schwer mit dem Anblick seines Vaters zu kämpfen. Sanft hatte Diana einen Arm um ihn gelegt und das gab ihm den nötigen Halt, um den Raum nicht einfach wieder zu verlassen. Sein Vater war alles für ihn und nun stand er vor ihm und wusste, dass er nur mit Hilfe dieser vielen Maschinen überhaupt noch leben konnte und das er gleich sterben würde. Gleich würde der Arzt kommen und mit ein paar Knöpfen das Leben seines Vaters beenden. Das war einfach nur schrecklich für ihn. Trotzdem riss er sich stark zusammen. Er wollte sich jetzt wenigstens noch vernünftig von ihm verabschieden. Das hatte er verdient und er hätte es sich sicherlich gewünscht.

Kurz darauf kam nun ein Arzt herein und stellte sich höflich vor. Liam nahm ihn allerdings gar nicht richtig war. Er war wie im Trance und wünschte sich, dass sein Vater einfach wieder aufstehen und mit ihnen kommen würde, aber das tat er nicht. Er bewegte sich nicht und das, obwohl er noch so lebendig aussah. Es war einfach verdammt schwer zu verstehen, dass er eigentlich schon tot war. Das sah auch Diana ihm an und zog ihn sanft noch etwas näher an sich. Sie wusste, wie schwer diese Situation für ihn sein musste und wie sehr er gerade mit sich kämpfte. Sie wusste, wie es sich anfühlte, wenn ein Elternteil so plötzlich starb. Das wusste sie besser, als jeder andere und genauso sehr wusste sie auch, dass er sie jetzt brauchte. Gleichzeitig wusste sie aber auch, wie schwer es für Sean sein musste. Er hatte seinen Vater noch jeden Tag gesehen und wohnte noch immer in seinem Haus. Außerdem war er ja noch deutlich jünger. Für ihn musste das genauso schrecklich sein, wenn nicht sogar noch schlimmer. Auch er stand dicht an ihrer Seite und sie erkannte, dass er bei ihr Halt suchte. Sie war die Einzige in dem Raum, die nicht komplett mitgenommen und psychisch am Ende war.

Missing youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt