Es ist nötig

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Es ist nötig

 Köln                                   Tag: 4 

"Auch wenn du nicht in Köln bist... Ardy, Felix, Izzi, Caty und Bergi werden mir Recht geben... Wir bekommen Angst. Hier passieren Dinge, die nicht nur mich frösteln lassen. Egal, was man macht, wenn man versucht aus der Stadt zu kommen verschwindet man... Wenigstens geben sie die Wachmänner noch Mühe die Morde zu vertuschen. Es wird nicht mehr lange dauern, bis die ersten ihren Kopf verlieren." Simon seufzte und sah besorgt in die Runde seiner Freunde. Sie alle saßen hier, in seinem Wohnzimmer. Caty war am gleichen Tag, wie Herr Bergmann nach Köln gekommen, hatte sich an ihn gelehnt, die Arme um seine Hüfte, den Kopf auf seiner Schulter und schlief. Bergi hatte sich in den Sitz sack gesetzt und schlief genau so, das Kinn auf die Brust gesunken. Izzi und Dner lehnten aneinander, doch Felix war der Einzige von beiden, dessen Atem ruhig ging und dessen Augen geschlossen waren. Izzi sah aufmerksam zu Simon herüber, unter seinen Augen waren tiefe, dunkle Schatten. Er hatte nicht mehr geschlafen, seit zwei zerstückelte, angefressene Leichen auf seiner Türschwelle gelegen hatten. Seit diesem Tag war er hier im YouTuberHaus geblieben. Ardy saß im Schneidersitz auf dem Teppich und hörte genau, wie Izzi aufmerksam Simons Telefonat zu. Manchmal blinzelte er verschlafen und sein Kopf sank kurz zur Seite, aber immer wieder schreckte er hoch. Wenn sie sonst so zusammen saßen war die Stimmung immer ausgelassen, aber jetzt war die Angst im Raum fast greifbar. Keinem von ihnen war zum Lachen zumute, sie hatten in den letzten Tagen zu viel gesehen. "Aber euch allen gehts gut? Man bekommt grausame Sachen über die Medien mit. Vor allem, da das komplette Internet von Köln ausgefallen ist..." Taddl hörte sich besorgt an und die schlechte Verbindung knisterte kurz vehement. "Ja, uns gehts gut... Noch. Verdammt, wir haben kein Essen mehr. Morgen muss ich schauen, ob ich nich‘ irgendwo noch was auftreiben kann..." "Pass bitte auf dich auf, pass auf alle auf..." Taddl atmete tief ein. Simon kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er jetzt nachdenklich auf der Unterlippe kaute, auch wenn er das Gesicht seines Freundes nicht sehen konnte. "... Es muss einen Weg aus Köln raus geben! Wenn eines sicher ist, dann dass ich nicht tatenlos hier rum sitzen werde, während meine besten Freunde in der momentan gefährlichsten Stadt der Welt festsitzen!"

Köln                                   Tag: 5

 Man müsste meinen große Veränderungen, die das Leben tausender Menschen umschmeißen brauchen viel Zeit. So ist das aber nicht. Noch vor 3 Tagen war er mit Herr Bergmann vor dem geschlossenen Flughafen gestanden und jetzt... Simon starrte auf die Wohnungstür und tippte mit den Fingern nervös auf dem Deck seines Longboards herum. Es war früh am Morgen. Die Sonne begann gerade erst über den Rand des Horizonts zu klettern und alle, außer Simon schliefen noch. Eigentlich sollte er müde sein, schließlich hatte er nur zwei Stunden Schlaf gehabt, aber ihm war übel vor Angst. Am liebsten wäre er sofort wieder umgedreht und hätte sich zurück zu Caty ins Bett gelegt, aber er hatte keine andere Wahl... "Simon? Was..." seine Freundin blinzelte verschlafen, doch als sie das Longboard unter seinem Arm sah zuckte Caty so erschrocken zusammen, als hätte jemand sie geschlagen. "Nein, Simon!" Seine Freundin huschte neben ihn, ihre blonden Haare waren noch komplett vom Schlaf zerzaust. "Das hast du nicht ernsthaft vor! Nicht alleine..." "Bitte, Caty... Du weckst alle anderen auf..." Besänftigend legte er ihr die freie Hand auf ihre Schulter, doch sie schob ihn weg. "Von mir aus schreie ich alle in Grund und Boden, aber du wirst nicht alleine daraus gehen! Vor 5 Tagen war die Welt noch in Ordnung und dann lagen vor Izzis Tür zwei Leichen. Auf die Straße zu gehen ist purer Selbstmord..." Sie kämpfte mit sich selbst, damit ihre Stimme nicht abbrach "Alles verändert sich so schnell und wird tödlicher. Ich würde es nicht ertragen, wenn du morgen früh auch tot auf irgendeiner Türschwelle liegst. Warte doch bitte wenigstens auf Felix, oder Ardy..." "Damit morgen früh, sollte wirklich etwas schief gehen, zwei oder drei Leichen irgendwo in Köln auf einem Haufen liegen? Nein. Es ist nötig." Simon stellte sein Longboard neben sich und nahm ihr Gesicht in beide Hände. "Sollte ich nicht zurück kommen... Caty, ich liebe dich." Er küsste seine Freundin auf die weichen Lippen und atmete ihren süßen Duft ein. Er hatte den salzigen Geschmack ihrer Tränen auf den Lippen. Einen Augenblick blieben sie so stehen, vor der Wohnungstür, das Licht der aufgehenden Sonne funkelte mit einem warmen Orange durch die Fenster. Dann löste er sich von ihr, nahm sein Longboard wieder in die Hand und war im nächsten Moment aus der Tür. Simon schmeckte das Salz von Catys Tränen, als er leise die Treppe nach unten schlich, doch da war noch etwas... Merkwürdigerweise bildete er sich ein, dass ihre Tränen einen leichten, metallischen Nachgeschmack hatten.

Bis zum letzten Tropfen BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt