Zu viele Tränen...

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Zu viele Tränen…

Simon wachte auf. Er wusste erst nicht warum, glaubte der Schuss wäre ein letztes Überbleibsel seines wirren Traumes gewesen, doch dann folgte ein Schrei.

„Caty! Nein! NEIN!“

Annika?

Er schlug die Augen auf. Ein Schluchzen hallte durch das leere Kaufhaus, dann wieder Catys Name. Immer und immer wieder.

Das weiche Bett war trügerisch… Aus irgendeinem Grund flüsterten ihm die warmen Federn und der weiche Stoff zu, dass das alles nur ein böser Traum war und, dass Caty neben ihm liegen würde, wenn er in der Dunkelheit neben sich griff.

Doch da lag sie natürlich nicht.

Erst jetzt wachte er tatsächlich auf. Begleitet von Annikas Schluchzen stolperte er mit nackten Füßen durch die dunkle Halle. Der kalte Stein ließ seine Füße gefrieren, doch die aufkommende Angst vor dem was er sehen würde war stärker, aber das was er sah, als er die Tür öffnete, hinter der Annika weinte war viel schlimmer.

Da lag sie. Das Mädchen, das er liebte. Tod. Die goldenen Haare voller Blut, ihre grünen blass gewordenen Augen starrten ins leere.

Simons Beine gaben unter ihm nach und plötzlich kniete er neben ihr. Hielt sie zitternd im Arm.

Caty.

Seine Caty.

Seine Caty, die er für Wochen nicht hatte berühren dürfen, die er nicht hatte küssen dürfen.

Sie war so kalt. So kalt und blass.

Eigentlich hatte er geglaubt er habe keine Tränen mehr übrig, die er weinen konnte. Simon hatte geglaubt die Trauer, die er empfinden konnte wäre längst aufgebraucht.

Er hatte sich geirrt.

Seine Tränen tropften auf ihre kalte Haut und vermischten sich mit dem Blut, doch nicht einmal das würde sie wieder zurück bringen.

*   *   *

Auch Taddl war von dem Schuss aufgewacht. Seine erste Reaktion war neben sich zu greifen, um zu überprüfen, ob Ardy noch da war. Er hatte darauf bestanden, dass sein bester Freund in seiner Nähe blieb nach dem, was an diesem Tag passiert war.

Taddl hatte solche Angst gehabt er könnte sich etwas antun, doch sein Brudi lag neben ihm. Dann folgte Annikas schrei.

Caty. Es war Caty gewesen.

Sie hatte den Kampf verloren. Er wusste es, sobald er ihren Namen hörte. Trotzdem eilte er hinter Simon her und stand schließlich im Türrahmen, als er vor Catys Leiche auf die Knie sank und sie schließlich weinend im Arm hielt.

Doch was ihn am Meisten verunsicherte war Annika.

Er hatte sich mir ihr unterhalten. Sie hatte ihm davon erzählt, wie ihre Eltern sie verlassen hatte, wie sie sich alleine und gelähmt in einem Waisenhaus durchgeschlagen hatte.

Das Mädchen hatte geweint, als sie ihm das erzählt hatte. Da waren Tränen auf ihren Wangen gewesen, sie hatte geschluchzt, doch jetzt…

Jetzt weinte sie wirklich.

Annika saß ich ihrem Rollstuhl, hatte das Gesicht in den Händen vergraben und wurde am ganzen Körper von Schluchzern geschüttelt. Es klang so anders… so… so…

„Ehrlich. Es klingt ehrlicher!“  

Zischte eine Stimme in ihm und einen Moment später schämte er sich schon für diesen Gedanken. Hastig machte er ein paar Schritte zurück und stolperte direkt in Felix und Ardy hinein, die ihn fragend ansahen.

„Sie hat aufgegeben…“

Murmelte Taddl wie betäubt, aber mehr musste er nicht sagen.

„Nein…“

Augenblicklich sackte Ardy wieder in sich zusammen und stolperte mit einem erstickten Schluchzer zurück und erstarrte.

„Brudi, was ist los?“

Taddl legte ihm vorsichtig die Hand auf die Schulter, folgte dem Blick seines Kumpels uns sog scharf die Luft ein.

Der Schuss aus Catys Pistole hatte nicht nur sie geweckt.

Vor der großen Glasfront des Kaufhauses stand eine Horde Untoter, die mit ihren blutigen Fingern hungrig an den Scheiben kratzten.

„Was machen wir jetzt?“

Flüsterte Felix, der es nicht wagte den Blick von dem wandelnden Tod abzuwenden, als könnten sie sich plötzlich hinter die Scheibe teleportieren, wenn er sie auch nur für eine Sekunde aus den Augen lassen würde.

Aber sie schafften es auch während Dners wachsamer Blick auf ihnen ruhte, denn keine Sekunde später bekam die Scheibe einen Sprung.

Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie brechen würde.

Bis zum letzten Tropfen BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt