Menschenfreund und Zombieapocalypse
"Keinen Laut!" zischte die Stimme eines Mädchens. "Wenn sie dich weder sehen, noch hören geben sie schnell auf!" Leise und doch zügig wurde die Tür hinter ihm geschlossen und sofort kam es Simon vor, als wäre er blind geworden, so dunkel war der kleine Raum. Ein metallisches Klicken verriet ihm, dass die Tür abgeschlossen wurde und fast im selben Moment hörte er, wie Glas splitterte. Die Zombies waren im Laden. "Bleib einfach still und warte." flüsterte das Mädchen, das sich offenbar neben ihm befand. Simon konnte sie in der Dunkelheit nicht erkennen. "Schrei auf gar keinen Fall, wenn sie anfangen an der Türklinke zu rütteln. Sie werden von selbst verschwinden, wenn sie nichts hören!" "Wer bist du?" "Wir können uns nachher einander vorstellen." Ein Anflug von Ironie mischte sich in ihre Stimme. "DANN kannst du mich natürlich auch nach einem Date fragen. Ich weiß doch, dass du die ganze Zeit nichts anderes vor hattest!" Die Andeutung eines Lächelns schlich sich auf Simons Lippen, trotz dem, dass er draußen schon das Röcheln der Zombies hörte. "Tut mir Leid, Zuhause wartet meine Freundin, aber ich hätte nichts dagegen, wenn du uns zum Essen einlädst." Ein leises, freudloses Lachen ihrerseits. "Gerne. Wenn wir die nächsten Stunden überleben." Simon verstummte.
Sein Zeitgefühl war schon immer schrecklich verkümmert gewesen, aber noch nie war ihm das so schmerzhaft bewusst geworden, wie jetzt. Nur eine dünne Holztür lag zwischen ihm und einer ganzen Horde röchelnder, hungriger Untote. Würde Caty vielleicht noch bei Sonnenuntergang nervös wartend vor der Wohnungstür sitzen, bis ihr schließlich klar werden würde, dass er nicht mehr zurück kommen würde? Dass er sie nie wieder im Arm halten konnte? Das waren die Gedanken, die Simon durch den Kopf spukten, während er (Minuten? Stunden? Tage? Wochen?) in der Dunkelheit saß und nach draußen lauschte. "Ich glaube sie sind weg." flüsterte die Stimme neben ihm. Für einige Sekunden lauschten die beiden, als sie nur Stille wahrnahmen hörte Simon das Klicken eines Schlüssels im Schloss und die stieß die Tür auf. Es war das erste Mal, dass Simon das Mädchen sah, die ihm das Leben gerettet hatte und, um ehrlich zu sein, so etwas hatte er nicht erwartet. Sie hatte lange, blonde Haare, etwa derselbe Ton, wie Caty. Ihre dunklen, blauen Augen waren umrahmt von dichten, schwarzen Wimpern. Eine hammer Figur hatte sie auch, niemand konnte leugnen, dass sie verdammt attraktiv war, auch wenn ihre Kleider teilweise zerrissen und blutverschmiert waren. Und sie saß im Rollstuhl.
"Alles in Ordnung?" Erst jetzt bemerkte Simon, dass er sie anstarrte. Schnell versuchte er den Blick von dem Rollstuhl abzuwenden, doch es gelang ihm nicht. "Ja, danke... Du hast mir wahrscheinlich das Leben gerettet." "Immer wieder gerne. Ich bin Annika." "Ich bin..." "Simon" Annika grinste und begann durch eine Tasche zu wühlen, die an ihrem Rollstuhl hing. "Einen ungeheuer guten Tag wünsche ich auch dir! Du hast nicht zufällig eine Waffe dabei, oder?" Schuldbewusst kaute Simon auf seiner Unterlippe herum. Natürlich nicht. Nicht einmal ein Küchenmesser hatte er mitgenommen. Das Mädchen lachte leise, als sie seinen Blick bemerkte. "Menschenfreund und Zombieapokalypse... Das verträgt sich nicht!" Annika zauberte ein Messer aus der Tasche hervor. Es war etwa 30 Zentimeter lang und an der scharfen Klinge klebte schon getrocknetes Blut. "Hilf mir bitte noch kurz den Rest vom Fest aus dem Laden zu schmeißen. Alleine und ohne Beine ist das ziemlich schwierig... Dann kannst du dir so viel Essen nehmen, wie du tragen kannst und kannst dann wieder verschwinden." "J-ja... Klar..." Simon fühlte sich dezent überrumpelt und war überrascht von so viel Hilfsbereitschaft. Die Meisten Menschen neigen nicht dazu ihr Leben für einen (fast) völlig Fremden aufs Spiel zu setzen und dann auch noch so bereitwillig zu teilen. "Sorry, ich hab leider nur ein Messer und, nimm es mir nicht übel, aber ich traue dir nicht zu zuzustechen, wenn es darauf ankommt." Sie grinste entschuldigend und fuhr vorweg den Gang hinunter. Immer noch brachte Simon kein Wort heraus, er konnte ihr einfach nur folgen. Annika hatte Recht gehabt. Die Zombies hatten den Laden verlassen, doch nicht ohne die absolute Verwüstung zu hinterlassen. Regale waren umgestoßen, braune, verklumpte Fußspuren aus Blut zogen sich über den gefliesten Boden und Konserven lagen überall verstreut. Allerdings war die Stille trügerisch. Aus einem Gang zwischen noch zwei halbwegs intakten Regalen schlurfte das kleine, 6 jährige Mädchen hervor. Der Stoffbär, schwer geworden von dem Blut, in dem er getränkt war schleifte hinter ihr her über den Boden. Wieso war die Kleine noch hier? Vielleicht hatte sie schon so verzweifelten Hunger, dass sie einfach nicht aufgeben konnte. Warnend sah Annika Simon in die Augen und legte nachdrücklich einen Finger auf die Lippen. Das untote Mädchen hatte sie noch nicht gesehen, aber sie murmelte immer das Selbe. Die Worte klangen wie ein trauriges Gebet und dieses Mal verstand Simon sie "Hunger... Mama, Papa... Es tut mir Leid... Ich hatte Hunger. Solchen Hunger... Hunger... Mama, Papa..." Immer wieder und immer wieder. Simon konnte nicht sagen, was er daran verstörender fand. Die Tatsache, dass das kleine Mädchen ihre Eltern offensichtlich... gefressen hatte oder, dass sie sich noch daran erinnern konnte, dass sie bei Bewusstsein zu sein schien, dass sie irgendwo immer noch ein Mensch war, tief in ihr drin. Annika zögerte kurz, ihr schien das Gemurmel genau so zuzusetzen, wie ihm, doch mit dem Messer fest in der Hand fuhr sie auf die kleine untote zu, holte aus und stach ihr das Messer mitten in den Hinterkopf. Ein Krampf lief durch ihren kleinen Körper und brach dann wirklich und endgültig leblos vor Annika zusammen. "Wenn es wenigstens leichter werden würde..." Annika schüttelte traurig den Kopf und sah auf den kleinen Körper herunter. "Aber sie bleiben so verflucht menschlich. Irgendwie sind sie immer noch sie selbst... Hinter dem Hunger." gerade öffnete Simon den Mund, um etwas zu antworten, aber da kam ein lautes Scheppern aus der Vorderseite des Ladens. Seine Lebensretterin saß genau vor dem Meer aus Scherben, das früher einmal ein Schaufenster gewesen war, etwa 4 Meter von Simon entfernt. Diese Entfernung reichte dem Zombie wohl, um sich lieber auf das Mädchen zu stürzen. Mit einem erstaunlichen Tempo sprang der Untote aus dem Schutz eines weiteren Ganges und riss sie von ihrem Rollstuhl. Das Mädchen schrie vor Schreck auf und dann vor Schmerz, als sie mit voller Wucht auf den Scherben landete. Verzweifelt versuchte Annika sich irgendwie aus seinem Griff zu winden, doch da ihre Beine gelähmt waren konnte sie kaum etwas gegen den Zombie tun. Das Messer war bei dem Sturz außerhalb ihrer Reichweite geschlittert.
"Annika!" Simon stolperte vorwärts, schneller als er es jemals für möglich gehalten hätte und plötzlich hatte er das Messer in der Hand, das einen Augenblick später im Kopf des Untoten steckte. Mit zitternden Fingern schob das Mädchen die Leiche von sich herunter. "Alles in Ord..." Simon brach mitten im Satz ab. Die Frage hatte sich erübrigt, denn eine der großen Glasscherben ragte aus Annikas linker Schulter. Das sonst kristallklare Glas war mit einer dünnen Schicht aus schimmerndem Rot überzogen. In ihren Augen glitzerten Tränen. "Nimm, was du tragen kannst und verschwinde!" Vorsichtig, um sich nicht selbst nicht zu verletzen, kniete Simon sich neben sie. "Ich denke nicht dran!" Er schob eine Hand unter Annikas Rücken und eine unter ihre Beine, um sie zurück in den Rollstuhl zu setzen. "Simon! Mein Schrei hat die Essensglocke geläutet! Nimm alles Essbare und verschwinde zu deiner Freundin!" Sie versuchte Simon wegzuschieben, aber er war immer noch größer, älter und stärker. Und sie verlor Blut. "Annika, ich werde dich hier nicht einfach alleine lassen. Du könntest..." "... Sterben?" Beendete sie seinen Satz und sog scharf die Luft ein, als die Scherbe in ihrem Rücken kurz die Lehne des Rollstuhls streifte, aber sie redete sofort weiter. "Sieh mich doch an! Meine Beine sind gelähmt, ich sitze im Rollstuhl! Ein unerwarteter Zombie, nur einer! Ich würde so oder so sehr bald sterben. Ob heute oder morgen macht für mich keinen Unterschied!" Nachdenklich sah Simon Annika an. Sie war jünger, als er. 18? 19? Vielleicht gerade mit der Schule fertig? Ihre blauen Augen waren glasig vor Schmerz, als sie ihn flehend ansah. "Setzt dein Leben nicht für meines aufs Spiel. Lass mich doch einfach hier sterben..." Mit ihrem rechten, unverletzten Arm gab sie einem Rollstuhlrad einen kleinen Anstoß und zog das Messer aus dem Kopf des Untoten. Simon hörte schon das hungrige Röcheln des nächsten Zombies. Ohne den Blick von Annika abzuwenden sammelte er so viele Konserven ein, wie in seinen Rucksack passten. Der Blick des Mädchens flog die ganze Zeit zwischen dem zerstörten Schaufenster und ihm hin und her, ihr Atem ging stoßweise und der rote Fleck auf dem Stoff über ihrer Schulter wurde immer größer. Schließlich war Simons Rucksack gefüllt mit Konserven. Er nahm sein Longboard, dass die ganze Zeit zwischen einigen Krümeln längst hart gewordenen Brotes auf dem gefliesten Ladenboden gelegen hatte und ging vor Annikas Rollstuhl in die Hocke, um mit ihr auf einer Augenhöhe zu sein. "Jetzt verschwinde schon!" zischte das Mädchen ihm zu und sah nervös an ihm vorbei zu der zerbrochenen Schaufensterscheibe, vor der schon die ersten Silhouetten der Untoten zu erkennen waren. "Wenn du mich wirklich kennen würdest, wüstes du, dass ich das nicht kann." "Und wie du kannst!" Jetzt waren es nicht nur Tränen aus Schmerz, Tränen der Verzweiflung schimmerten auf ihren Wangen. "Steh auf, dreh dich um, geh durch die Tür und renn verdammt noch mal, um dein Leben!" Der junge Mann schüttelte den Kopf, legte Annika sein Longboard auf den Schoß und begann den Rollstuhl aus dem Laden zu schieben. Auf der Straße warteten schon die ersten Zombies, doch Simon nahm die Beine in die Hand. Er würde ein paar Umwege nehmen müssen, doch mit etwas Glück würde er die Wohnung erreichen, bevor die Zombies das erste Stück Fleisch aus ihm heraus rissen.
DU LIEST GERADE
Bis zum letzten Tropfen Blut
FanfictionBerlin (Lefloid, Frodo, Steve, Rick) Köln (Taddl, Ardy, Ungespielt, Dner, Herr Bergmann, Izzi, CatyCake, iblali, Tc, Andre) Essen (GermanLetsPlay) „Du versuchst sie zu retten, das ist edel. Du willst deine Freunde retten, aber der Wille allein rei...