„Er war ein Freund."

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„Er war ein Freund.“

Büro des Präsidenten von Amerika, Protokoll, 42 Tage nach Infektion Europas

-„ Mr. President! Wir haben ein Flugzeug an der Grenze ausgemacht, das von Europa kommt. Deutschland, um genauer zu sein.“

-„Warum kommen sie damit denn zu mir? Ich habe genug damit zu tun zu verhindern, dass der Virus nicht in unser Land kommt! Sie haben im letzten Monat genug Landungen unterbunden, also tun sie das, was sie immer tun!“

-„Bei allem Respekt, Sir. Das kann ich nicht. Sie sagt sie hätte die Roh Form des Virus an Bord. Sie droht den Virus abzuwerfen, wenn wir sie nicht landen lassen und sollten wir sie abschießen, dann würden wir den Virus so oder so durch die Luft verbreiten.“

-„Haben sie überprüft, ob sie die Wahrheit sagt? Vielleicht ist sie auch einfach verzweifelt und blufft?“

-„Über Funk hat sie sich nicht sehr verzweifelt angehört. Bitte, Mr. President, wir haben nur sehr wenig Zeit. Sie hat uns ein Ultimatum gestellt. Wenn sie nicht, in einer Stunde, auf amerikanischem Boden, ohne ihre Leibwächter mit ihr verhandeln wird sie eine Probe des Virus über New York abwerfen. Sie sagt in Europa hat das auch ausgereicht.“

-„In Ordnung… Ich sehe die Lage ist ernst. Lassen sie sie landen und bringen sie mich zu ihr.“

Ein junges Mädchen war das letzte gewesen, was der Präsident der vereinigten Staaten von Amerika erwartet hatte. Einige Sekunden lang  glaubte er hinter ihr müsse ein älterer Mann aussteigen.

Vielleicht mit vernarbtem Gesicht und einer entsicherten Waffe, doch es blieb bei dem Mädchen.

„Mussten sie die Landeerlaubnis persönlich absegnen, Mr. President, oder warum hat das so lange gedauert?“

Auch wenn ihr Akzent kaum wahrnehmbar war hörte man doch, dass sie deutsche war.

„Ja, das musste ich. Schließlich haben sie mit einem terroristischen Anschlag gedroht.“

Das Mädchen warf lachend ihre langen, blonden Haare zurück und kam auf ihn zu.

„Ich bitte sie! Ich habe doch nicht mit einem Anschlag gedroht. Ich will ihnen einen Handel vorschlagen. Einer, der nur zu ihren Gunsten ausfallen kann.“

Der Präsident zog eine Augenbraue hoch.

„Was wäre das denn für ein Handel?“

„Sie gewähren mit Asyl in ihrem Land, sponsern mir ein Haus, ein Labor, stellen mir einen ihrer besten Soldaten zur Verfügung und im Gegenzug werde ich den Virus unter Verschluss halten.“

Sie lächelte kalt und jetzt wunderte es ihn nicht mehr, dass ein Mädchen, das in ihrem Land nicht einmal volljährig war, solche Drohungen aussprach.

„Woher haben sie den Virus?“

Noch nie hatten ihn blaue Augen gemustert, die so kalt waren, wie die dieses Mädchens.

„Ich habe ihn selbst entwickelt und selbst, wenn sie alles, was ich in meinem Flieger habe, vernichten kann ich ihn jeder Zeit wieder synthetisieren. Wenn sie mich hinterfragen vergeuden sie nur ihre Zeit, Mr. President.“

„Bitte verstehen sie mich nicht falsch…“

Sagte er mit gespielter Freundlichkeit.

„Ich glaube ihnen nicht. Ich denke, dass sie einfach nur verzweifelt sind und nur leere Drohungen aussprechen in der verzweifelten Hoffnung ihr eigenes Lebe zu retten.“

Die Augen des Mädchens wurden dunkel vor Wut und das Lächeln rutschte von ihren Lippen, als wäre es zuvor nur aufgeklebt gewesen. Während des Gespräches sie ihm immer näher gekommen, bis sie nur noch einen Schritt von ihm entfernt stand.

„Ich bin ein sehr geduldiger Mensch, Mr. President und ich lasse mich nicht schnell aus der Ruhe bringen, aber diese Behauptung beleidigt mich doch tatsächlich.“

Ihre Bewegung kam so schnell und fließend, dass der mächtigste Mann der Welt keine Zeit hatte zu reagieren. Er spürte die Nadel in seinem Hals und im nächsten Augenblick war sie schon wieder verschwunden, doch statt dem stechenden Schmerz begann jetzt eine unerträgliche Übelkeit sich in seinem Magen auszubreiten. Der Mann keuchte, fiel auf die Knie…

„Ich erwarte ihre Antwort, Mr. President und das bitte noch bevor sie zu einem Untoten werden.“

Hörte er die Stimme des Mädchens direkt neben seinem Ohr.

„Werden sie meine Forderung erfüllen, oder denken sie noch immer, dass ich nur versuche mein Leben zu retten?“

Es fühlte sich an, als hätte sich etwas schweres auf seine Lunge gesetzt, um ihn am Atmen zu hindern, sein Blickfeld verschwamm und als er sich durch sein Gesicht fuhr klebte Blut an seinen Fingerspitzen.

Irgendwie hatte er gebetet, dass dieses Mädchen nicht wirklich die Person war, die einen kompletten Kontinent auf dem Gewissen hatte. Ihr Asyl zu geben, inklusive einem Haus und einem Labor könnte  sie alle umbringen und bedeutete, dass dieses junge Ding sie auf ewig in der Hand hatte, doch hatte er eine andere Wahl?

Auch wenn er schon den metallischen Geschmack von Blut auf seiner Zunge wahrnahm nickte er nur wiederstrebend. Sofort reagierte sein gegenüber, indem sie eine weitere Spritze zog und ihm das Gegenmittel in den Blutkreislauf jagte, bevor der Virus ihn umbrachte.

„Ich bin froh, dass wir uns verstehen, Mr. President.“

Mit einem spöttischen lächeln sah sie auf den mächtigsten Mann herunter, dessen Anzug mittlerweile voller Staub und Öl der Landefläche war und bot ihm eine Hand an, damit er wieder auf die Beine kam. Zögernd nahm er ihre Hilfe an.

„Wofür wollen sie den Soldaten?“

Das Mädchen zögerte kurz.

„Ich will, dass er für mich nach jemandem sucht, der in Deutschland verschwunden ist. Er war mir sehr wichtig und ich würde mich wohler fühlen, wenn ich ihn in Sicherheit wüsste.“

Vorsichtig zog sie ein Foto aus ihrer Hosentasche. Das Papier war zerknittert, als würde sie es seit einem Monat ununterbrochen mit sich herum tragen, doch das Gesicht darauf konnte er trotzdem erkennen.

Es zeigte einen jungen Mann mit Dreadlocks und einem grünen Stirnband.

„Wer war er?“

Wieder zögerte sie, bevor sie leise, beinahe andächtig sagte

„Er war ein Freund.“

Bis zum letzten Tropfen BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt