Zwei zum schweigen gebracht - fehlt noch einer

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Zwei zum schweigen gebracht – fehlt noch einer

Florian fuhr hoch. Er rappelte sich so schnell auf, dass er beinahe wieder umfiel. Was war passiert? Wo war er? Schwammig konnte er sich daran erinnern, wie er Frodo hatte vom Flughafen hatte abholen wollen... Der Kleinlaster... Keuchend lehnte Flo sich an die kalte Wand hinter ihm. Erst jetzt sah er sich um. Lefloid befand sich in einem relativ kleinen, weiß gefliestem Raum. Durch ein verdrecktes Fenster, 3 Meter über ihm, fiel getrübtes Licht in den Raum und ließ ihn den silbernen, medizinisch wirkenden Tisch erkennen, auf dem er aufgewacht war. Sonst war der Raum leer. "Beruhig dich, Flo. Wenn du panisch wirst, wird dir das sicher nicht helfen!" Sagte er zu sich und seine Stimme hatte ein gespenstisches Echo in dem hohen Raum. Es ging ihm noch ganz gut, also was auch immer man mit ihm vorgehabt hatte, es war noch nicht passiert. Die einzige Tür, die aus dem Rau herausführte war abgeschlossen, doch das Schloss war alt und rostig. Mehr als einen Tritt hielt es nicht aus, dann schwang die Tür auf und gab die Sicht frei auf eine große, dunkle Lagerhalle. Flo spürte die Kälte des Betonbodens noch durch die Sohlen seiner Turnschuhe, als er in die Dunkelheit schlich. Mit aller Kraft zwang er sich in die Stille zu lauschen, damit seine Fantasie nicht begann verrückt zu spielen. Normalerweise erwartete er schon nachts in seiner dunklen Wohnung hinter jeder Ecke etwas böses. Ob das Zombies, Slender oder Serienkiller waren hing von der Serie oder dem Spiel ab, was er momentan suchtete. Aber hier, mit dem was passiert war würde er durchdrehen. Schon nach ein paar Schritten konnte Flo die Hand vor Augen nicht mehr erkennen. Es fühlte sich an, als wäre er plötzlich blind geworden. So eine durchdringende Dunkelheit und Stille hatte er noch nie erlebt. Da war kein Geräusch, außer seinem eigenen Atem. Also war er alleine, doch ob das gut oder schlecht war, wusste er nicht. Flo schluckte, als seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten und die Konturen des Raums sich langsam aus der Schwärze schälten. Es war eine große, hohe Lagerhalle, wie Florian vermutet hatte. Aus irgendeinem Grund war sie mit Zäunen aus Maschendraht in mehrere kleine Räume unterteilt und an je mehr dieser Räume er vorbei kam, desto mehr bekam er das Gefühl durch ein Gefängnis zu laufen. Wäre eine der Türen nicht so weit offen gestanden wäre er sich nicht einmal sicher, ob er die Gestalt gesehen hätte, die dort zusammengesunken an dem Draht der Abgrenzung lehnte, doch etwas an dieser Silhouette kam ihm so schrecklich vertraut vor… Er blieb stehen und langsam begann seine Fantasie sich doch die schlimmsten Szenarien bereit zu legen. "H-hallo?" Flos Stimme zitterte leicht, als er den ersten Schritt in die angrenzende Zelle machte. Es kam keine Antwort. Mit jedem Zentimeter, den Flo voran kam wünschte er sich immer mehr er hätte diese Richtung nie eingeschlagen. Vor allem, als der metallische Geruch von Blut in seine Nase stieg, aber da hatte er das Gesicht schon erkannt. Der Schock fuhr durch seinen Körper, wie ein Stromschlag. "Rick..." Hastig kniete er sich neben seinen Kumpel. Das konnte nicht sein! Er konnte nicht tot sein! Trotz des Blutes, was auf seiner Haut klebte legte Floid zwei Finger auf eine Seite von Ricks Hals. Die Kälte und der fehlende Puls bewiesen ihm das Gegenteil. Rick, einer seiner besten Freunde, saß hier tot vor ihm. Blut hatte ein makaberes, rotes Muster auf sein Gesicht gezeichnet und seine sonst so stechend grünen Augen starrten trüb ins leere. Als hätte er sich an Ricks eiskalter Haut verbrannt zog Flo seine Hand zurück und stolperte von der Leiche weg. Dabei stieß seine Hand gegen einen kleinen, schweren Gegenstand, der auf dem Boden lag. Ricks Handy. Der SMS- Ton ließ Flos Herz für eine Sekunde aussetzen und alle seine Muskeln verkrampfen. Er sah erst auf das Display, als auch das Echo verklungen war und er wieder nur seinen eigenen, rasenden Herzschlag in den Ohren pochen hörte. Eine neue Nachricht von unbekannt.

-"Du bist wach. Verdammt, ich könnte mich selbst dafür ohrfeigrn, dass ich das Narkosemittel falsch berechnet habe! Zu viele unvorhergesehene Faktoren. Ach, verdammt!"

-"Wer bist du?"

-"Es interessiert niemand, wer ich bin. Sie haben mich alle verlassen und wer kennt, oder hilft einem Einsiedler? Er hat nur sich selbst und kann auch nur sich selbst helfen, wenn es das ist, was der werte Psychologe verschlagen würde."

-"Wieso hast du das getan? Wieso hast du Rick getötet und mich am Leben gelassen?"

-"Ich wollte Rick nicht töten. Irgendwas ist bei ihm falsch gelaufen... Ich bin mir selbst nicht sicher was es war. Niemand sollte sterben!"

-"Bist du noch hier?"

-"Als klar wurde, dass du wach wirst war ich schon weg. Ich gebe dir den Tipp deine Sachen zu nehmen und zu gehen. Es wird keinen Sinn machen zur Polizei zu gehen, denn innerhalb von zwei Stunden wird dieses Gebäude nicht mehr existent und Ricks Leiche wird zu Asche zerfallen sein."

-"Ich habe ein Handy in der Hand. Ich könnte jetzt sofort die Polizei rufen, oder Beweisbilder machen."

-"Das könntest du, ja. Abgesehen davon, dass viele der Polizisten ihr Gehalt gerne aufbessern würden, damit DU im Gefängnis landest könntest du es auch verkraften, wenn IHR etwas passiert?"

Ein Bild wurde gesendet. Zuerst konnte Flo nicht erkennen, was darauf zu sehen sein sollte, doch als er ihr Gesicht sah sog er scharf die Luft ein und seine Hand, die das Handy hielt verkrampfte sich. Es war seine Freundin. Sie saß in ihrem Lieblingscafe und sah an der Kamera vorbei. Wenn Floid hätte wetten müssen würde er sagen sie hatte nicht mal mitbekommen wie das Foto gemacht wurde.

-"Du kannst dich entscheiden. Entweder du gehst zur Polizei, wo dir sowieso niemand glauben wird, oder du stellst sicher, dass deine Freundin am Leben bleibt. Ich habe jetzt schon unabsichtlich, früher als geplant, Blut an meinen Händen. Da werden ihre Schmerzensschreie mir auch keine Albträume mehr bereiten. Also verschwinde jetzt! Dein Longboard steht neben dem Eingang."

Flo war zu geschockt, um auch nur zu antworten. Verzweifelt sah er zwischen Ricks Leiche und dem Handy hin und her, dann legte Floid das Smartphone vorsichtig auf den kalten Betonboden, stand langsam auf und begann dann zu rennen. Ein paar Mal verirrte er sich in dem Labyrinth aus Maschendraht, weil die Panik jeden klaren Gedanken von ihm wie Ungeziefer zerfraß, bevor er endlich das Licht sah, was durch die große, schon halb verfallene Tür sickerte und dem dreckigen, grauem Boden eine Farbe gab. Da stand tatsächlich sein Longboard mit dem Rucksack daneben. Nichts fehlte, oder war beschädigt. Der einzige Unterschied war auf seinem Longboard lag eine geladene Waffe und daneben ein leuchtend gelber Klebezettel. Die Schrift war so ordentlich und sorgfältig, dass sie nur zu einem Mädchen gehören konnte. "Vergiss nicht, es gibt immer einen einfacheren Weg. Ohne Verantwortung. Ohne Schuld..." Flo konnte nicht sagen wieso, aber er packte die Waffe mit zitternden Fingern in seinen Rucksack. Es war wie ein Reflex. Dann nahm er sein Longboard, rannte aus der Lagerhalle und fuhr so schnell davon wie er konnte. Erst, als der kalte Fahrtwind sie trocknen ließ spürte Flo die Tränen auf seiner Haut.

Bis zum letzten Tropfen BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt