Raubkatze auf der Jagd

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Raubkatze auf der Jagd

Victor

Seine Hände zitterten, als er hastig über den kalten Betonboden kroch. Weg, von der Löwin, die sich vor den Türrahmen gelegt hatte, durch den er die Tiefgarage betreten hatte und mit milchig weißen Augen ihrer Beute hinterher sah. Bald würde Sie die Verfolgung aufnehmen, aber vorerst begnügte sie sich damit diesem Menschlein dabei zuzusehen, wie es verängstigt das Weite suchte. Sie würde ihn schon noch einholen. Victors Herz raste, die Erschöpfung machte ihm die Knie weich, als er sich auf die Beine kämpfte und weg von der Raubkatze rannte. Doch wo sollte er hin? In der ganzen Etage stand kein einziges Auto! Victor saß auf dem Präsentierteller und spürte den Blick der Löwin im Nacken, als würden sich ihm zwei glühende Nadeln in die Haut bohren. Er musste hier raus, eine Etage höher... Die steile Rampe befand sich genau rechts von ihm... Ein Blick über die Schulter und das Blut gefror in seinen Adern. Die Löwin begann langsam sich zu erheben und immer noch hing der hungrige Blick ihrer leeren Augen an ihm. Ohne weiter nachzudenken schlug er einen scharfen Haken nach rechts und keine 10 Sekunden später stand er schon eine Etage höher, während Victor hinter sich, an dem schaben der Krallen auf dem Boden hörte, dass die Löwin wieder begonnen hatte zu rennen. Hastig sah Victor sich um. Zwar konnte er das Tor noch nicht erkennen, das hinaus auf die offene Straße führte, doch es müsste auf dieser Etage sein, denn einen Weg nach noch weiter oben gab es nicht. Wenigstens standen hier noch einige Autos, auch wenn es nicht viele waren, boten sie etwas Schutz und einen Platz zum verstecken. Würde das reichen, um ihm das Leben zu retten?

Die Schritte der Löwin verlangsamten sich, als sie das oberste Parkdeck erreichte. Sie wusste, dass der einzige Weg nach draußen fest verschlossen war und sie roch schon das getrocknete Blut ihrer letzten Beute, die es geschafft hatte sich hier her zu schleppen. Diesem Menschlein würde es nicht anders gehen, auch wenn er jetzt zwischen den Autos kauerte. Ein leises Geräuschließ sie aufhorchen. Das Schaben einer Gummisohle auf Beton, genau hinter dem ersten Auto. Irgendwie war sie enttäuscht... Sie hätte sich von dieser Beute eine spannendere Jagd erhofft. Den Geschmack von warmen, frischem Blut schon auf der Zunge schlicht sie vorwärts, die Muskeln spielten unter ihrem blutverklebten Fell. Hungrig machte die Raubkatze sich bereit zu springen und ihm ihre messerscharfen Zähne ins Fleisch zu rammen, doch... da war nichts. Der Zwischenraum zwischen den Autos war leer. Irritiert stellte sie die Ohren auf und lief einmal um den ganzen Wagen herum. Nichts.

Mehr Angst hatte Victor noch nie in seinem Leben gehabt. Er hatte sich hastig unter das nächste Auto gezwängt, als er gesehen hatte, dass die Löwin kam. So lag Iblali jetzt da, flach auf den glatten Beton gepresst, während die Unterseite des Fahrzeuges in seinen Rücken schnitt. "Die Löwin wird dich trotzdem finden! Sie riecht deine Angst noch über Kilometer hinweg. Du sitzt hier fest, Victor. Du sitzt hier fest, bis sie dich tötet. " Überdeutlich spürte er das hämmern seines Herzens selbst noch in seinem Hals, als er beobachtete, wie die Pfoten der Löwin lautlos an der Reihe der Autos auf und ab schlich. Er musste hier raus! Mit Angstschweiß auf der Stirn wartete er ab, bis fiel Pfoten außer Sichtweite waren, dann zog er sich so schnell er konnte unter den nächsten Wagen. Eine grausame Sekunde glaubte er die Löwin hätte ihn gesehen, oder gehört, doch die große Katze zog weiter ihre gewohnten Bahnen. Wie war es möglich, dass sie ihn noch nicht gerochen hatte? Beeinträchtigte der Virus ihren Geruchssinn? Aber wie war es dann möglich, dass die Sinne der Menschlichen Untoten noch verstärkt wurden? Ein weiteres Mal wartete er ab, krabbelte durch den Staub und Dreck der Tiefgarage unter den nächsten Wagen. Insgesamt schaffte er 6, bis er endlich Tageslicht erkannte, das auf den grauen Beton fiel. Da war das Tor, gerade mal 20 Meter von ihm entfernt. Jetzt konnte er auch erkennen, warum er und Andre es von außen nicht hatten öffnen können! Es war ein einfacher, lächerlicher Haken, der das Metall an eine einfache Verankerung im Boden band. Mehr nicht. Hätten sie das von draußen gesehen würde Andre noch leben... Sein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen und eine Träne tropfte aif den Boden ohne das er es verhindern konnte. Schnell wischte er sich die restlichen mit seinem Ärmel aus dem Augenwinkel. Jetzt war nicht die Zeit zum Weinen! Er musste zurück zu den anderen und ihnen sagen, dass sie so schnell, wie möglich verschwinden mussten? Wer wusste, was in diesem Tiergarten noch alles infiziert worden war? Bis zum Tor waren es noch 2 Autos, unter denen er Schutz suchen konnte, bevor er fast 15 Meter bis zum Tor rennen musste. Dann nur noch den Haken raus und er wäre draußen... Iblali zog sich unter das vorletzte Auto, sah sich nach den Pfoten der Raubkatze um und musste einen Aufschrei unterdrücken. Unter dem Wagen, der unmittelbar neben Victor stand lag ein Zombie. Auch er schien sich vor irgendetwas hier zu versteckt zu haben... Eine hoffnungsvolle Sekunde lang glaubte Victor es wäre doch nur eine normale, leblose Leichr, doch als der Untote seinen Kopf mit den milchig-weißen Augen zu ihm drehte bewies das das Gegenteil. Der Zombie starrte ihn für einen Augenblick einfach nur an, als müsste er erst begreifen, dass da neben ihm ein lebendiger Mensch lag. Mit einem lebendigen, schmackhaften, schlagenden Herzen. Dann kroch er langsam, begleitet von einem heißeren Flüstern, auf ihn zu. Sobald einer seiner Arme jedoch den Schutz seines Versteckes verließ ertönte ein wütendes Fauchen, das in der ganzen Tiefgarage von den Wänden wieder hallte. Victor hatte die Löwin vor Schreck von fast vergessen, doch da schoss die Raubkatze zwischen den Autos hindurch, packte den Arm des Untoten und zerrte ihn direkt vor das Auto unter dem Victor lag. Niemals hätte er es für möglich gehalten, doch der Zombie schrieb, als die Löwin ihm den Arm ausriss. Das Knacken, mit dem der Arm aus dem Gelenk gerissen wurde ging Victor durch Mark und Bein und ein Schwall stinkendes, getrocknetes Blut ergoss sich auf den Boden vor ihm. Ein paar Sekunden ließ die Löwin ihn unter dem Gewicht ihrer Pfote zappeln und kreischen, bis sie schließlich den Kopf senkte und die Messerscharfen Zähne in das verfaulte Fleisch grub, bis sie den Kopf mit einem Schmatzen von seinen Schultern riss. Wie erstarrt lag Victor da, während der Körper des Untoten, unmittelbar vor dem Auto, unter dem er lag, erschlaffte. Die Pfoten der Löwin standen jetzt unmittelbar vor seinem Gesicht und Iblali hielt unwillkürlich die Luft an, damit sein heißer Atem nicht über ihr Fell strich. Victor hörte das Blut in seinen Ohren rauschen und spürte, wie das Herz in seiner Brust gegen seine Rippen prügelte, aber die Löwin ging einfach nicht! Sie stand nur da, schien auf etwas zu lauschen und kauerte sich schließlich betont langsam hin. Victor konnte jedes einzelne, vom Blut verklebte Fellbüschel an ihrem Bauch erkennen, das keine 20 cm vor seiner Nase den Beton berührte. Dann senkte die Raubkatze ebenfalls so langsam, als wollte sie ihn provozieren den Verstand zu verlieren und vor Panik kreischend aus seinem Versteck zu springen, doch selbst wenn er gewollt hätte, Iblali hätte nicht davon tun können. Kein einziger seiner Muskeln schien ihm noch zu gehorchen, bis die weißen Augen der Raubkatze ihn plötzlich direkt anstarrten. "Hab dich! " ,schienen sie zu sagen, "Ich hab gewonnen. " Unvermittelt fuhr ihre Tatze plötzlich unter das Auto und keine Sekunde zu früh brachte Iblali seinen Körper wieder unter Kontrolle und rollte sich weg. Der kühle Windhauch strich über seine Wange, als die Krallen seine Haut nur um wenige Millimeter verfehlte. So gut es tat kein scharfes Metall mehr im Rücken zu spüren, um so bedrohlicher war der kalte Wind in seinem verschwitzten Rücken. Das Fauchen hinter Victor verlieh ihm Flügel. Keine Sekunde später war er schon auf den Beinen. Seine Schritte hallten in der fast leeren Tiefgarage, als er zu dem Tor sprintete. Er wagte es nicht sich umzusehen. Entweder würde er es vor der Löwin raus schaffen, oder er würde hier sterben... Seine Finger waren von der Kälte des Bodens noch so taub, dass sie beinahe abrutschten, als Victor den Haken aus der Verankerung im Boden zog. Die Löwin kam immer näher. Keuchend stemmte er das Tor ein Stück nach oben. Es ließ sich hochschieben, doch was auch immer diese Bewegung möglich machte schien alt und eingerostet zu sein. Ein widerwärtiges Quietschen dröhnte in seinen Ohren, bis endlich ein Spalt entstanden war, der groß genug schien, um sich hindurch zu zwängen. Er war fast frei! Doch dann beging er einen fatalen Fehler. Victor sah sich um. Alleine die Bewegung kostete ihn schon wertvolle Sekunden, doch da sah er die Leiche. Die Leiche, die er und Andre anfangs nicht hatten sehen können. Das, was man schon lange nicht mehr Mensch nennen konnte... Es war diese Starre, die die Raubkatze ausnutzte.

Mit einem gewaltigen Prankenhieb schlug sie die Beine unter ihm weg, sodass der Junge mit einem erschrockenen Aufschrei auf den Boden und das Tor mit einem lauten Scheppern zurück auf den Boden fiel. Langsam wurde dieses Menschlein tatsächlich lästig! Beinahe wäre er entkommen... Aber eben nur Beinahe. Erwartungsvoll fuhr leckte sie sich die Lippen. Blut. Frisches, warmes Blut und unverrottetes Fleisch... und das alles gehörte nur ihr! Was zuerst fressen? Ein Arm? Ein Bein? Das Herz? Weiter kam sie mit ihren Gedanken allerdings nicht, denn dieses kleine Menschlein unter ihrer Pfote hatte doch tatsächlich allen seinen Mut und Lebenswillen zusammen gekratzt und.. sie getreten! Mitten in den Bauch!

Mit einem hohen Jaulen wich die Löwin für einen Moment zurück und genau diesen nutzte Victor. Schnell rollte er sich zur Seite, stemmte das Tor ein zweites Mal hoch, zwängte sich darunter hindurch und ließ es hinter sich schließlich wieder scheppernd auf den kalten Boden fallen. Von innen wütete die Raubkatze immer noch, brüllte, fauchte, schlug gegen das Tor, doch es nützte nichts. Iblali war frei und hastete so schnell wie möglich zurück zu seinen Freunden, um ihnen zu sagen, dass sie hier keine Sekunde länger bleiben konnten.

Bis zum letzten Tropfen BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt